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Alte Meister für junge Geister

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Kultur

„Beirut? Liegt das nicht im Nahen Osten?“ Diese Frage hört man häufig, wenn man europäischen Freunden vom Festival junger Künstler in Bayreuth erzählt. Wer außer flammenden Wagnerverehrern kennt schon diese Kleinstadt tief in der fränkischen Provinz, deren Name bei den meisten nur lautmalerische Assoziationen mit dem Libanon hervorruft?

© Albert78000 /flickrAuf dem grünen Hügel Bayreuths thront das Festspielhaus Richard Wagners und überschattet so nicht nur die Silhouette der Stadt sondern auch deren Wahrnehmung in der Welt. Dabei sind die Klänge des Parsifal nicht die einzigen, die durch die barocken Straßen hallen: Den unbedarften Spaziergänger überraschen an der Ecke zwischen Oper und altem Schloss die Rhythmen einer brasilianischen Marching Band. Beschwingten Schrittes macht er sich in die Innenstadt auf und findet sich plötzlich zwischen einem rumänischen Akkordeonensemble und einem deutsch-französischen Streichquartett wieder. Und spielt da vorne nicht eine Blechbläsercombo?

Jenseits politischer Konflikte: Israel und Paltästina an einem Notenpult

Über Bayreuth ist eine musikalische Invasion hereingebrochen. Auch wenn Wagnerfans und Festspielbesucher im August ebenfalls die Innenstadt unsicher machen, so sind sie doch nicht für die Musikrevolution verantwortlich. Die sprunghaft angestiegene Zahl der Straßenmusiker deutet vielmehr darauf hin, dass es wieder einmal so weit ist: Das Festival junger Künstler geht in seine nächste Runde. Auch in diesem Jahr lockt es unter dem frei nach Wagner adaptierten Motto follow your passion 300 junge Künstler aus 29 verschiedenen Ländern auf die „Probebühne für die Jugend der Welt“. Man will vor allem musizieren, doch auch Schauspieler, Schriftsteller und Tänzer kommen auf ihre Kosten. Manch einer mag sich zwar wundern, wenn er aus dem Zug steigt und ihm kein rauer Wüstenwind durch die Haare fährt, aber auch Fans des nahen Ostens lernen die deutsche Provinz bald schätzen.

© Philipp HubmannWährend es anfangs noch unter den Vorzeichen des Kalten Krieges stand, hat sich das Festival mittlerweile zu einem Spiegelbild der globalisierten Welt entwickelt: Neben einem Konzertabend mit italienischen, spanischen und türkischen Liedkompositionen und den Auftritten des Ensembles Lyra Tatui aus Brasilien steht auch eine Reise zwischen Orient und Okzident auf dem Programm. Zu dem Workshop Orient meets Occident wurden Musiker aus dem Libanon, aus Syrien, dem Irak und Palästina eingeladen, um unter der Leitung von Dr. Vladimir Ivanoff die „Arabische Passion nach J.S. Bach“ zur Aufführung zu bringen. Ziel des Projekts ist es, junge Israelis, Palästinenser und Araber zum gemeinsamen Musizieren jenseits politischer und religiöser Konflikte anzuregen. Dass der Dirigent Daniel Barenboim am 19. August zum ersten Mal mit seinem West Eastern Divan Orchestra, das sich aus arabischen und israelischen Musikern zusammen setzt, in Bayreuth gastiert, ist da natürlich ein willkommener Zufall.

Musikalischer culture clash in der deutschen Provinz

Kunst macht Menschen glücklich und daher muss sie verbreitet werden!

Fragt man die Intendantin Sissy Thammer, die schon seit 24 Jahren viel Herzblut in das Projekt fließen lässt, was sie so lange beim Festival gehalten habe, so spürt man die Begeisterung: „Mich hat Kunst immer glücklich gemacht.“ Deshalb will sie mit dem Festival jungen Menschen aus der ganzen Welt die Möglichkeit bieten, künstlerisch tätig zu werden. Besonders Kinder und junge Menschen hätten oft große Angst vor Kunst und klassischer Musik und müssten daher auf ganz besondere Art und Weise an diese herangeführt werden. Nicht jedem gefällt eben Wagners pompöser Parsifal! Das Festival junger Künstler bietet den Wagnerfernen daher ein buntes Potpourri aus argentinischem Tango, ungarischen Operetten und litauischen Jazzimprovisationen. Und wer selbst kein Instrument beherrscht, kann im Rahmen des Praktikantenprogramms Sprungbrett Erfahrungen in Dramaturgie, Pressearbeit oder Kulturmanagement sammeln.

© [desta] /flickrDie Zusammenarbeit mit Musikern unterschiedlichster Herkunftsländer ist aber nicht immer leicht. Was ist das Lieblingsgericht eines Japaners? Wie lange probt ein Belgier? Und was für ein Kopfkissen braucht der Jamaikaner? Es sei allerdings nur sehr selten die sprachliche Barriere, die den Veranstaltern und Teilnehmern das Leben schwer mache, meint Sissy Thammer. Dank der Internationalität des Festivals finde sich immer jemand, der vom Libanesischen ins Französische und vom Italienischen ins Russische übersetzen könne. Durchaus häufig komme es allerdings vor, dass die Jugendlichen die politischen und sozialen Konflikte ihrer Heimatländer mit ans Bayreuther Notenpult brächten. Ein klärendes Gespräch habe bislang immer zur Entspannung der Lage beigetragen. Allerdings sollte man bei der Konfliktlösung auch die heilende Kraft der fränkischen Gemütlichkeit nicht vergessen, denn: „Ein guter Schluck Frankenwein oder Bier sind immer hilfreich.“

Für die Teilnahme am Festival als Musiker oder Praktikant könnt ihr euch online bewerben. Deutschkenntnisse sind nicht vorausgesetzt!