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Rosenkrieg in Georgien

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Die Rosenrevolution von Tiflis trug einen zarten und medienwirksamen Namen. Sie brachte einen Präsidenten mit dem Zeug zum Superstar hervor. Was ist zwei Jahre später aus den Hoffnungen vom Herbst 2003 geworden?

Michael Saakaschwili ist ein Machtmensch. Nachdem er im Januar 2004 medienwirksam an die Spitze des Landes gelangte, wurde seine Politik von den einen beklatscht, während die anderen sie nur zähneknirschend hinnahmen. Am enthusiastischsten wurde Saakaschwili von den Jungen gefeiert; sie trieben einen einzigartigen Kult um ihren Nationalhelden. Giorgi Meladze, einer der Anführer der Studentenbewegung "Kmara" (Genug!) betont, dass seine patriotische Generation "in Liebe für die Flagge und die Nationalhyme entbrannt sei, die einige sogar bei Familienfesten anstimmen." Die internationale Gemeinschaft steht dem indes in nichts nach. So wurde "Mischa", wie der Präsident liebevoll genannt wird, am 15. September 2004 als Held der Demokratie auf der Bühne der Vereinten Nationen begrüßt. Während in der Ukraine oder in Kirgistan nach deren bunten Revolutionen nur Enttäuschung übrig blieb, gilt die kleine kaukasische Republik als Hoffnungsträger. Dieses Vertrauen wurde kürzlich auch von Washington mit der stolzen Summe von 295 Millionen US-Dollar für Infrastrukturprojekte noch einmal bekräftigt.

Die Lesarten der Demokratie

Auch wenn die Ernsthaftigkeit von Saakaschwilis Programm unbezweifelbar ist, sorgen doch einige seiner Maßnahmen für Überraschungen: Verhaftungen von Journalisten oder militärische Einmärsche in "befriedete" Gebiete. "Im Westen herrscht ein grundlegendes Missverständnis über die Bedeutung der Rosenrevolution" bemerkt Vicken Cheterian, Journalist und Programmdirektor der Organisation CIMERA. "Man hat sie als pro-demokratische Revolution dargestellt. Saakaschwili wollte aber vor allem den georgischen Staat stärken, was nicht unbedingt mit demokratischen Grundsätzen gleichzusetzen ist". Heute gehen öffentliche Macht und Medien Hand in Hand, so scheint es. Für Thornike Gordadze, Wissenschaftler am Pariser Zentrum für Internationale Forschungen (CERI), "war der Wunsch nach mehr Demokratie unter Präsident Schewardnadse bedingt durch einen schwachen Staat. Es handelte um eine Standard-Demokratie." Als viel beunruhigender wird von Experten die Schwäche der Oppositionsparteien eingeschätzt. "Eine funktionierende Demokratie braucht Gegenkräfte. Das ist die Rolle der Opposition. Und heutzutage gibt es keine glaubwürdige Gegenkraft zu Saakaschwili", erinnert Thornike Gordadze. Die Anstrengungen der letzten 2 Jahre haben nicht gereicht, um durch Korruptionsbekämpfung, Speerspitze von Saakaschwilis Politik, Georgien von der Liste der korruptesten Staaten der Welt zu streichen." Giorgi Meladze ist der Ansicht, dass "die Reformen vielmehr auf sehr gezielten, punktuellen Interventionen beruhen. Die Regierung geht Fall für Fall vor, es fehlt eine systematische Strategie, die die Stärkung der öffentlichen Institutionen im Blick hat." Saakschwillis vereinzelte Erfolge- bei der Bildungs- und Justizreform, der Verbesserung des Straßennetzes - können die Enttäuschung der Bürger nicht hinwegfegen, wie die massive Unterstützung für die ehemaligen Außenministerin Salomé Surabischwili zeigt, die am 19. Oktober aus der Regierung ausgeschlossen wurde.

Georgien und die Vereinten Nationen

Auch in der Regierungspolitik fehlt eine klare Zielvorgabe. Die aktuelle Marschrichtung drückt sich in der ziemlich rätselhaften Konstruktion einer "asymmetrischen Föderation" aus. Auch wenn Saakaschwilli in Adscharien nach dem Sturz des legendären Führers Abaschidse Erfolge verbuchen kann, gestaltet sich die Lage in Abchasien und Südossetien ungleich komplizierter; die beiden Regionen haben nach den Bürgerkriegen von 1992-93 de facto ihre Unabhängigkeit ausgerufen. Ihre brüchige Einheit wird nur durch die Anwesenheit von 3000 russischen Soldaten zusammengehalten und sie liebäugeln offen mit Moskau. Erst kürzlich haben 80% der Einwohner die russische Staatsangehörigkeit angenommen. Vicken Cheterian ist überzeugt, "dass es Tiflis nicht mehr um politischen Einfluss in diesen Gebieten geht, sondern einfach um Gewaltvermeidung." Doch auch wenn Tiflis bestürzt ist über die Anwesenheit russischer Truppen und Militärstützpunkte auf seinem Territorium, hülllt sich die internationale Gemeinschaft, stets auf Frieden mit Russland bedacht, in Schweigen. Selbst wenn George Bush Georgien immer wieder als "Leuchtturm der Demokratie in der Welt" bezeichnet, macht er Andeutungen, den Fall "z.B. an die Vereinten Nationen weiterzugeben und gerne "die zwei oder drei nötigen Anrufe zu erledigen."

Mit gebundenen Händen

Die Liebesgeschichte zwischen Saakaschwili und dem Weißen Haus wurde oft überbewertet. Für Thornike Gordadze "hat ein Land wie Georgien geopolitisch kaum eine Wahl. Selbstverständlich orientiert sich Georgien eher an den USA, die sehr viel in die Wirtschaft, Sicherheit, Kultur und Bildung des Landes investieren!“ Diese Verbundenheit ist logisch, hat doch schon Schewardnadse die USA nach dem 11. September aktiv unterstützt, seinen Luftraum zur Verfügung gestellt und Truppen in den Irak geschickt. Entscheidet sich das Schicksal Georgiens neben Russland und den USA nicht auch in der Europäischen Union? Dies verkündet Saakaschwili lauthals. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt geht es noch nicht um Beitritt. Die EU und Georgien haben gerade schwierige Identitätskrisen zu bewältigen, aber die europäische Delegation in Tiflis denkt bereits über eine Partnerschaft der "guten Nachbarschaft" nach. Hochmotiviert und angesichts einer starken internationalen Anerkennung ist Saakaschwili bereit, die zweite Periode seines Mandats in Angriff zu nehmen. Das Schicksal des modernen Georgien entscheidet sich aber in den rechtsfreien Gebieten Abchasiens und Südossetiens. Da, wo man mit gutem Willen allein nicht mehr weiterkommt.

Translated from La vie en rose, version géorgienne