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Fascho wird Theaterdirektor: Ideologie statt Kunst in Budapest

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Gesellschaft

Dreizehn Jahre lang hat Istvan Marta das Neue Theater (Uj Szinhaz) in Budapest geleitet. Am 1. Februar wurde es von György Dörner übernommen - einem Anhänger der rechtsextremen Partei Jobbik.  Der scheidende Direktor sieht sich als Opfer einer politischen Entscheidung. Er fürchtet, dass sein Theater zur Bühne für Extremismus werden könnte.

Herr Marta, Ihr Theater wird seit Mittwoch von György Dörner geführt, der der rechtsextremen Partei Jobbik nahesteht. Wird sein ‚rechtes‘ Theater akzeptiert werden? Immerhin stellen nationalkonservative und rechtsextreme Parteien mehr als 80 Prozent der Parlamentarier.

Istvan Marta: Ich bin davon überzeugt, dass es kein rechtes oder linkes Theater gibt, nur gutes oder schlechtes. Und genau hier liegt das Problem: Mein Nachfolger verbreitet ausschließlich ideologische Klischees. Man könnte deshalb sagen, dass er demagogisches Theater machen wird, das die Zuschauer für seine Ideologie begeistern soll.

Wird dieses demagogische Theater seine Zuschauer finden?

Istvan Marta: Das kann ich noch nicht sagen, aber unter Dörner wird das Theater sicherlich extremistischer. 

Dörner behauptet, Ungarns Theater sei zu liberal und zeige zu wenige ungarische Stücke. Hat er vielleicht Recht damit?

Istvan Marta: Es gibt viele Vermutungen. Meine rechts wählenden Freunde sind jedenfalls ebenso entrüstet über die Entscheidung wie eine Reihe von konservativen Intellektuellen.

Wie haben Sie gegen Ihre Absetzung protestiert?

Istvan Marta: Wir ‚protestierten‘, indem wir hoch konzentriert weitergearbeitet haben. Wir haben noch drei Premieren auf die Bühne gebracht , darunter Don Carlos von Friedrich Schiller. Das Ziel aller Proteste ist es weiterhin, die eigenmächtige Entscheidung des Bürgermeisters rückgängig zu machen. Er hat sich über das Votum der unabhängigen Fachkommission für mich hinweggesetzt.

Die Produktion von Don Carlos ist also auch eine Form des Protests?

Istvan Marta: Wenn die Bearbeitung eines unsterblichen und wichtigen Dramas im heutigen Ungarn als Protest angesehen wird, dann ja.

Schiller thematisierte am Beispiel des Infanten von Spanien, Don Carlos, den Kampf für persönliche und politische Freiheit. Das passt doch zur Situation des Neuen Theaters und sogar ganz Ungarns.

Istvan Marta: Das Drama zeigt auf jeden Fall, welche Überzeugungen und Träume wir haben, und vor allem wie wir sie verwirklichen können.

Ihr Nachfolger Dörner kritisiert den Liberalismus als „entartet und krankhaft“. Steht die Figur des Marquis von Posa für den Liberalismus? Könnte man nicht sogar Sie darin wiedererkennen?

Istvan Marta: Posa ist ein sehr freier Mensch und ein unabhängiger Denker, der seinen Überzeugungen folgt. Aber um seine hochgesteckten und 'heiligen' Ziele zu erreichen, ist ihm jedes Mittel recht, sogar ein Komplott. Deshalb scheitert er. Schillers Posa ist eine vielschichtige, komplexe Persönlichkeit, weshalb jede Analogie eine Vereinfachung wäre. Gleichzeitig denke ich, dass viele Leute sich in jedem Teil des Stücks wiederfinden können.

Don Carlos ist auch kein Erfolg beschert, zerrissen zwischen der Liebe zu seinem Vater, dem Symbol der absoluten Macht, und der Liebe zur Freiheit.

Istvan Marta: Er ist das wahre Opfer. Ein junger Mann von 23 Jahren, über dessen Kopf zwei gigantische Kräfte zusammenprallen: Der endlose Despotismus und der unstillbare Durst nach Freiheit. Seine glühende Liebe muss einen Kompromiss eingehen.

Über Ihrem Kopf sind auch größere Kräfte am Werk. Ihr Protest durch subversive Arbeit hat nichts genützt.

Istvan Marta: Tja, aber ich hätte niemals gedacht, dass die Empfehlung unabhängiger Theatermacher von der Politik übergangen wird.

Der Autor dieses Artikels, Thomas Herdickerdorff, ist Mitglied des Osteuropa-Korrespondenten-Netzwerks n-ost.

Illustrationen: Fotos ©Uj Szinhaz/n-ost; Video (cc)kgfoto1/YouTube

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