Endspurt für Zyperns Frieden
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liv lepkeNach Jahrzehnten der Blockade geht die Türkei in die Offensive. Positionen, Vorschläge und Ideen werden umgewälzt. Ankara fordert nich nur Athen und Nikosia sondern auch Brüssel auf, seiner Verantwortung nachzugehen.
1995: Die Kandidatur Zyperns für den Beitritt zur Europäische Union (EU) wird bewilligt. Die EU versüßt Ankara diese bittere Pille, indem sie mit der Türkei eine Zollunion eingeht, die von dieser als ersten Schritt zu einem Beitritt angenommen und aufgefaßt wird. Seither besteht eine Verbindung zwischen einer Lösung des Zypernkonflikts und dem Beitritt der Türkei. Nach außen hin betont man jedoch immer wieder, dass diese Verbindung nicht vorhanden ist. Dies ändert sich im November 2003. Brüssel erkennt nun endlich, dass die Beibehaltung des Status Quo auf der Insel ein ernsthaftes Hindernis für den Beitritt der Türkei darstellt.
Die europäische Vorgehensweise, die besonders von der griechischen Diplomatie geprägt wird, besteht aus zwei Punkten. Erstens soll die Türkei zu Zugeständnissen gezwungen und damit zu einer Konfliktlösung hingeführt werden. Dies soll dadurch geschehen, dass immer stärkerer Druck auf Ankara ausgeübt wird: Zyperns Kandidatur und die Tatsache, dass ab dem 1. Mai 2004 nur des griechische Teil der Insel als politisch einzig legitim anerkannt wird, soll akzeptiert werden – denn wie will Ankara einer Struktur beitreten, in der sie ein Mitglied nicht anerkennt? Hinzu kommt, dass im Falle eines Scheiterns sich die Kosten für die Türkei wohl auf einige 20 Milliarden $ belaufen.
Zweitens soll mit einer „asymmetrischen“ Haltung der Status quo gesichert werden. Man unterbreitet Lösungsvorschläge, bei der nur eine einzige legitime Autorität auf der Insel anerkannt wird und schafft so sowohl für Rauf Denktas, der türkische Führer Zyperns, als auch für seine militärischen Anhänger und die Konservativen in der Türkei inakzeptable Bedingungen. Denn dies würde mehr oder weniger von neuem dazu führen, dass die Türken Zyperns sich unter griechischer Souveränität befinden würden.
Auf diese Weise kann die griechische Seite jegliche Regelungen unterstützen und dabei sicher gehen, dass die türkische Seite am Ende ablehnen wird. Denn letztendlich war der Grundstein türkischer Diplomatie lange Zeit, die Rechtmäßigkeit der Einnahme eines Teils der Insel im Jahre 1974 zu rechtfertigen.
Die griechische Diplomatie auf die Probe gestellt
Es sei denn Ankara betrachtet auch andere Aspekte als die konfliktreichen letzten 30 Jahre. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Zu allererst rückt die europäischen Entscheidung näher. Nach zwei Jahren grundlegender Reformen ist die Türkei sich bewußt, dass sich ihr europäisches Schicksal im Dezember diesen Jahres entscheiden wird. Dann nämlich gibt die EU bekannt, ob neue Beitrittsverhandlungen beginnen werden oder nicht.
Als zweiter Grund können die unternommenen Reformen der Türkei gegen die exzessive Macht des militärischen Leitungsstabs gelten, die bereits Wirkung zeigen. Der nationale Sicherheitsrat (MGK), früher die erste entscheidende Instanz des Landes, der sich aus den obersten Militärbefehlshabern sowie den wichtigsten Ministern zusammensetzt, versammelt sich nur noch zweimal monatlich. In der Zypern-Frage hat die letzte Sitzung des MGK (23. Januar) lediglich dazu gedient, die Position zu übernehmen, die zuvor von den Diplomaten und dem Leitungsstab, unter der Führung des gemässigten Generals Özkök, entschieden wurde., behauptete Und Vize-Premierminister Gül, dessen Partei 1997 vom MGK von der Macht gedrängt wurde, verkündete sogar, der MGK sei „keine entscheidende Instanz“ . Diese Veränderung ist dermaßen bedeutend, dass selbst die griechische Diplomatie darauf nicht eingestellt war.
Und schließlich ist da noch der historische Sieg bei den Parlamentswahlen der türkischen Linken auf Zypern im Dezember 2003 und die daraus entstandene Koalition, die sich auf eine Konfliktlösung bis Mai 2004 konzentriert. Dies trägt dazu bei, dass der Status quo neu überdacht wird, was selbst von Rauf Denktas einen Tag nach den Wahlen anerkannt wurde.
„Auf das Äußerste begrenzt“
Seit Beginn diesen Jahres geht Ankara nun in die Offensive und nimmt die Dinge selbst in die Hand. Die neue türkische Bereitschaft Zugeständnisse einzugehen, wurde sowohl von Kofi Annan als auch von der Regierung Bush positiv aufgenommen und bringt den griechischen Teil der Insel in eine neue Lage. Indem es eine Reihe von Vorschlägen machte zeigte Ankara seine Bereitschaft, die Verhandlungen schnellst möglichst wieder aufzunehmen,.
Kofi Annan hat drastische Forderungen gestellt: Es soll ein Datum für ein Referendum festgelegt und sichergestellt werden, dass die UNO die alleinige Kompetenz zur Erstellung der rechtlichen Grundlagen des Abkommens vor dem Refereundum erhält. Diese werden nun von der Türkei unter der Bedingung akzeptiert, dass der griechische Teil dazu verpflichtet ist, ebenfall Verantwortung zu übernehmen. Wäre dies nicht der Fall, würde die Repräsentation der Insel durch die griechische Seite an Legitimität verlieren. Denn diese gründet vor allem auf den guten Absichten, die ihr unterstellt wurden.
Auch schlägt die Türkei eine eine schnelle Lösung vor dem 1. Mai 2004 vor, bei der die Rechte der Türken Zyperns nicht beschränkt werden. Das Referendum soll akzeptiert werden, jedoch unter der Bedingung, dass es sich nur um eine allgemein formulierte Einigung handelt, einen „auf das äusserste begrenzten“ Text, über den im Detail in den danach folgenden Monaten unter Beobachtung der UNO noch verhandelt werden soll.
Letztendlich wird versucht, eine Lösung des Konflikts mit dem EU-Beitritt der Türkei zu verknüpfen. Dies geschieht, indem die Verhandlungen und die Anwendung der Details des Friedensplans auf eine Zeit nach dem 1. Mai 2004 verschoben werden und somit in die lange Beitrittsphase der Türkei einfliessen.
Doch diese Vorschläge werden bis jetzt sowohl von der griechischen Regierung, die sich mitten im Wahlkampf befindet, als auch von Nikosia, dass von seinem bevorstehenden „Sieg“ am 1. Mai geblendet wird, zurückgewiesen.
Zwei Gleichungen mit zwei Unbekannten
Die letzte Unbekannte in dieser politischen Rechnung ist Brüssels Haltung in dieser Frage. Egal wie die Unterstützung Amerikas oder der UNO aussieht, letztendlich ist es Brüssel, das über den Schlüssel zum Erfolg in diesem Prozess verfügt. Doch noch hüllt man sich dort in Schweigen.
Der EU bieten sich mehrere Möglichkeiten: Man kann die guten Intentionen der Türkei akzeptieren und einen strengen Fahrplan in Bezug auf die Verhandlungen zu einem Rahmenabkommen bis zum 1. Mai vorschlagen. Dieses Abkommen könnte an das Versprechen einer Eröffnung neuer Verhandlungen mit der Türkei bezüglich ihres Beitrittsgekoppelt werden. Ein anderer Weg ist das Fortführen der guten alten Politik des „laissez faire“. Dies hätte konkret zur Folge, dass man bis Mai zu keinem Abkommen kommen würde. Was wiederum die Aussicht auf eine Lösung verschieben und somit sowohl die türkisch-zypriotischen als auch die türkisch-europäischen Beziehungen belasten würde. Sicher hatte Murat Yetkin Recht, als er am 6.11.03 in der Tageszeitung Radikal schrieb: „Die Lösung des Zypernkonflikts ist nur im Rahmen einer Erstellung zweier Gleichungen (EU/Türkei) mit zwei Unbekannten (Zypern/Beitrittsverhandlunge) möglich.“
Doch ist die EU fähig, eine eigene Gleichung aufzustellen?
Translated from Epreuve du feu pour la diplomatie turque