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Beware of Burschenschaften in Europa

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Gesellschaft

Der Skandal war vorprogrammiert: Mitte Juni hatte die Bonner Burschenschaft bei ihrem Dachverband (DB) beantragt, die deutsche Abstammung als Aufnahmekriterium für die sagenumwobenen Studentenverbindungen festzuschreiben. Der Auslöser: Ein Mannheimer Bund hatte eine Person chinesischer Abstammung aufgenommen.

Dieser Vorfall rückt Burschenschaften, denen die Verbreitung von rechtsextremem Gedankengut unterstellt wird, erneut in negatives Licht. Anlass für cafebabel.com, das Phänomen genauer unter die Lupe zu nehmen.

Burschenschaften sind eine Form von Studentenverbindung, die es in Europa nur in Deutschland und Österreich gibt. Das mag überraschen, aber Achtung: Die Rede ist speziell von Burschenschaften, nicht von Studentenverbindungen allgemein, die es auch in vielen anderen Ländern gibt. Der Grund für die geographische Begrenztheit ist simpel: Burschenschaften taten ihren ersten Atemzug in Deutschland – anno 1815 in Jena – und sind nationalistisch orientiert; ihr ursprüngliches Ziel war ein geeinter, deutscher Staat.

Allerdings hat der ursprüngliche "Vaterlandsgedanke" mit der Zeit perverse Züge angenommen (Foto: Ferdinand Hodler - Auszug der Jenenser Studenten in den Freiheitskrieg 1813)

Heute zählen Burschenschaften zu den drei größten Studentenverbindungen, neben den religiös ausgerichteten katholischen Verbänden und den weder politisch noch religiös motivierten Corps. In der Öffentlichkeit sind sie alles andere als beliebt. Vor allem wird ihnen Rechtsextremismus vorgeworfen. 

In der Tat ist der aktuelle Vorfall - die Forderung nach Ausschluss eines chinesisch aussehenden Mitglieds im Mannheimer Verbund - nicht das erste Mal, dass Burschenschaften durch rechtes Gedankengut auffallen: Der – deutsche wie österreichische – Verfassungsschutz hat ein Auge auf gleich mehrere Bünde. Entsprechend klar fiel das Medienecho aus, angeführt von den Spiegel-Schlagzeilen über einen so genannten „Ariernachweis“. 

Sicher, Burschenschaftler sind nicht durch die Bank weg ausländerfeindlich. Der Auslöser der Debatte, Kai Ming Au, betonte in einem Spiegel-Interview, rechtsradikale Burschenschaftler seien „in der absoluten Minderheit“. Aber Ming Au gibt ebenso zu, er kenne nur einen weiteren Burschenschafter mit sichtbarem Migrationshintergrund. Auch bei anderen scheinbaren pro-Burschi-Argumenten gibt es Widerhaken. So deklarierte die DB nach dem Vorfall in einer Pressemeldung, sie sehe die Bonner Anträge „kritisch“. Doch das ist wenig glaubwürdig. Noch im gleichen Absatz rechtfertigt sie die Anträge: Sie würden sich „an dem in der Bundesrepublik über Jahrzehnte geltenden Abstammungsprinzip“ orientieren, das „heute noch in der Schweiz, in Israel sowie in den meisten EU-Staaten“ gelte. Damit wird unter den Tisch gekehrt, dass das Abstammungsprinzip in Deutschland nur bis 2000 galt und selbst davor nicht das einzige Einbürgerungskriterium war.

Klares Bekenntnis zu Europa? 

Die Ausrichtung der Bünde scheint heute umzuschwenken, von der (erlangten) deutschen Einheit auf die (noch zu erlangende) europäische Einheit. So widmete sich die DB letztes Jahr dem Thema europäische Einheitsbewegung; die Beschäftigung damit stehe für den Verband als „Träger der nationalen Einheitsbewegung“ in „logischer gedanklicher Kontinuität“. Grundsätzlich zeigt die DB eine positive Einstellung; die Pressemeldung des Burschentags 2010 trägt etwa den stolzen Titel „Klares Bekenntnis zu Europa“.

Doch dann hagelte es Kritik, vor allem an den Demokratiedefiziten der europäischen Einigung (sie binde die „europäischen Völker“ ungenügend ein). Die Zielvorstellung des Verbands: „ein demokratisch legitimiertes Europa der Vaterländer“. Soweit, so gut. Nur, was ist eigentlich ein „Europa der Vaterländer“?Es gibt auch sogenannte „Europaburschenschaften“, in Österreich etwa eine urige „Tafelrunde zu Wien“. Das Konzept scheint auf den ersten Blick nett – eine Burschenschaftsart, die ein geeintes Europa anpeilt. Doch laut der renommierten österreichischen Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes handele es sich um eine „sogar in der Wiener Burschenschaftsszene als zu weit rechts außen verschrieene Korporation.“

Sind alle Burschenschaftler Neonazis?

Nein. Ihre Mitgliedszahlen steigen heute vor allem auch deshalb, weil sie Studenten Unterkunft und Gesellschaft bieten. Das sind gute Aussichten für Studenten, die alleine in eine neue Stadt ziehen – so wie Ming Au. Auf die Burschenschaft aufmerksam geworden sei er, da er „kurz vor Studienbeginn dringend ein Zimmer“ gesucht habe; einmal dort habe ihn die „Gemeinschaft“ fasziniert. Zusätzlich versüßt wird die Mitgliedschaft durch den berühmt-berüchtigten hohen Alkoholkonsum der Mitglieder und mögliche Vorteile im Berufsleben, da die Bünde durch ihre sogenannten „Alten Herren“ (ehemalige Studenten) ein starkes soziales Netzwerk bieten. Ebenfalls nicht zu vergessen: die traditionellen Fechtduelle zwischen Burschenschaftlern unterschiedlicher Verbände. Früher obligatorisch, mittlerweile fakultativ wirken diese sogenannten ‘Mensuren‚ in der heutigen Zeit irgendwie ’vintage‘. Wer kann heute schon noch fechten?

Der Vorfall Mitte Juni hat ans Licht gebracht, dass Burschenschaften rassistisches Gedankengut tragen. Klar, die Bonner haben ihre Anträge zurückgezogen, die DB sie verurteilt. Doch ist das alles nur Schau? Die DB hätte die Bonner ja auch rauswerfen können. So wurde das Problem geschickt unter den Teppich gekehrt. Und kann nun im Verborgenen munter weitersprießen.

Illustrationen: Homepage (cc)Screenshot Germania Hamburg; Jenaer Burschenschaftler ziehen in den Freiheitskrieg (cc)Wikimedia; LexiTV Burschenschaften (cc)researcharchive/YouTube; Flashmob (cc)argus01tirol/YouTube