Berlinale: Türkei zwischen Tradition und Moderne
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Mit mehreren Beiträgen ist die Türkei auf der diesjährigen Berlinale vertreten. Dabei werden Bilder von einem Land und seinen Bewohner vermittelt, die manches Klischee im Kopf der Deutschen bestätigen, viele aber auch komplett über den Haufen werfen.
Reis Çelik konnte für sein Kammerspiel Lal Gece (Night of Silence) den Gläsernen Bären für den besten Film in der Sektion Generation einheimsen.
Völlig zu Recht – die Enge des Zimmers vermittelt dem Zuschauer ein beklemmendes Gefühl für die innersten Regungen eines ungleichen Paars, das durch eine arrangierte Hochzeit aneinander gebunden wird.
Auch der österreichische Beitrag Kuma von Umut Dag handelt vom Dauerbrenner-Thema Zwangsehe, diesmal ist der Ort des Geschehens allerdings die türkische Community in Wien. Der Regisseur schenkt dem Zuschauer einen Blick durchs Schlüsselloch in die für viele so fremde Welt muslimischer Traditionen und ein Plädoyer für Freiheit und Selbstbestimmung.
In der Natur Ostanatoliens spielt sich in Tepenin Ardi (Beyond the Hill) von Emin Alper ein subtiles Drama ab. Der alte Faik bekommt Besuch aus der Stadt von seinem Sohn und seinen Enkeln. Zwischen Birken und Gräsern thematisiert Faik immer wieder die Bedrohung durch die Nomaden, die seinen Ziegen und seinem Weideland an den Kragen wollen – ein Feind, der für die anderen Beteiligten wie auch den Zuschauern unsichtbar bleibt. Ebenso nur am Rande thematisiert und verharmlost werden die psychischen Probleme des Enkels Zafer, der unter einer posttraumatischen Störung leidet. Alper sieht in seinem Film eine Gleichnis zur ungeklärten Kurdenfrage und lässt Zafer am Ende durch seine schizophrenen Wahnvorstellungen in sein Verderben rennen. Das unaufhaltsame Drama wird durch die starken Bilder mit ruhiger Kameraführung und Tamer Levents brillante Darstellung eines labilen jungen Mannes in Szene gesetzt.
Ganz anders der Blick in die Welt eines jungen Lehrlings in einer Baklava-Fabrik in Anatolien, wo der 16-jährige Mustafa davon träumt, in die große Stadt abzuhauen um ein großer Baklava-Bäcker zu werden. In einem Wechsel aus dokumentarischen und geskripteten Szenen begleitet der Zuschauer in Mustafa’s Sweet Dreams von Angelos Abazoglou den Jugendlichen und seine Kollegen in ihrem Alltag in einer Backfabrik, ihren Gesprächen über Mädchen, Zukunftsgedanken und Erwachsenwerden. Der Film endet ungewiss – im wahren Leben hat es Mustafa geschafft und ist Baklava-Meister in Istanbul, wie er selbst verraten hat.
© alle Bilder Filmstills Berlinale / © Mustaf's Sweet Dreams: Mesut Tufan