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Berlin: Das Opferfest ist unser Weihnachten

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Gesellschaft

Es ist früh am Morgen. Kreuzberg liegt schläfrig unter dem grauen Berliner Himmel und es nieselt. Ein Novembertag wie jeder andere - und doch für über 4 Millionen Muslime in Deutschland ein ganz besonderer. Unterwegs mit Daniel Steiner zum Opferfest.

Daniel Steiner dreht sich auf den Fliesen des großen Saals im Kreis. Er ist auf der Suche nach dem Redner für heute, oder genauer: dem Ersatz-Redner. Der eigentlich dafür Bestimmte ist vor zwei Tagen spontan zur Pilgerreise nach Mekka aufgebrochen. „So Sachen passieren, muss man einplanen“, lächelt Daniel entspannt. Es ist schließlich nicht das erste muslimische Opferfest, das er organisiert.

Der 32-Jährige mit den schütteren blonden Haaren ist Vorsitzender des deutschsprachigen Muslimkreises in Berlin (DMK-Berlin e.V.). Für den offiziellen Auftakt der Festtage hat er für die Gemeinde einen Hochzeitssaal gemietet. Sie zählt zwar nur 70 Mitglieder, zum wichtigsten Fest im Islam erwartet Daniel aber rund 400 Gläubige. Der Saal in Kreuzberg ist groß wie ein Handballfeld und wird wohl gerade reichen.

Die Eingangstür schwingt auf und zu, es ist kurz vor halb neun. „Salam Aleikum Bruder, Schwester“, begrüßt Daniel, teilt Küsse und Umarmungen aus. Er kennt die meisten persönlich. Fast alle sind festlich angezogen und auch Daniel hat sich schick gemacht, mit polierten Schuhen, schwarzem Anzug und weißem Hemd. Neue Kleidung zum Opferfest hat Tradition, daneben gibt es kleinere Geschenke für Freunde und größere für die Familie. „Das Opferfest ist unser Weihnachten“, erklärt Daniel und legt im mittlerweile gut gefüllten Saal erste Gebetsteppiche auf dem Boden aus. Bunt sind sie und mit orientalischen Mustern bestickt. Wichtig ist vor allem ihre korrekte Ausrichtung: immer nach Mekka.

Im Saal wird es lauter. Aus den Lautsprechern dringt ein rhythmischer und repetitiver Sprechgesang. Es sind die Klänge des Takbir, der Lobpreisung Allahs. Einige Kinder spielen Fangen, andere haben Murmeln ausgepackt und Familien begrüßen sich lautstark. Daniel verteilt den Gebetstext, auf Arabisch mit deutscher Übersetzung.

Es wird des Propheten Ibrahim gedacht, der laut islamischer Überlieferung bereit war, seinen Sohn Ismael Allah zu opfern.

Man spricht deutsch, denn es sind Muslime aus aller Welt, die heute hier zusammenkommen. Daniel selbst ist in Potsdam aufgewachsen, „so religiös wie man in der DDR eben aufwuchs“ und mit 22 Jahren zum Islam konvertiert.

Neben den Gebetsteppichen stapeln sich mittlerweile Sneakers, Stiefel und Stoffschuhe. In Socken sucht sich jeder seinen Platz. Es wird nach Geschlechtern getrennt: vorne rechts die Männer, hinter ihnen weiter links die Frauen und an den Tischen dahinter diejenigen, die vom Gebet entschuldigt sind. Auch ein paar Nicht-Muslime sitzen dort. Jeder sei willkommen, sagt Daniel, aber öffentlich für das Fest werben wolle man nicht. Am Tag der offenen Moschee ziehe dies oft Streitsüchtige an und das Opferfest verbringe man einfach lieber in Harmonie.

Der Lautsprecher knackt. Daniel stellt sich zu den Männern, die vor dem Redner gerade Reihen gebildet haben. „Allah ist größer, es gibt keinen Gott außer Allah“, klingt es auf Arabisch aus seinem Mund. Gemeinsam mit den anderen betet er den Refrain nach.

Am ersten Tag des Opferfests ist das gemeinsame Gebet Pflicht für jeden Muslim. An den restlichen drei Tagen besuchen sich dann Freunde und Familie zu Hause. Auch Daniel ist für heute Abend schon verplant. „Familienhopping“, wie er sagt. Im Kreise der Familie macht man dann vor allem eins: „Das was wir am besten können“, grinst Daniel, „Essen.“

Nach einer Viertelstunde wird der letzte Vers gesprochen und Daniel ist schon wieder auf den Beinen. Während die anderen sich auf den Gebetsteppichen entspannen und der Predigt des Redners zuhören, packt er Pappteller aus, legt Besteck bereit, stapelt Backbleche und Schüsseln auf einem großen Tisch. Der Duft von Knoblauch und Gewürzen breitet sich im Saal aus. Jeder Zentimeter des Buffettisches ist belegt. Kalter Hund, Kartoffelsalat mit Mayonnaise, Reis mit Gemüse, türkische Pizza, Fladenbrot und Joghurt - die Essensauswahl ist so bunt wie die Menschen im Saal.

„Ein frohes Opferfest“, Daniel schüttelt viele Hände, um den Essenstisch drängeln sich schon die Ersten. Nur Daniel hat keine Zeit zum Anstehen. „Macht nichts“, sagt er, wirft grinsend drei Stück Zucker in seinen Kaffee, „irgendwie muss ich die Kalorien ja auch loswerden.“. In den nächsten drei Tagen soll es außerdem noch genug von ihnen geben.

Fotos: Mädels (cc)Dr. Pat/flickr; Gebet (cc)Travlr/flickr