Ab in die Selbständigkeit: Die Krise als Chance
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Bertram LangOhne fachkundige Beratung ein kleines Unternehmen zu gründen, ist wie ein Marathonlauf ohne vorheriges Training. Doch zum Glück gibt es den Europäischen Sozialfonds (ESF). Er finanziert Berater in „Unternehmensbrutkästen“ zur Vermittlung von Kontakten und Geldgebern. Ein Fallbeispiel aus Frankreich.
Caroline hat es eilig, nur noch ein schnelles Lächeln, ein letztes Foto, dann ist sie auch schon weg. „Um 20 Uhr habe ich den nächsten Termin“, verabschiedet sich die Geschäftsfrau. Seit Januar 2009 führt sie das Unternehmen „Filles de l'épicier“, zu deutsch Töchter des Tante-Emma-Ladens. Die 43-jährige Gemeinderätin von Chissy-les-Mâcon, im ostfranzösischen Departement Saône-et-Loire, mit blondem Kurzhaarschnitt und schelmischen Gesichtszügen sprüht vor guten Ideen.
Im April 2007 gab sie ihre Arbeit als Beraterin für den beruflichen Wiedereinstieg auf und machte sich selbstständig. Seitdem reist sie von Wochenmarkt zu Wochenmarkt und offeriert dort Massagen und aromatherapeutische Produkte. Der Schritt hat sich gelohnt, nicht nur wegen des Geldes.
Der „Pôle emploi“, eine staatliche Einrichtung zur Beschäftigungsförderung, vermittelte Caroline zur „Boutique de gestion“, wo sie sich in Kursen das Unternehmerhandwerk aneignete. Vor allem aber traf sie dort auf Alain, der damals noch als wandernder Verkäufer durch die Dörfer zog und gerne in Ruhestand gehen wollte. Caroline „war sofort begeistert von der Geschäftsidee.“ Sie übernahm Alains zum Verkaufsstand umgebauten Wagen. „Einen Monat lang habe ich ihn auf seinen Touren begleitet,“ erzählt sie „. Wir hielten in 17 kleinen Gemeinden auf seiner Route und jedes Mal warteten bereits ältere Menschen auf uns. Was mir wirklich gefallen hat, war die große Nähe zu den Kunden; die Solidarität und das Gefühl, sich um die Menschen zu kümmern.“Die „Boutique de gestion“ vermittelte ihr den Kontakt zur Existenzgründerberatung „Potentiel 71“, die sie bei dem Unterfangen unterstützte. Inzwischen ist es ihr eigener Verkaufswagen, sie hat sich spezialisiert auf regionale und biologisch angebaute Produkte.
Doppelte Chancen
Szenenwechsel: Ein Kongressgebäude in Dijon, Konferenz des ESF zum Thema „Unternehmensgründung“. Caroline lächelt, ihre Geschichte erzählt sie inzwischen mit Routine. Das Publikum - um die hundert Fachleute - lauscht ihrem Bericht kritisch, aber durchaus beeindruckt. Einer fragt worin denn nun die Verbindung zwischen ihrer Tätigkeit und dem ESF bestünde, die Antwort ist einfach: „‚Boutique de gestion’ und ‚Potentiel 71’ werden vom ESF finanziert“, meint Caroline.
Doch ganz so einfach ist es nicht, eigentlich werden die Vermittlungsagenturen vom ESF nur zu einem Anteil von 10% kofinanziert. So soll die Verdrängung bereits vorhandener Strukturen vermieden werden. Und so glatt wie im Fall von Caroline läuft die Vermittlung auch nicht immer. Er habe seinen Vermittler nach 17 Monaten zum ersten Mal zu Gesicht bekommen, beschwert sich ein Redner.
Dennoch leistet der ESF einen wichtigen Beitrag zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt. Er unterstützt Einrichtungen wie „France Active“ oder die „Boutique de gestion“ und bildet professionelle Berater für den Berufseinstieg aus. Für den Qualitätsmanager des französischen ESF-Programms ein wesentlicher Punkt: „Verglichen mit der Gesamtheit der Unternehmensgründer, sind die Chancen der Gründer, die professionelle Hilfe erhalten, doppelt so hoch.“ Auch Caroline sieht das ähnlich: „Ohne diese Hilfe hätte ich den Schritt wahrscheinlich nie gewagt. Dank der Unterstützung des ESF konnte ich meine Kreditwürdigkeit steigern, einen professionellen Businessplan und Marktstudien entwerfen. Ich fühlte mich nicht auf mich allein gestellt.“
Die Krise als Chance
Beim Symposium über die Rolle des ESF tauschen sich Teilnehmer aus 17 verschiedenen Ländern über ihre Erfahrungen aus und kommen zu überraschenden Ergebnissen: Die Wirtschaftskrise eröffnet unverhoffte Möglichkeiten. Viele ehemalige Angestellte, die ihren Arbeitsplatz verloren haben, versuchen ihr Glück in der Selbständigkeit oder entscheiden sich dazu, die Geschicke ihrer vom Bankrott bedrohten Firma selbst in die Hand zu nehmen.
Doch insbesondere junge Arbeitslose stürzen sich oft zu voreilig in neue Unternehmungen. „Ohne professionelle Begleitung mündet ein solches Unterfangen nach nicht einmal zwei Jahren im Konkurs“, erklärt der Unternehmensleitungsbeauftragte des ESF in Flandern. Gerade mal 20% der jungen Unternehmensgründer gelingt es ihr Geschäft dauerhaft zu etablieren. Ein Grund mehr die Aktivitäten des ESF in diese Richtung zu intensivieren. Und dennoch: „Beschäftigung ist der einzige Weg aus der Krise“, betont Lenia Samuel, verantwortlich für Beschäftigung und Soziales in der Europäischen Kommission. Dafür sind nicht einmal Milliardenbeträge nötig, unterstreicht der Redner aus Flandern: „Einer Studie zufolge kann man bereits mit 1500 Euro seinen eigenen Betrieb auf die Beine stellen.“
Caroline ist die einzige Frau im Kreis schwarzgekleideter Denker und Strategen. Vor ihrem Vortrag vertraute sie cafebabel.com ihr Vorhaben an, bald einen Landgasthof zu eröffnen, Gaststätte, aber auch Entspannungs- und Kulturzentrum mit integriertem Bioladen. Natürlich zählt sie dabei auf die Hilfe des ESF und seiner Banken, aber dennoch hat sie nicht die Zusicherung des Fonds abgewartet, um sich gemeinsam mit drei Freundinnen ins Abenteuer zu stürzen: „Die zahlreichen Unterstützerbriefe, die ich von den Leuten erhielt, haben mich wirklich bewegt. Ich werde mein Unternehmen sesshaft machen und rentabel bleiben. Dabei geht es mir nicht nur um den Profit, man kann auch auf menschliche Art und Weise Geschäfte machen.“
Translated from Créer son entreprise: le coup de pouce de la crise économique