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Wer heilt die Slowakei?

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In der Angst vor einem Ansturm billiger Arbeitskräfte haben die meisten der westlichen EU-Länder festgelegt, dass die neuen Mitgliedsstaaten auf die Umsetzung der Freizügigkeit zu warten haben. Doch warum wird für Ärzte eine Ausnahme gemacht?

Bislang befindet sich das slowakische Gesundheitswesen noch nicht in der Krise. Aber in der Zukunft könnte es durchaus dazu kommen, dass wir nach Großbritannien fahren müssen, um einen angemessen qualifizierten Arzt aufzusuchen. Und dieser Arzt könnte ganz zufällig Slowake sein.

Korrekte Gehälter daheim, doch im Ausland verdienen Ärzte mehr

Die seit langem diskutierte und umstrittenene Reform des Gesundheitswesens wurde in der Slowakei im Jahre 2003 in Angriff genommen. Im Zuge dieser durch den Gesundheitsminister Rudolf Zajac durchgeführten Reform wurden die in Tariftabellen festgelegten Festlöhne abgeschafft. Das System tariflicher Entlohnung hatte bereits zu kommunistischen Zeiten bestanden und bedeutete in der Praxis, dass ganz egal, wie produktiv ein Arzt war, sein Lohn nie den in den Tabellen vorgeschriebenen Höchstlohn übersteigen konnte. Mittlerweile ist es allerdings ganz der beruflichen Leistung eines Arztes überlassen, ob sich dessen Lohn im Vergleich zu vergangenen Jahren nach oben oder nach unten entwickelt. Damit sollte es klar sein, dass ein angemessen qualifizierter Arzt in der Slowakei soviel verdienen können sollte, dass er nicht ins Ausland gehen muss.

Doch seit dem EU-Beitritt im Mai 2004 werden die berufsqualifizierenden Abschlüsse von Ärzten, genau wie die von Architekten oder Tierärzten, in allen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union anerkannt. Obwohl das durchschnittliche Monatseinkommen slowakischer Ärzte höher ist als in den meisten anderen Berufszweigen, verdient man im Westen unvergleichlich mehr. Ein slowakischer Arzt verdient beispielsweise etwa 450 Euro monatlich, doch in Frankreich verdient ein Mediziner mit derselben Qualifikation um die 6500 Euro. Die EU-Richtlinie vom August 2004, welche die Höchstarbeitszeit von Nachwuchsärzten auf 48 Stunden pro Woche festlegt und damit auf dem gesamten Kontinent zu einem Mangel an Arbeitskräften geführt hat, hat die Situation der Slowakei nicht verbessert. Das Ergebnis ist, dass ein Arzt mit Fremdsprachkenntnissen im Prinzip frei wählen kann, in welchem Land er arbeiten möchte.

Profitieren vom System

Nach Angaben der slowakischen Nachrichtenagentur SITA haben im Jahr 2004 363 Ärzte auf der Suche nach Arbeit im Ausland die Slowakei verlassen, verglichen mit gerade einmal 62 im Jagr zuvor. Es ist wahr, dass bereits vor dem EU-Beitritt Ärzte in der angrenzenden Tschechischen Republik auf Jobsuche gegangen sind, wo es keine Sprachbarrieren gibt und das Lohnniveau um etwa 250 Euro pro Monat höher ist. Doch mittlerweile sind auch Großbritannien, Irland, Deutschland und Schweden zu attraktiven Zielen für slowakische Ärzte geworden.

Sollte sich dieser Trend fortsetzen, wird die Slowakei nicht nur einen Mangel an Ärzten erleben – auch die gesamte Wirtschaft wird darunter zu leiden haben. Der springende Punkt ist, dass diese Ärzte von einem kostenlosen Universitätsstudium in der Slowakei profitiert haben. Daran wollen Studenten und ihre Eltern nichts ändern, da die durch Studiengebühren herbeigeführte finanzielle Zusatzbelastung für sie untragbar würde. Als das Parlament die Einführung von Studiengebühren diskutierte, rief dies in verschiedenen slowakischen Städten eine Welle des Protests hervor. Doch es ist eine Tatsache, dass wir alle zur beruflichen Qualifikation der Ärzte beitragen, ohne davon zu profitieren. Die drei slowakischen Medizinfakultäten bringen jedes Jahr 600 Absolventen hervor – ausreichend für alle slowakischen Krankenhäuser. Traurig ist, dass mindestens die Hälfte dieser Absolventen nach aktuellen Statistiken zum Bruttoinlandsprodukt eines anderen Landes beitragen werden.

Translated from Who will heal Slovakia?