Wahlkampf in Spanien: Viel Lärm um nichts
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Selina Glaap[Kommentar] Am nächsten Sonntag wählt Spanien (schon wieder). Der spanische Wahlkampf hat sich in den letzten Wochen in eine Reihe von unendlichen Monologen verwandelt, in denen neue Ideen eher durch ihre Abwesenheit glänzten. Die vier Kandidaten haben nur wenig gewagt, um so ihre Wähler nicht abzuschrecken.
Die Fernsehdebatte für die erneuten Parlamentswahlen 2016 am 13. Juni war ein historischer Augenblick. Bei der letzten offiziellen TV-Wahldebatte im Dezember 2015 hatte Rajoy sich noch entschuldigen lassen, er diskutiere nur auf gleicher Augenhöhe. Diesmal aber trat der amtierende Präsident der spanischen Volkspartei (die konservative Partido Popular PP), Mariano Rajoy, zum ersten Mal nicht nur gegen seinen traditionellen Gegner der Sozialistischen Partei (PSOE), Pedro Sánchez, an, sondern auch gegen die zwei Vorsitzenden der neueren Parteien Cuidadanos - Albert Rivera - und Podemos - Pablo Iglesias.
Trotz der Ausnahmesituation, zeigte die Debatte nur wenige Höhepunkte. Mit einem straffen Format, das in große Blöcke aufgeteilt wurde (Wirtschaft, Sozialpolitik und institutionelle Reform), haben die Kandidaten anstatt zu debattieren eher Ideen präsentiert, die von den Gegnern kaum widerlegt wurden. Die Zeit der einzelnen Blöcke war so begrenzt, dass die Moderatoren jegliche Art von Konfrontation im Keim erstickten.
Die Positionen der vier großen Parteien haben sich seit den letzten Parlamentswahlen im Dezember kaum verändert. Die PP ernennt sich selbst zum Grund der wirtschaftlichen Genesung Spaniens, die PSOE besteht darauf, die einzige Partei zu sein, die eine Änderung garantiert. Cuidadanos präsentiert sich selbst als Garant der Regenerierung und verteidigt seinen Vorschlag des Einheitsvertrages, der die Einstellung neuer Mitarbeiter erleichtern soll. Podemos hingegen unterstreicht erneut die Notwendigkeit eines besser funktionierenden Sozialstaates. Hat die neue Linkspartei deshalb ihr Parteiprogramm als Ikea-Katalog gedruckt?
Korruption bleibt großes Problem
Lediglich bei Fragen über die institutionelle Reform des Landes wurde die Debatte etwas lauter. Vor allem deshalb, weil das Thema das große Problem der Korruption in Spanien anschnitt. Überaschenderweise kritisierte Albert Rivera (Ciudadanos) dabei Rajoy, der einige Augenblicke wie gelähmt erschien, während sich PSOE und Podemos gegenseitig in die Mangel nahmen.
Die Sozialisten machten deutlich, dass Pablo Iglesias (Podemos) durch sein Veto gegen eine linke Koalition einen Regierungswechsel nach den letzten Wahlen verhinderte. „Pedro, Sie haben sich im Gegner geirrt“, murmelte Iglesias die Worte, die zum geflügelten Wort der Nacht werden sollten.
Die steigenden Spannungen zum Thema Korruption endeten aber eher unspektakulär und die Debatte ging schnell wieder in gelangweiltes Gähnen über. Es wurden Kleinigkeiten, wie Rajoys mit Post-its geschmückter Tisch oder die Unfähigkeit der Journalisten, die Debatte zu steuern, diskutiert. Wie schade, dass in der Debatte, die zukunftsgestaltend sein sollte, Themen wie Gewalt gegen Frauen ganze 22 Sekunden besprochen wurden. Ähnlich wenig ging es um die aktuelle Flüchtlingskrise und die Europapolitik.
Best Practice aus anderen Ländern
Die Debatte endete nach Mitternacht, und das, wo Spanien doch gerade über neue Arbeitszeiten diskutiert. Eine Idee wäre es vielleicht auch, Best Practices anderer europäischer Länder zu übernehmen, um somit eine Aussöhnung zu beschleunigen. Spanien macht jedoch lieber ohne Versöhnung weiter, so wie es schon seit langem ohne echte Debatten oder Ideen weitermacht. Das hat auch diese Debatte erneut gezeigt. Wahre Konfrontation? Pustekuchen.
Doch wem hilft es, dass die spanische Bevölkerung am kommenden Sonntag (26. Juni) wieder mit so wenig Enthusiasmus an die Urnen geht? Sechs Monate nach den Wahlen im Dezember verspricht die Stimmung vor den Neuwahlen kein besseres Resultat. Höchstens der so genannte sorpasso [italienisches Wort für Überholung] der seit den letzten Wahlen neu gegründeten linksalternativen Parteienunion Unidos Podemos (aus Podemos und Izquierda Unida) könnte für Überraschung sorgen, sollte sie an der Zentrumspartei PSOE vorbeirauschen. Oder heißt die mangelnde Konfrontation während der Debatte, dass es endlich zu einer Koalitionsbildung kommen könnte?
Translated from Debate electoral: mucho ruido y pocas nueces