Vereint altes und neues Europa!
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ann-christin domsEs ist verzeihlich, die Europäische Union zu kritisieren, doch die Gemeinschaft ist ein großer Erfolg. Damit das weiterhin der Fall ist, sind eine Wirtschaftsreform und eine gewisse Offenheit von Nöten.
Die EU – das sind ehemals streitsüchtige Nationen, die einander mehr als 1000 Jahre bekämpften, und die in weniger als 50 Jahren gelernt haben, auf einer globalen Ebene friedlich und gemeinschaftlich zu interagieren. Sie tauschten die Panzer und Speere der Schlachtfelder gegen eine gelegentlich spitze Bemerkung im Europäischen Rat ein. Außerdem war die Europäische Union der Antrieb für den Wohlstand Europas. Millionen Familien hob sie aus der Nachkriegsarmut direkt in hinein in den materiellen Überfluss eines Mittelklassedaseins. Ein Wohlstand, den viele Europäer inzwischen als ihr angeborenes Recht betrachten. Das ist keine Übertreibung, das ist eine Tatsache. Die Europäische Union trug dazu bei, dass der europäische Kuchen größer und größer wurde. Sie hat den Hintergrund geschaffen, auf dem das rapide Wirtschaftswachstum in Europa über 30 Jahre anhalten konnte. Und sie kreierte eine Bühne, auf der Europa die Welt beherrscht - wirtschaftlich, politisch und sozial.
Die Erweiterung - gut für die Wirtschaft
Wie traurig ist es da, dass im Augenblick des größten Triumphes von Europa - als das europäische Projekt eine Einigung zu Stande brachte, die sich nicht einmal Karl der Große hätte vorstellen können - die Stimmen für eine weitere Integration sich plötzlich so stark in der Defensive befinden. Wie traurig ist es, dass die selben Argumente, welche die Gründer Europas zu überwinden hatten - dass eine weitere wirtschaftliche Integration zu einem Wettbewerb um die niedrigsten Standards führen, dass die Solidarität mit unseren armen Nachbarn dem Wohlstandes der reichen schaden würde - dass genau diese Argumente plötzlich wieder aufkommen.
Vielleicht ist lohnt es sich, sich mit ein paar grundlegenden Tatsachen zu befassen. Europa war so erfolgreich, weil es sich auf eine soziale Markwirtschaft stützte. Aber viele haben heute vergessen, dass eine soziale Marktwirtschaft auf zwei Säulen beruht: auf einer sozialen und auf einer wirtschaftlichen. Die Geschichte ist voll von Beispielen, die belegen, dass der Versuch, eine soziale Wirtschaft ohne Markt aufzubauen, zu einem Desaster führt. Wie zum Beispiel in der Sowjetunion, oder auch im heutigen Nordkorea. Einfach ausgedrückt müssen wir den Reichtum erst schaffen, um die bessere, gerechtere Gesellschaft aufzubauen, die wir wollen. Und wenn wir keinen Reichtum mehr schaffen können – und tatsächlich haben wir mehr und mehr Schwierigkeiten damit - dann werden wir aufhören, die sozial gerechte Gesellschaft zu sein, auf der wir alle stolz sind. Aber wo bleibt die soziale Gerechtigkeit bei 19 Millionen Arbeitslosen? Was ist sozial daran, dem Kollaps eines Wohlfahrtssystems zuzusehen, nur weil einige mächtige Interessengruppen keine Reform des System zulassen?
Von der Vergangenheit lernen
Die Meisten haben vergessen, das Deutschland und Frankreich in den 50er Jahren relativ arme Länder waren, als die europäischen Staatsmänner sich zum ersten Mal auf ein europäisches Projekt einließen. Eine „Europäische Gemeinschaft für Kohl und Stahl“ sollte den Gründerstaaten über ihre Grenzen hinweg den freien Handel ermöglichen. Dieser Handel, so sagten sie, würde Frieden und Wohlstand schaffen und zu einer weiteren Integration ermutigen, die wiederum zu mehr Frieden und Wohlstand führen würde. Und sie hatten Recht. Wir stehen in hoher Schuld bei Schuman, Monet und den anderen Gründungsvätern. Sie zeigten uns den Weg in die Zukunft in einer Zeit, in der das Schicksal Europas deutlich in der Schwebe hing.
Aber auch heute hängt das Schicksal Europas in der Schwebe. Unterm Strich kann man sagen, dass Europa am Ende einer historischen Ära steht, noch mehr als zum Ende der 50er als das europäische Projekt aus der Taufe gehoben wurde. Der Sowjetblock und der Warschauer Pakt sind zusammengebrochen. Damit ergab sich die Möglichkeit, den EU-Wohlstand auch im Osten aufzubauen. Und bei der Erweiterung der EU im letzten Jahr haben wir die ersten Schritte hin zu einer Verwirklichung dieser historischen Gelegenheit gemacht.
Haben wir das tatsächlich? Das ,alte Europa' hat das ,neue Europa' nicht wirklich gern. Ganz besonders mag das ,alte Europa' nicht, das es durch das ,neue Europa' gezwungen wird, sich etwas einzugestehen. Es hatte die großzügigen Gewinne stets lieber als die harte Arbeit, die diese Gewinne erst ermöglichte. Es ist Zeit, diese Angst zu überwinden. Es ist Zeit für die EU, sich direkt an die Menschen zu wenden und die Vorzüge klar zu machen, die sie mit sich bringt. So wie es Robert Schuman 1950 tat. In seinem öffentlichen Aufruf an Europa plädierte er für den Zusammenschluss der Kohle- und Stahlreserven. Es ist Zeit für eine Vision von einem vereinten Europa, das friedlich zusammenarbeitet, Hand in Hand, in dem jeder das macht, was er oder sie im Geiste andauernder Solidarität am besten zu tun im Stande ist.
Und wir im Westen haben eine wichtige Aufgabe. Wir müssen uns der Moderne annehmen, unsere Haushaltsprioritäten wieder auf die Förderung von Wissen und Fähigkeiten unserer eigenen Arbeiter legen, unsere Unternehmen und Bürger ermutigen, ihr Potenzial zu entwickeln, um ihre Einkünfte zu steigern. Wir müssen lernen, Unternehmertum zu fördern, die Gründung von kleinen Dienstleistungsunternehmen und die Expandierung von mittelständischen zu erleichtern. Und wir müssen uns wieder der Prinzipien annehmen, die uns in erster Linie groß machten – unser Sinn für Risiko, unsere ausgezeichnete Qualität der Ausbildung, unser Geist der sozialen Gerechtigkeit und unsere Fähigkeit wirtschaftlich konkurrieren zu können. Damit wir weiterhin unseren Reichtum und unsere Werte mit der Welt um uns herum teilen können.
Translated from Towards one Europe, old and new