Unverpackt einkaufen: Supermärkte ohne Plastik
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Janina HeelOb in Heidelberg, Berlin oder Köln, in ganz Deutschland gibt es immer mehr Läden und Supermärkte, die versuchen ohne Plastikverpackungen auszukommen. Was denken junge Deutsche, die in solchen Läden einkaufen? Und wie umweltfreundlich sind diese Supermärkte wirklich? Cafébabel Autorin Maria Wokurka machte sich auf den Weg, um das herauszufinden.
Sabrina hat ein Lächeln auf den Lippen, wenn sie den Original Unverpackt Supermarkt in Berlin-Kreuzberg betritt. Sie lebt seit fast drei Jahren in einer WG in Berlin Mitte, macht ihren Master in Soziologie und hält sich vor allem mit Kellnerjobs finanziell über Wasser. Für Sabrina liegt Original Unverpackt nicht gerade um die Ecke, aber sie sagt, dass sich die lange Anfahrt trotzdem lohne: „Ich mag die Stimmung in dem Supermarkt. Er ist schön klein und gemütlich.”
Wein in Glasgefäßen, vegane Kondome in Papierverpackungen
Laut Sabrina kann man hier vieles, aber sicherlich nicht alles einkaufen. Original Unverpackt ist vor allem ein veganer Supermarkt. Es gibt kein Fleisch, keine Milchprodukte und keine Süßigkeiten. Produkte wie Weizen, Haferflocken, Nudeln, Tee, Couscous und Gewürze werden in Gläsern verkauft. Zwei Weinfässer laden die Kunden ein, sich Wein in eigene Flaschen abzufüllen. Die Hälfte der Produkte ist aber verpackt, vor allem in Glas. Manche Produkte wie die veganen Kondome gibt es in Papierverpackungen. „Die meisten Produkte sind bio-zertifiziert oder haben ein Bio-Siegel. Es gibt auch regionale Produkte, zum Beispiel Honig aus Neukölln. Ich finde es super, weniger Plastikmüll zu produzieren. Aber einige Produkte vermisse ich hier schon, zum Beispiel Käse oder Joghurt.“
Steve Horn macht investigativen Journalismus zu Energie-, Umwelt-, und Klimathemen in den USA. Er recherchiert und schreibt auch für DeSmogBlog, ein Online-Projekt, das Kampagnen von Leugnern des Klimawandels aufdeckt und dafür auch schon Preise gewonnen hat. Laut Horn sind Supermärkte wie Original Unverpackt ein langsamer aber wachsender Trend in industrialisierten Länder. „Wir, die USA, stoßen weltweit am meisten CO2 aus und verbrauchen die größten Mengen an Plastik und anderen petrochemisch hergestellten Produkten. Deutschland ist in dieser Hinsicht ein Pionier, aber auch nicht allein auf weiter Flur. Ähnliche Läden gibt es zum Beispiel in Austin, Texas, und in anderen Industrieländern weltweit.“
Eine Nische vor allem in Industrieländern
Läden wie Original Unverpackt gibt es zum Beispiel in Österreich, Italien und Spanien. Auch wenn sie teilweise unterschiedliche Ansichten darüber haben, wie Müll vermieden werden kann, haben sie alle definitiv ein gemeinsames Ziel: weniger Plastikverbrauch und weniger Lebensmittel, die im Müll landen. Letzteres könnte automatisch passieren, wenn mehr Leute in solchen Supermärkten einkaufen würden.
Produkte gibt es in kleineren Mengen zu kaufen und viele Lebensmittel können in Gläser oder Flaschen abgefüllt werden. Die Konsumenten könnten sich dadurch angewöhnen, grundsätzlich weniger zu kaufen, was hoffentlich wiederum dazu führen würde, dass weniger Lebensmittel weggeworfen werden. Fairer Weise muss man sagen, dass abgesehen von frischen Früchten und Gemüse, viele der Produkte, die es bei Original Unverpackt zu kaufen gibt aber sowieso lange haltbar sind (Nudeln, Nüsse, Müsli etc.).
Mouna wohnt gleich um die Ecke. Sie teilt sich mit zwei Mitbewohnern eine Wohnung in Berlin-Kreuzberg. Die 24-Jährige ist vor acht Monaten nach Berlin gezogen und hat kürzlich ihren Master begonnen. Unter der Woche arbeitet sie auch in Restaurants und Bars. Sie findet die Idee und die Überzeugung hinter diesen Supermärkten super und ist obwohl sie gleich nebenan wohnt doch noch nicht ganz überzeugt. „Mir persönlich fehlen Milchprodukte und Brot.“ Mouna ist zwar Vegetarierin, aber selbst wenn sie Veganerin wäre, könnte sie trotzdem nicht alle Einkäufe bei Original Unverpackt erledigen: „Es gibt zum Beispiel kein Tofu oder Seitan. Wahrscheinlich weil es nicht ohne Plastikverpackung verkauft werden kann.“
Bei Joghurt und Milch kann das aber wohl kein Argument sein. In vielen Supermärkten gibt es Milchprodukte auch im Glas zu kaufen. Mouna fragt sich auch, wie die Lebensmittel in den Supermarkt geliefert werden. Wir haben das bei Original Unverpackt vor vier Wochen angefragt und auch die Frage gestellt, wieso im Laden keine Milchprodukte verkauft werden. Bisher haben wir noch keine Antwort bekommen.
So könnte eine alternative Zukunft aussehen
Auch wenn einige Fragen noch unbeantwortet sind, ist Horn davon überzeugt, dass solche Supermärkte absolut Sinn machen und funktionieren können: „Genau so kaufen die meisten Menschen weltweit ihr Essen nämlich ein: Auf Märkten ohne Plastik und Kartons. Die Einzigen, die von Verpackungen wirklich profitieren, sind die Öl-, Gas- und Holzindustrie, die damit jährlich Abermilliarden Profit machen. Wir sollten unsere Lebensmittel auch alle genau so einkaufen, direkt bei den kleinen Erzeugern und Herstellern.“ Leider sind aktuelle Konsum- und Produktionsverhalten hartnäckig. Um daran etwas zu ändern, müsste die komplette Logik des Wirtschaftssystems geändert werden. Aber Horn glaubt trotzdem, dass diese neue Art von Supermärkten ein gutes Beispiel dafür ist, wie eine alternative Zukunft aussehen könnte. „Ich bin aber vorsichtig damit zu sagen, dass diese Läden wirklich revolutionär sind, solange die Lebensmittel, die dort verkauft werden unter ausbeuterischen Bedingungen in den Ländern des Südens hergestellt werden.“
Ökologisch gesehen sind Supermärkte wie Original Unverpackt ein erster Schritt in die richtige Richtung. Etwa die Hälfte der Produkte gibt es dort in Gläsern zu kaufen. Glas ist 100% natürlich, denn es besteht aus Sand, Natron und Kalk. Am Ende des Produktlebenszyklus, ist Glas zu 100% recycelbar. Was von eingeschmolzenem Glas übrig bleibt, wird wiederverwendet, um neues Glas herzustellen. Außerhalb dieses Kreislaufs braucht Glas keine umweltschädlichen Materialien.
Eine Frage des Geldes?
Damit dieses neue Supermarktkonzept Erfolg haben kann, müssen Konsumenten und Lieferanten mitmachen. Die Kunden müssen davon überzeugt werden, mehr Zeit und Aufwand für ihre Einkäufe aufzubringen. Und die Lieferanten müssen sich etwas überlegen, wie sie die Kunden dazu bringen, bestimmte Produkte nicht in anderen Läden zu kaufen. Mouna antwortet sehr ehrlich: „Ich bin mir nicht sicher, ob ich in zwei oder drei verschiedene Supermärkte gehen würde, um am Ende alles zu haben, was ich brauche.“ Sabrina würde bei Original Unverpackt bestimmte Produkte kaufen, wenn der Supermarkt näher an ihrer Wohnung wäre: „Tee und Gewürze unverpackt einkaufen zu können ist super. Dann kann ich genau die Menge kaufen, die ich wirklich brauche.“
Mouna und Sabrina finden, dass die Preise bei Original Unverpackt vergleichbar sind mit den Preisen in Biosupermärkten. Der Aspekt Geld könnte einige Kunden letztlich aber davon abhalten, in solchen Supermärkten einzukaufen. Viele junge Leute würden gerne nur Bio- und Fairtrade-Lebensmittel kaufen, können es sich schlichtweg aber nicht leisten.
Horn ist kategorisch, wenn es darum geht, was sich wirklich verändern muss. Supermärkte ohne Plastik sind ein Anfang, mehr aber auch nicht: „Kurzum, was wir brauchen ist ein neues Wirtschaftssystem, das bestimmt wird von den sozialen Bedürfnissen der Gesellschaft und nicht von grenzenlosem Wachstum und der Mehrung von Kapital.“
Ist Original Unverpackt am Ende also nur ein Tropfen auf den heißen Stein? Ja und Nein. Es kommt ganz auf die Sichtweise an, darauf ob das Glas halb voll oder halb leer ist (mit Quinoa natürlich). Wenn niemand Ideen wie Original Unverpackt umsetzen würde, würde sich überhaupt nichts verändern. Umweltfreundlichere Verpackungen und vegane Kondome gibt es schon und trotzdem gibt es noch ziemlich viel zu tun.
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Maria Wokurka ist eine deutsche Freelance-Journalistin.
Translated from Packaging that breaks the mould: the supermarkets avoiding plastic