Ungarns 4K! Aktivist András Istvánffy: "Wir haben eine Protestkultur"
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Alexandra RojkovDer ungarischen Jugend gehen die Treffpunkte aus – weil die ungarische Regierungspartei Fidesz sie reserviert oder gleich schließt. Die Gruppe 4K! - Negyedik köztársság (Vierte Republik) will sich die Orte zurückerkämpfen. Ihre Waffe: Flashmobs und Demonstrationen. András Istvánffy koordiniert den Protest.
Das lauschige Castro Bistro liegt mitten im Zentrum von Budapest. Dort treffen wir uns mit András Istvánffy auf eine Tasse Tee. Das Café ist gut besucht, die Stimmung eher entspannt, statt revolutionär. Vergessen sind die ersten Januartage, als der Kurs des ungarischen Forinthen einen Rekordwert erklomm und Gerüchte über einen Staatsbankrott die Runde machten. „Der ungarische Premiermisister Viktor Orbán hat die weiße Flagge gehisst“, sagt András Istvánffy, der eigentlich als PR-Manager arbeitet. Doch in seiner Freizeit ist er politischer Aktivist: Istvánffy koordiniert 4K!, eine Gruppe junger Ungarn, die die politische Szene aufmischen will. Im Mai soll 4K! eine offizielle Partei werden, der Gegenentwurf zur neo-faschistischen Jobbik. Das kündigte András im letzten Jahr an.
Es war ein Gefühl der “generellen Unzufriedenheit”, das Istvánffy und seine Freunde 2007 veranlasste, die Bewegung 4K! zu gründen. Schnell entwickelte sich die Clique zu einem Netzwerk ungarischer Aktivisten. Ihr Name – die vierte Republik – steht für den Wunsch, das Land politisch zu erneuern. Die drei wichtigsten Werte der Bewegung: Freiheit, Gemeinschaft und Patriotismus. “Unserer Meinung nach begann die Krise der dritten Republik nach der Lügenrede von Őszöd”, sagt András. Eine Rede, die eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war: Im September 2006 gab der damalige Premierminister Ferenc Gyurcsány gegenüber Parteimitgliedern zu, dass er die wirtschaftliche Situation des Landes beschönigt hatte, um die Wahlen zu gewinnen. Das Gespräch war damals mitgeschnitten worden und gelangte an die Presse. “Unser politisches System ist nicht mehr legitimiert”, sagt András, “wir müssen die Republik wieder aufbauen”. Darum organisiert 4K! Aktionen, bei denen die Bürger den öffentlichen Raum zurückerobern, wie András sagt, „etwas für sich erschaffen können“. Gemeinsam denken sich die Gruppenmitglieder Aktionen aus, die anschließend ein Freiwilliger organisiert.
"Die Leute hatten einfach Spaß"
Anfangs sei es ihnen dabei weder um Politik, noch um Ideologie gegangen, erzählt András. “Die Leute hatten einfach Spaß“. Doch dann entwarf die ungarische Regierung im vergangenen Jahr eine neue Verfassung – ein Schritt, den 4K! nicht tatenlos hinnehmen konnte. Sie schlossen sich regierungskritischen Protesten an und nahmen auch an einer Demonstration für die Pressefreiheit teil, die im Oktober rund 50.000 Menschen auf die Straße brachte. "Es gab in der ungarischen Bevölkerung den Wunsch, die Verfassung zu erneuern”, sagt der Aktivist. Fidesz [derzeit regierende Partei; A.d.R.] habe nur darauf reagiert. “Doch die die erste Fassung hat schnell gezeigt, dass die neue Verfassung weniger rechtmäßig als das Original sein würde“.
Derzeit arbeitet 4K! daran, sich nicht nur als Graswurzelbewegung, sondern als Partei zu etablieren. Der Gründungskongress findet im Mai statt, 2014 will die Bewegung sich offiziell zur Wahl aufstellen lassen. „4K! wird keine Ein-Generationen-Partei sein”, verspricht András. ‘Wir werden es anders machen als Fidesz, die bei ihrer Gründung eine Altersobergrenze von von 35 Jahren beschlossen hatten." [Diese Bestimmung wurde 1993 aufgehoben; A.d.R.]. Die Mehrheit der künftigen Parteimitglieder von 4K! ist zwischen 20 and 40 Jahre alt. Nur wenige sind älter als 50. „Natürlich wollen wir uns besonders für die Belange der Jugend einsetzen. Junge Menschen in Ungarn leiden – so wie überall in Europa - unter der Arbeitslosigkeit und Wohnungsknappheit. Es wird immer schwieriger eine Familie zu gründen, weil die Verhältnisse so instabil sind. Diese Generation müsste sich mehr engagieren, um gemeinsam etwas zu ändern.“
Rasend schnell verbreiten sich solche Nachrichten über soziale Medien – und mit jedem Post wird die Empörung größer. “Die Wut ist überall, auf jeder Plattform. Selbst wenn dich das Thema nicht interessiert, kannst du ihm nicht entgehen“, sagt András. Mittlerweile sei es Konsens geworden, sich politisch einzumischen. „Seit 2006 haben wir in Ungarn eine echte Protestkultur.’
Doch Aktivismus ist nicht genug, um das Land zu verändern. „Die Grenze des Möglichen ist schnell erreicht“, meint András. „Dann musst jeder selbst entscheiden, ob er den nächsten Schritt tun und sich politisch beteiligen möchte.” Trotzdem möchte András politische Aktionen nicht kleinreden. Er findet: Wer sich engagiert, sammelt wichtige Erfahrungen. “Seien wir ehrlich: Wer will schon mit 20 Jahren Politiker sein?’ Als junges Mitglied einer etablierten Partei habe man “keine Freiheit, um zu experimentieren“. Stattdessen passt man sich der bestehenden Kultur an und benimmt sich wie die alteingesessenen Parteimitglieder, so András. Und welche Charakterzüge muss ein Politiker seiner Meinung nach unbedingt haben? “Die gleichen, die schon vor hundert Jahre wichtig waren: Selbstdisziplin und Selbstvertrauen”, sagt der Jungpolitiker. Außerdem müsste er an die Gesellschaft glauben, daran, dass “man Dinge verändern und gemeinsam viel erreichen kann”.
Illustrationen: Bild András: ©Annamaria Kaptay; Bild flashmob (cc)Ivnte/flickr
Translated from Activist András Istvánffy on ‘Hungary's permanent protest culture since 2006’