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Tschechische Republik: Ein ehemaliger sowjetischer Satellitenstaat übernimmt die EU-Ratspräsidentschaft

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Barbara Canton

Politik

Am 1. Januar gibt Frankreich den Staffelstab der alle sechs Monate wechselnden EU-Ratspräsidentschaft Richtung Osten weiter. Vaclav Klaus, der tschechische Präsident mit einer Vorliebe für klare Worte, ist für seine Abneigung gegen die EU bekannt und sieht in der tschechischen Ratspräsidentschaft reinen Zierrat.

Am 13. Juni feierte Präsident Vaclav Klaus das Irische Nein zum Vertrag von Lissabon, der die Institutionen der erweiterten EU reformieren sollte, als “Sieg der Freiheit und Vernunft über künstlich-elitäre Vorhaben und die europäische Bürokratie.” Die Tschechische Republik könnte den Vertrag von Lissabon im ersten Quartal des Jahres 2009 ratifizieren. Innerstaatliche Reibereien drohen jedoch die Aufmerksamkeit von den Verhandlungen mit Irland und von der Rolle des EU-Ratspräsidenten ab dem 1. Januar abzulenken.

Lissabon als Teil eines nationalen Kuhhandels

©Bertelsmann Stiftung/flickrKlaus verfügt über viel Einfluss in der regierenden Demokratischen Bürgerpartei (ODS), die er selbst gründete und deren Ehrenvorsitzender er bis vor kurzem war. Mitglieder der ODS und des Oberhauses des tschechischen Parlaments, dem Senat, riefen in Sachen Vertrag von Lissabon die Gerichte an und argumentierten, der Vertrag sei nicht mit tschechischem Recht vereinbar. Am 26. November erhielt das Abkommen dann doch grünes Licht. Obwohl auch er kein begeisterter Anhänger des Vertrags ist, ist Premierminister Mirek Topolanek entschlossen, ihn durch das Parlament zu bringen. Allerdings warnt er davor, zu viel Druck auszuüben, um den Vertrag schneller zu ratifizieren, weil er momentan nicht alle ODS-Parlamentarier hinter sich weiß.

Die größte Oppositionspartei CSSD hingegen macht Druck, damit die Vereinbarung von Lissabon möglichst schnell ratifiziert wird. Ihr Vorsitzender Jiri Paroublek droht der OSD, ihr das Leben schwer zu machen, falls sie sich gegen den Vertrag stellt. Die ODS hatte in den Regional- und Senatswahlen im Oktober 2008 schwere Niederlagen einstecken müssen und will nun einen „Waffenstillstand“ mit der CSSD für die Dauer der Ratspräsidentschaft aushandeln. Paroubek hat jedoch deutlich gemacht, dass eine Zustimmung zum Vertrag kein „Akt der Versöhnung oder ein Toleranzedikt“ sei. Es würde die Möglichkeit, der Regierung während der EU-Ratspräsidentschaft ein Misstrauensvotum auszusprechen, nicht ausschließen, betonte er am 12. Dezember.

Zwergenpräsidentschaft à la Slowenien

©Vlastula/flickr

Der tschechische Präsident bezweifelt, dass ein so kleines Land wie die Tschechische Republik die EU ©LinksmanJD/flickrwirklich beeinflussen kann. „Sie wissen so gut wie ich, dass niemand mitbekommen hat, dass das kleine Slowenien in der ersten Hälfte dieses Jahres die Ratspräsidentschaft inne hatte“, kommentierte er in einer Diskussionsrunde des Programms Schlagabtausch am Sonntag des tschechischen Senders TV Prima am 26. Oktober. Die slowenische Ratspräsidentschaft wird allgemein als erfolgreich verbucht. Ihr ist es gelungen, den Frieden und die Stabilität im westlichen Balkan aufrecht zu erhalten, nachdem sich der Kosovo im Februar für selbstständig erklärt hatte. „Kleine Staaten haben es leichter, Kompromisse auf EU-Ebene zu erzielen, weil sie weniger innenpolitische Interessen haben“, sagte der Sprecher der slowenischen Regierung Anže Logar im Juni.

Es besteht jedoch die Gefahr, dass große Staaten außerhalb der EU wie zum Beispiel Russland die kleine Tschechische Republik nicht ernst nehmen werden. Wäre der Konflikt zwischen Russland und Georgien im vergangenen Sommer während der tschechischen Ratspräsidentschaft ausgebrochen, so glauben viele, wäre Russland nicht bereit gewesen zu verhandeln.

Die tschechisch-russischen Beziehungen sind vorbelastet. Der Kreml reagierte wütend, als Prag ein Abkommen über die Stationierung eines amerikanischen Raketenabwehrsystems auf tschechischem Boden unterzeichnete. Momentan verhandelt die EU mit Moskau über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen (PCA). Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy schlug während des EU-Russland-Gipfels im November in Nizza sanfte Töne an. Er rügte die Pläne der USA und unterstütze den Vorschlag des russischen Präsidenten Dmitri Medwedew zu einem paneuropäischen Sicherheitssystem.

Der nächte EU-Russland-Gipfel wird während der tschechischen Ratspräsidentschaft abgehalten. Es ist unwahrscheinlich, dass die tschechische Regierung die freundschaftliche Haltung beibehalten wird. „40 Jahre unter sowjetischer Bevormundung sind nicht spurlos vorbei gegangen,“ zitiert die New York Times einen Ausspruch des tschechischen Außenministers Karel Schwarzenberg vom 11. April.

Die EU-Ratspräsidentschaft von Frankreich zu übernehmen wäre für niemanden einfach. „Wenn man mit Regierungsvertretern spricht, gewinnt man den Eindruck, dass sie es nur irgendwie hinter sich bringen wollen,“ meinte David Král, Vorsitzender des Institute for European Policy in Prag am 11. September. Slowenische Politiker hingegen führen eine hohe Motivation als wichtigsten Faktor für Erfolg an. All jene, die die Tschechische Republik nicht für fähig halten, die Europäische Union anzuführen, könnten Recht behalten. Schuld daran wäre allerdings weder die geringe Größe des Landes noch die Tatsache, dass es relativ neu im Club ist, sondern einzig und allein der fehlende Ehrgeiz.

Translated from Czech Republic: from soviet satellite to EU presidency