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Tschechien: Mit falschem Bart und Barbie

Published on

Story by

Craig B

Translation by:

Selina Glaap

Raw

Lächerlich: In der Tschechischen Republik sind Politiker bereit, mit geladener Waffe und falschem Bart die tschechische Souveränität und eine pinke Zukunft zu fordern. Das Land wählt im Oktober 2017 ein neues Regierungsoberhaupt. 

Eines der  bekanntesten literarischen Werke der Tschechischen Republik ist Der brave Soldat Schwejk von Jaroslav Hašek. Während der gesamten Geschichte, die im ersten Weltkrieg spielt, stolpert der Anti-Held Schweijk von einem lächerlichen Versagen in das nächste, verärgert viele Autoritätspersonen und lässt bis zum Schluss offen, ob die Misserfolge an seiner eigenen Dummheit liegen oder von ihm beabsichtigt sind. Schweijk beeinflusste die tschechische Kultur so sehr, dass die Tschechen heute sogar das Wort švejkovina ("schweijken"), für die Bezeichnung absichtlicher, idiotischer Handlungen zur Untergrabung des Systems nutzen. Die Darstellung lächerlicher Handlungen wurde Grundlage tschechischer Literatur und Filmkultur. Aber seit einiger Zeit sind diese Einflüsse auch in der Politik des Landes erkennbar. Politiker können per se manchmal komisch wirken, aber die politische Mitte in Tschechien macht sich besonders lächerlich.

Zu Beginn des Jahres berichteten die Medien darüber, dass Tschechiens zweitreichster Mann und späterer Finanzminister - Andrej Babis - in der Vergangenheit einige fragwürdige Geschäfte gemacht habe. Die Enthüllungen führten zu dem Protest-Rücktritt des Ministerpräsidenten Bohuslav Sobotka, bevor er diesen drei Tage später wieder aufhob und somit für Verwirrung sorgte. Sobotkas Rücktritt hing damit zusammen, dass Babis KMU-Subventionierungen der EU für ein Unternehmen genehmigt hatte, das später Teil seiner Agrofert Group wurde, ein riesiges Unternehmen, das sich aufgrund seiner Größe nicht für die Subventionen qualifiziert hätte. Dennoch wurde der Ministerpräsident schnell von dem umstrittenden Präsidenten Milos Zeman (einer von Babis' Alliierten) bloß gestellt, der zwar den Rücktritt des Ministerpräsidenten akzeptierte, nicht aber den des Kabinetts.

Dies hätte bedeutet, dass Babis im Amt hätte bleiben können, genau das Gegenteil von dem, was Sobotka mit seinem Rücktritt bewirken wollte. Letzten Endes blieb Sobotka Ministerpräsident und niemand schien zu wissen, wie man die Verfassung interpretiert. Babis wurde schließlich im Mai 2017 aus dem Amt des Finanzministers entlassen, bleibt aber dennoch einer der Favoriten für die nächste Wahl des Ministerpräsidenten der Tschechischen Republik im Oktober. Und das obwohl sowohl die tschechische Polizei als auch das Europäische Amt für Betrugsbekämpfung noch immer gegen ihn ermitteln.

Während sich das Drama im Parlament erst einmal gelegt hatte, erschienen immer neue Persönlichkeiten vom rechten Rand, die den Vertrauensverlust der Bevölkerung in die traditionellen Parteien untersuchen wollten. Bei ihrer verzweifelten Suche nach Aufmerksamkeit, scheinen die skurrilen Personen die Lächerlichkeit als Grundlage für ihr Handeln gewählt zu haben. 

Genehmigtes Terrorschauspiel 

Einer, der sich dessem sicherlich bewusst ist, heißt Martin Konvicka, dessen Anti-Migranten-Possen ihn bereits einige Male, sowohl zu Hause als auch im Ausland, ins Fernsehen gebracht haben. Konvicka, ein Entomologe (Insektenkundler) der südbömischen Universität, erlangte zunächst Aufmerksamkeit, indem er auf dem Hauptplatz von Prags Altstadt einen Terroranschlag nachstellte. Er ließ den Platz von Polizisten mit falschen Bärten, falschen Waffen und einem echten Kamel stürmen, die verängstigte Touristen wild umher laufen ließen. Das schlimmste an der Sache ist, dass der Stadtrat die Aktion genehmigt hatte. Auch wenn sie später zugaben, sie hätten die Aktion gestoppt, wenn sie von ihrer Härte gewusst hätten, gibt die Zustimmung dieser grauenhaften Aktion eine gewisse Legitimität. Konvicka leitet die Gruppe "Wir wollen keinen Islam in der Tschechischen Republik", dessen  Name keine Fragen offen lässt. Ihre letzte Aktion fand zusammen mit einer Veranstaltung vor der Moschee in Brno statt, bei der Zuschauer die Verbrennung des Korans im Beisein von biertrinkenden, Gulasch-essenden Männern und Frauen in Bikinis beobachtet hatten, anscheinend als Versuch, die tschechische Kultur wieder auferleben zu lassen. Der Anführer der nun aufgelösten Anti-Islam-Partei, Konvicka, tauchte außerdem in einem grotesken Video auf, indem er -auf Englisch- dem "Islamfeind des Jahres" Donald Trump seine Unterstützung zusagt.  

Konvicka ist aber nicht der Einzige. Vor Kurzem veröffentlichte die Politische Gruppe der Nation der Ordnung, welche die tschechische Souveränität und Werte wieder auferleben lassen möchte, Fotos ihrer aktuellen Kandidatin Barbora Haskovcoca, wie diese stark geschminkt und in Latexkleidung ein Gewehr auf die tschechisch-slowakische Grenze richtet. Was dies über tschechische Werte aussagen soll, ist unklar, aber die Aktion kam vielleicht im Zusammenhang mit der Abstimmung eines strengeren Waffengesetzes in der EU. Die Verschärfung der Waffengesetze haben zu einigen Pro-Waffen -und Anti-EU-Protesten geführt, da es Stimmen gab, die Waffen im Hinblick auf den Terrorismus für sinnvoll hielten. Die Tschechische Republik hat noch bis heute eines der lockersten Waffengesetze der EU.

Während Haskovcova einen etwas heißblütigen Stil wählte, um ihre nationalistischen Ansichten unters Volk zu bringen, so hat sie doch starke Konkurrenz bekommen: Dominika Myslivcova, oder auch Barbie, wie sie so oft genannt wird. Barbie ist eine junge, pink gekleidete Frau, die ihre ach so vielseitigen Fähigkeiten unter Beweis stellt, indem sie sowohl Rapperin ist als auch unabhängige Kandidatin für die immer mehr verdrängte Nationale Koalition der "Morgendämmerung", die von dem bekannten Anti-Immigrations-Populisten Tomio Okamura gegründet wurde. Eine ihrer Produktionen ist der Anti-Flüchtlings-Song mit dem Titel 'Wir wollen euch hier nicht', der auf ihrem YouTube Channel gefunden werden kann. Der Slogan ihrer Kampagne von 2016 war: "Ich möchte eine pinke Zukunft, keine Schwarze".

Diese skurrilen Persönlichkeiten haben mit dem Präsidenten Milos Zeman, ehemaliger Ministerpräsident und ehemaliger Parteichef der tschechischen Sozialdemokraten (CSSD), einen ungleichen Alliierten gefunden. Es ist nicht schwierig zu erkennen, wie diese prominenten Akteure die Vorraussetzungen der nächsten Wahlen schaffen. 

Während Zeman ebenfalls den Reihen der Anti-Immigrations-Bewegung der tschechischen Politik beigetreten ist, stand er bereits bei mehreren Meinungsverschiedenheiten, die sowohl die tschechiche als auch die internationale Gemeinschaft perplex ließen, im Mittelpunkt. 2015 verwirrte der Staatschef viele Menschen, indem er bei einemen Weinfest in der Hauptstadt den Tod aller Abstinenzler und Vegetarier verkündete. Zu seiner Verteidigung bezog er sich dabei natürlich nur auf bekannte massenmördernde Vegetarier wie Adolf Hitler und keineswegs auf die Gesamtheit aller Vegetarier. Seine Kritiker schämen sich oft für seine Possen, wie das übermäßige Fluchen (auf Englisch und Tschechisch) über die Protestgruppe Pussy Riots im Fernsehen, oder seine auffälige Trunkenheit bei Staatszeremonien zur Inspektion der Kronjuwelen. Seine Befürworter schätzen ihn jedoch für seine Freimütigkeit und seine Tendenz hin zum Lächerlichen. 

Milos Zemans anhaltende Kontroversen und seine engen Beziehungen zu Russland haben seiner Popularität geschadet. Laut einer neuen Studie sehen ihn aber immer noch 33% der Bevölkerung als einen guten Präsidenten und platzieren ihn somit auf dem zweiten Platz hinter dem Wissenschaftler Jiri Drahos, der 40% Zustimmung fand. 

Während Flüchtlinge die Tschechische Republik nur selten bis gar nicht als Wahlheimat anpeilen, gibt es in dem Land viel Platz für diejenigen, die ihr eigenes egozentrisches Vorgehen durch Nationalismus, die Angst vor einer islamischen Invasion oder die kulturelle Verlagerung im Allgemeinen, nach vorne bringen möchten. Durch die Erkenntnis des kulturellen Appetits der Lächerlichkeit, können sich anti-islamische und anti-EU-Hetzer hier zunehmend Gehör verschaffen. 

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Story by

Translated from The ridiculousness of Czech politics