Syrien: Giftgas mit Folgen
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Benjamin WolfAm 21. August wurden vermutlich hunderte Syrer durch einen Giftgas-Anschlag getötet. Während Präsident Assads Regierung die Rebellen beschuldigt, hat US-Außenminister John Kerry klargemacht, dass es kaum Zweifel an der Schuld des Regimes gebe. Die USA und Großbritannien bereiten nun einen Militärschlag vor. Der BBC-Journalist und Blogger Sakhr Al-Makhadhi über die momentane Situation in Syrien.
Cafébabel: Laut US-Außenminister John Kerry gibt es kaum Zweifel, dass Präsident Assad die chemischen Waffen eingesetzt hat. Was ist die Position der arabischen Medien?
Sakhr Al-Makhadhi: Die arabischen Medien sind so uneinig wie die Region. Es kommt immer darauf an, wer dahinter steht und die Rechnungen bezahlt. Staatliche iranische Medien und Sender, die der Hisbollah nahestehen, nehmen entweder ein abwartende Haltung ein oder geben offen den Rebellen die Schuld. Die Medien des arabischen Golfs beschuldigen Assad.
Cafébabel: Wer unterstützt in der arabischen Welt eine militärische Intervention? Warum?
Sakhr Al-Makhadhi: Im Nahen Osten ist die Türkei der stärkste Befürworter. Der türkische Premierminister Erdogan fühlt sich persönlich gekränkt, dass der frühere Verbündete seine Ratschläge zu Reformen vollkommen ausgeschlagen hat und er fühlt sich von Assad belogen. Erdogan nimmt die Zerstörung und den Niedergang Syriens sehr persönlich. Zudem beherbergt die Türkei viele Flüchtlinge und es werden immer mehr. In syrisch-türkischen Grenzdörfern gibt es Spannungen und Erdogan beschuldigt Assad, antitürkische kurdische Militante zu unterstützen. Außerdem hat Syrien einen türkischen Jet abgeschossen.
Cafébabel: Riskieren wir durch eine Militärintervention nicht wieder eine Eskalation von antiwestlichen Gefühlen und wachsenden Zuspruch für Al-Qaida?
Sakhr Al-Makhadhi: Nein. Der anhaltende Bürgerkrieg und das Fehlen westlicher Führung machen Syrer und Araber wütend. Sie rufen laut danach, dass die USA ihren Einfluss einsetzt. Viele fragen sich auch, ob die NATO nicht schon viel früher interveniert hätte, wenn Syrien über große Ölreserven verfügen würde. Was Al-Qaida betrifft: das Terrornetzwerk profitiert vor allem von dem sich gerade jetzt abspielenden Zerfall Syriens.
Cafébabel: Können wir wirklich von einem “Bürgerkrieg” sprechen? Gibt es Schätzungen zur Unterstützung und Zustimmung der Rebellen in der Bevölkerung?
Sakhr Al-Makhadhi: Wir sprechen von einem Bürgerkrieg, wenn Syrer von Syrern in großer Zahl getötet werden. Das passiert nun seit 18 Monaten. Auch wenn das Regime von einem gewissen Teil der Bevölkerung noch unterstützt wird, ist Assad letztendlich nicht mehr als ein Warlord, wenn auch der mächtigste des Landes. Es ist somit auf jeden Fall möglich, spezifische militärische Einrichtungen des Assad-Regimes zu attackieren.
Cafébabel: Würde ein solcher Einsatz die Machtverhältnisse im Bürgerkrieg ändern?
Sakhr Al-Makhadhi: Nein. Dieser Militäreinsatz hätte bloß das Ziel, dem Regime eine Lektion zu erteilen. Die Absichten sind politisch, nicht militärisch. Das Ziel ist, ein klares Zeichen gegen jedweden Gebrauch von chemischen Waffen zu setzen, nicht die Rebellen zu stärken oder das Regime zu stürzen. Der Westen hat klargemacht, dass er sich im syrischen Bürgerkrieg militärisch nicht involvieren will.
Cafébabel: Deutschland drängt auf Friedensverhandlungen. Sind dafür die Voraussetzungen gegeben? Sind die kriegsführenden Parteien willens, miteinander zu sprechen?
Sakhr Al-Makhadhi: Keine Seite ist bereit für Friedensverhandlungen. Die Opposition hat verlautbart, dass sie sich nach dem Verlust von Qusair und der Einbindung der Hisbollah aufseiten des Regimes nicht an solchen Gesprächen beteiligen werde. Und das Regime hat bisher wenig Willen gezeigt, auch nur die nationale Koalition der Rebellen anzuerkennen.
Cafébabel: Wie wichtig ist Russland in dieser Krise?
Sakhr Al-Makhadhi: Sehr. Wenn Russland entscheidet, Assad zum Verhandlungstisch zu zerren oder wenn es sich entschließt, die Waffenversorgung des Regimes zu stoppen, werden sich die Machtverhältnisse sehr schnell verändern. Der syrischen Regierung würden dann bald die Ressourcen ausgehen.
Cafébabel: Wie lang kann der Bürgerkrieg schlimmstenfalls dauern?
Sakhr Al-Makhadhi: Nun…wie lang hat der Bürgerkrieg im Libanon gedauert? (15 Jahre, 1975 – 1990, Red.)
Cafébabel: Übersehen westliche Medien in ihrer Berichterstattung über die mögliche Militärintervention etwas, das von den arabischen Medien stärker betont wird?
Sakhr Al-Makhadhi: Es ist noch sehr früh, wir wissen noch nicht, wie stark die Militärintervention sein wird. Im Moment fokussiert sich aller Zorn auf den Einsatz der chemischen Waffen, nicht auf die Flagge der Flugzeuge, die auf diese Schandtat antworten werden.
Mehr über Syrien könnt ihr auf Sakhr Al-Makhadhis Homepage, Blog, oder auf Twitter erfahren.
Translated from Syria: chemical weapons cause international outrage