Skopje 2014: Antikes Mazedonien-Makeover
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Kerstin MarschnerDie mazedonische Hauptstadt erweckt den Eindruck einer Stadt kurz vor den Olympischen Spielen. Beim Städtebauprojekt Skopje 2014 dreht sich allerdings alles um die antike Vergangenheit. Skopje bekommt ein „Makeover“ im neoklassischen Stil.
Das Umstyling soll die nationale Identität stärken, ausländische Touristen anlocken und, wenn man bösen Zungen Glauben schenkt, Griechenland provozieren, mit dem Mazedonien seit seiner Unabhängigkeit im Clinch liegt
Kaum in Skopje gelandet sehe ich sie schon: eine Hommage in Neon an eine der wichtigsten Persönlichkeiten der Antike, dessen umstrittene Herkunft zum Symbol des griechisch-mazedonischen Konflikts geworden ist. Auf dem Dach des winzigen, heruntergekommenen Flughafengebäudes - das eher an den Kommunismus als an die Antike erinnert – prangt der leuchtende Schriftzug: „Skopje 'Alexander the Great' Airport“. Dass der letzte Buchstabe nicht aufleuchtet verstärkt nur den Gesamteindruck.
Mazedonien – die Wiege der Zivilisation?
Die Umbenennung des Flughafens fiel mit der Wahl der neuen nationalististischen Regierung im Jahr 2006 zusammen. Sie markiert die Anfänge von Mazedoniens „Antikisierung“, wie Kritiker die zwanghafte Rückbesinnung des Landes auf seine klassischen Wurzeln nennen. Der durchschnittliche Weststaatler weiß so gut wie nichts über das Land. Die Reklametafel vor dem Flughafen mit der Aufschrift „Willkommen in der Wiege der Zivilisation“ wirkt daher etwas skurril.
Ich komme gerade aus Italien, wo man bei „Macedonia“ eher an Obstsalat als an ein Land des ehemaligen Jugoslawiens denkt („macedonia“ bedeutet in den romanischen Sprachen Obstsalat). Etymologischen Wörterbüchern zufolge spielt das italienische und französische Wort für Obstsalat tatsächlich auf die ethnische Diversität im Reich Alexanders des Großen an, in dem das moderne Mazedonien seine Wurzeln sieht. Die „Ehemalige Jugoslawische Republik Mazedonien“ (englisch: Former Yugoslavian Republic of Macedonia, kurz FYROM) liegt zwar auf dem Gebiet des antiken Mazedoniens, die Griechen sind jedoch der Ansicht, dass das heutige Makedonien nichts mit Alexander dem Großen zu tun hat.
Skopje 2014
Im Zentrum Skopjes sind die Bauarbeiten für Skopje 2014, einem städebaulichen Projekt zu Ehren der antiken Vergangenheit des heutigen Mazedoniens, in vollem Gang. An Gebäuden, Denkmälern, Statuen und Brunnen wird gearbeitet. Zentrale Figur des Bauprojekts ist eine 28 Meter hohe Statue Alexanders des Großen. Der, den Griechen zuliebe nicht näher benannte, „reitender Krieger“ wurde im Juni errichtet.
Selbst die härtesten Kritiker sind von der Geschwindigkeit der Bauarbeiten beeindruckt und geben zu, dass es sich bei Skopje 2014 um die erste bedeutende Investition des Landes in Kultur und Architektur seit drei Jahrzehnten handelt. Die Einheimischen regen sich vor allem darüber auf, dass das Geld dringend woanders benötigt wird. „Die Leute haben kein Brot und die geben Millionen für Statuen aus“, sagt der Taxifahrer Bojan, 36 Jahre. Milos, ein 32-jähriger Ingenieur stimmt zu. „Die Straßen in Mazedonien sind voller Schlaglöcher – anstatt die zu richten, verschwendet die Regierung Geld für patriotische Ego-Scheiße, und will damit Punkte machen“, sagt er und fügt hinzu, dass die anderen Parteien keinen Deut besser wären. „Deshalb habe ich bei den letzten drei Wahlen Chuck Norris gewählt“, sagt Milos, der auch einen Abschluss in Politikwissenschaften hat. Bei den Wahlen im Jahr 2009 gab es eine Facebook-Gruppe „Wählt Chuck Norris!“ mit Tausenden von Fans. „Du solltest dir mal anschauen in welchem Zustand das Krankenhaus in Skopje ist, dann wüsstest du, wo die Millionen besser angelegt gewesen wären“, sagt Rob, ein 26-jähriger Ire, der mit einer Mazedonierin verheiratet ist.
Laut Svetlana, einem Mitglied der Arhi Brigada, einer informellen Guerillaorganisation von Skopjer Architekturstudenten, ist Skopje 2014 eine „Kitschparade“, die eher einem Freizeitpark als dem neuen Herzen der Stadt angemessen ist. „Wir bekommen sogar ein eigenes 'Millenium Wheel', das dem 'London Eye' nachempfunden ist“, sagt sie. Für die Bestrebungen der Regierung ausländische Touristen mit „populistischem Turbo-Folk“ und „just do it“- Architektur anzulocken, hat sie nicht viel übrig.
Dafür sind wir nicht zuständig
Da es sich bei Skopje 2014 um ein äußerst pompöses und teures Projekt handelt, gehe ich davon aus, dass es ein Leichtes sein wird Interviews mit Behördenvertretern zu bekommen. Das stellt sich allerdings als Irrtum heraus: Ganz egal welche Behörde ich kontaktiere (die Stadtverwaltung, das Kultusministerium, das Büro des Premierministers), immer werde ich an eine andere Institution verwiesen. Bei der Stadtverwaltung entschuldigt man sich mit „wir führen das Projekt nur aus“, bei der Regierung bekomme ich ein „wir zahlen nur für das Projekt“ zu hören. Einmal war ich kurz davor ein Interview zu bekommen. Die Assistentin des ehemaligen Bürgermeisters von Skopje, Trifun Kostovski, ruft mich versehentlich zurück, legt aber sofort auf als sie ihren Fehler bemerkt. Örtliche Journalisten bestätigen später meinen Eindruck: Die Regierung hält sich den Medien gegenüber bedeckt - aus Angst vor negativer Berichterstattung. Des weiteren will die Regierung vertuschen, wie viel das Projekt tatsächlich kostet. „Ursprünglich sollten sich die Kosten auf 80 Millionen Euro belaufen, gegenwärtige Schätzungen gehen allerdings von über 200 Millionen aus“, erklärt ein Journalist einer Skopjer Tageszeitung, als ich nachfrage, warum keine detaillierte Projektdokumentation erhältlich ist. Anscheinend wurden beim Genehmigungsverfahren weder die Bürger beteiligt, noch Expertenmeinungen eingeholt.
Ein örtlicher Künstler, der an einer der Statuen gearbeitet hat, sieht das Projekt jedoch positiv. Ihm zufolge seien viele der Statuen künstlerisch wertvoll. Er bittet darum anonym zu bleiben, da er nicht als Befürworter der Regierung dastehen will. „Skopje 2014 hilft uns dabei, uns an einen Abschnitt unserer Geschichte zu erinnern der, im 'finsteren Zeitalter' der 500-jährigen türkischen Herrschaft, fast in Vergessenheit geraten ist", sagt er.
Wir sitzen in der „Turska“, auch „stara carsjia“ (türkisch Stadt bzw. Altstadt), dem ältesten und malerischsten Viertel Skopjes, das von einer Moschee dominiert wird. Ein paar Schritte weiter, in einem alten Kunsthandwerksladen hängt ein Porträt Titos. Die Besitzer denken nostalgisch an das kommunistische Jugoslawien und ihre slawischen Wurzeln zurück. Am Abend vermischen sich die Klänge von Rock, Jazz und House aus den lokalen Bars mit dem Gesang des Imams, und mir drängt sich der Gedanke auf, dass die Seele der Stadt im schlichten, aber farbenfrohen „carsjia“ viel greifbarer ist, als in den illustren Bauwerken von Skopje 2014.
Dieser Artikel ist Teil des cafebabel.com-Reportageprojekts Orient Express Reporter 2010/ 2011.
Illustrationen: Homepage (cc)Mamzel*D/flickr; Im Text ©Nela Lazarevic/flickr
Translated from Macedonia the Great: historical obsessions and Skopje 2014