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Schwere Zeiten für Athener Muslime

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Gesellschaft

Athen ist die letzte Hauptstadt der EU die über kein namhaftes muslimisches Gotteshaus verfügt. Und das, obwohl Muslime die größte religiöse Minderheit der Stadt bilden. Die griechische Regierung hat in den Jahren 2000, 2006 und 2011 dem Bau einer Moschee zugestimmt. Wenig ist jedoch seitdem geschehen: Die muslimische Gemeinde ist für ihre Gottesdienste weiterhin auf Notlösungen angewiesen. 

Eine der wichtigsten Moscheen im Athener 'Untergrund'  ist die Al-Salam-Moschee, gelegen in einer schmalen Straße des Athener Viertels Neos Kosmos. Die Moschee diente ursprünglich als Garage und Warenlager - sie liegt Tür an Tür mit einem kleinen arabischen Supermarkt. 

Mohammed Rossas kam 1982 im Alter von 8 Jahren mit seiner Familie aus Saudi-Arabien nach Griechenland. 1989 stellte die Familie der muslimischen Gemeinschaft vor Ort ein erstes Gebäude zur Verfügung, zwei Jahre später richteten sie die heutige Moschee ein. Heute wohnen in ihrem Stadtteil jedoch weniger Araber als damals: 

"Dies war früher eine arabische Gemeinde. Wir hatten ein Reisebüro, einen Videoclub - damals, als es noch Videokassetten gab - eine Snackbar für das Essen nach dem Film und einen Supermarkt auf der anderen Seite. Früher haben wir hier auch gearbeitet, als noch alles rund lief. Es war wirklich eine ganze Gemeinde hier. Und alle haben versucht, Häuser in der Nähe der Moschee und des Marktes zu bekommen."  

Mohammed hat den Eindruck, dass sowohl viele Muslime als auch viele andere Griechen das Land in den letzten Jahren auf der Suche nach einem besseren Leben Richtung Europa verlassen haben. In Neos Kosmos betonen die Leute in diesem Zusammenhang immer wieder, dass zu keiner Zeit ethnischer oder religiöser Druck gegenüber den Athener Muslimen bestand, das Viertel zu verlassen.

Er sieht sich selbst vor allem als arabischer Grieche: "Wenn man mich nach Palästina senden würde (das Herkunftsland seiner Familie), ich hätte überhaupt keine Ahnung was dort vor sich geht. Ich bin hier mit Griechen aufgewachsen, bin auf eine griechische Schule gegangen. Das ist einem irgendwie ins Blut übergegangen."

Seine Tochter hat sogar zuerst Griechisch und dann Arabisch gelernt. Probleme mit Griechen hatte er nie. Er sieht die Einwohner im Viertel als seine "Familie", ganz gleich welche Sprache sie sprechen oder wo sie herkommen. Obwohl Mohammed beteuert, er habe hier noch keinen Rassismus erlebt, ist ihm bewusst, dass zwischen den muslimischen und nicht-muslimischen  Gemeinschaften Spannungen existieren. Schließlich bringt er auch die rechtsextreme Partei Goldene Morgenröte ins Gespräch, in deren Umfeld es einige Übergriffe und sogar Todesfälle gab. So zum Beispiel im Juni 2013, als die Partei dem griechischen Muslimenverband MAG einen Drohbrief schrieb, in dem sie allen Muslimen, griechisch oder nicht, einen Monat Zeit gab, das Land zu verlassen, bevor sie 'wie Hühner' abgeschlachtet würden. Und das war nicht das erste nennenswerte Problem, das von den Rechtsextremisten verursacht wurde. Einige Jahre zuvor wurden bereits mehrere Mitglieder der Goldenen Morgenröte gerichtlich verurteilt. Ihnen wurde zur Last gelegt, an mehreren Übergriffen beteiligt zu sein - darunter ein Vorfall, bei dem ein Molotow-Cocktail auf einen Bangladeschi geworfen wurde. Außerdem wurden sie mit dem Verschwinden von über 100 Migranten in Verbindung gebracht.    

"Wir hatten vorher noch nie von denen gehört. Die kamen einfach plötzlich und schlugen die Leute. Frauen mit Schleier oder Pakistanis", bemerkt er zur Neonazi-Partei. Er gesteht, sich heute über die Sicherheit seiner Familie Sorgen zu machen: "Meine Frau ist Muslima. Sie trägt kein Kopftuch, ich mache mir aber trotzdem meine Sorgen, wenn sie mit den beiden Töchtern in die Stadt geht. Ich erinnere sie dann jedes mal: Lasst eure Handys an und ruft an, wenn es irgenwelche Schierigkeiten gibt."

100+ inoffizielle Moscheen

Im Angesicht derartiger gesellschaftlicher Bedrängnis wagt es die muslimische Gemeinschaft oft nicht ihren Glauben offen zur Schau zu stellen. Naim El Ghandour, der Präsident des Griechischen Muslimenverbandes in Athen, sieht darin ein klares Zeichen des politischen Rückschritts, der einer multikulturellen europäischen Gesellschaft den Weg versperrt. 

Für den gebürtigen Ägypter Naim El Ghandour und seine Frau Anna Samrou, geborene Athenerin, stellte dieser Widerstand gegenüber der muslimischen Minderheit eine Überraschung dar. "Wir Muslime sind vollkommen integriert. Unsere Kinder besuchen griechische Schulen, sind gebildet und in allen Bereichen der Gesellschaft anerkannt - außer, sie praktizieren ihre Religion! Das ist doch enttäuschend", sagt Anna Samrou. "Die Leute haben Angst, ihre Religion in der Öffentlichkeit zu zeigen, sie haben Angst vor negativen Reaktionen."

Das Zeigen religiöser Symbole in der Öffentlichkeit ist keinesfalls von der Regierung verboten. Die Gemeinschaft der Muslime zieht sich dennoch zum Beten an ihre inoffiziellen, abgeschlossenen Gebetsorte zurück. In Athen gibt es zwischen 100 und 120 inoffizielle Moscheen.

"Wir kriegen für den Bau einer Moschee einfach keine offizielle Erlaubnis. Wir haben der Regierung mehrere Male angeboten, ein Gotteshaus mit eigenen Mitteln zu finanzieren, aber die Antwort war immer: Die Finanzierung ist nicht das Problem", erklärt El Ghandour.

Seiner Meinung nach sei der Hauptgrund ein politischer - der wachsende Einfluss rechtsradikaler Parteien in ganz Europa: "Ich glaube, dass die Regierung uns unterstützen würde, wenn sie nicht auf Stimmen vom rechten Rand angewiesen wäre. Deshalb können sie den Minderheiten nicht unter die Arme greifen."

Die Regierung sah ihrer letzten Verlautbarung den Neubau einer Moschee für 2014 vor, seitdem wurden jedoch keinerlei Anstalten gemacht, das Projekt tatsächlich umzusetzen. Obwohl es zum Bau einer offiziellen Moschee in Athen politischen Widerstand gibt, hat El Ghandour in der griechischen Bevölkerung diesbezüglich noch keine Ablehnung erfahren: "Was mich angeht, ich habe noch keine negativen Reaktionen erlebt. Die Griechen gönnen uns einen anerkannten Ort, an dem wir unsere Religion praktizieren können. Als die rechten Aktivisten beispielsweise zur Demonstration gegen das Moscheenbauprojekt aufgerufen haben stießen sie in der Bevölkerung kaum auf Unterstützung."

Dies ist auch der Grund, warum El Ghandour bezüglich der Umsetzung des Moscheenprojekts in Athen noch immer zuversichtlich ist. Die momentane Haltung in der Regierung bewertet er als Strategie im Umgang mit der Finanzkriese, in dessen Folge die sozialen Fragen hinten angestellt werden. 

Die Herausforderung für die muslimische Gemeinschaft in Athen bleibt jedoch bestehen. Sie muss sich ein Recht erkämpfen, das im Rest der Europäischen Union vollkommen selbstverständlicher Teil des Alltags ist. Ein Herausforderung, jedoch, die El Ghandour gerne annimmt.

"Dies ist eine politische Entscheidung - wir müssen weiter Druck machen! Es wird am Ende auf jemanden ankommen, der den Mut hat zu sagen: Ja, wir haben muslimische Bürger, und wir müssen sie unterstützen, indem wir ihnen das Recht zugestehen, ihre Religion frei auszuüben!"

Verfasst von Jennifer DassySaskia Wöhler und Manon Jacob. Der Artikel entstand in einer Partnerschaft von cafébabel und dem "2015 Forum for European Journalism Students" (FEJS),  das vom 16-21 April 2015 in Athen, Griechenland stattfand.

Translated from An uncertain future for the Muslim community of Athens