Schönheitschirurgie in Korea: Auf der Suche nach europäischen Idealen
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Ronja LustigIn Südkorea werden weltweit die meisten Schönheits-OPs durgeführt. Ein Englischlehrer in der kleinen Stadt Jinju im Süden diskutiert im Unterricht das Weiten von Augen, das Bleichen von Haut und westliche Schönheitsideale, die Koreaner gleichzeitig beherrschen und quälen.
Im Klassenraum kommt die Diskussion in Gang. Ein Junge in der letzten Reihe meldet sich. "Dünn", sagt er. "Große Augen". Die Schüler murmeln zustimmend. In Jinju herrscht kein Zweifel an diesen strikt vorgeschriebenen Schönheitsstandards. Weite, offene Augen nach europäischem Modell sind ein Muss. Größe scheint auch von Vorteil zu sein. Die Einkaufsliste geht weiter, aber klar ist schon: am besten ist das westliche Ideal. Hier, wo die Anzahl an plastisch-chirurgischen Eingriffen weltweit am höchsten ist, wird Schönheit für eine neue Generation von Schülern ein käufliches Gut.
Die Rede ist nicht von einer elitären Minderheit. Jinju ist eine kleine Stadt im Süden des Landes, ungefähr von der Größe Leicesters in England (oder aber Wuppertals in Deutschland); die Schüler sind überwiegend Arbeiterkinder. Und doch sind künstliche Augenweitungen so gewöhnlich wie Zahnspangen geworden; eine OP ist ein begehrtes Geschenk zum Schulabschluss. Allein im letzten Jahr wurden 700 000 Operationen in der Republik durchgeführt. Fünfzehn Prozent der Frauen im Land ließen sich operieren; in Seoul liegt die Quote sogar bei zwanzig Prozent. Was auch immer wir über Silicon Valley und seine künstlichen Nasen und Brüste denken, die Staaten hinken Korea in Sachen plastischer Kosmetik hinterher.
Wir wollen weiß sein
Wenn man sich umsieht, ist das nicht weiter überraschend. Man braucht bloß die unheimlich populäre Mädchenband Girl's Generation auf YouTube zu sehen, um westliche Einflüsse in Korea zu verstehen. Die Sängerinnen sind seltsam bleich, was nicht am Licht liegt, sondern an der Nachbehandlung im Studio.
"Wir wollen weiß sein", sagt einer der Jungen. Er und sein Freund halten ihre Arme scherzend an meine. Was nur als Witz gedacht ist, birgt ein tieferes Problem: Viele Koreaner fühlen sich in ihrer Haut und Herkunft nicht wohl. Das zeigt ein Beispiel besonders: Jeder der Schüler hat einen Personalausweis dabei. Ausnahmslos alle Fotos wurden digital nachbearbeitet, die Haut blasser gemacht, die Kiefer nachgezeichnet und die Augen vergrößert. Auf diesen Bildern sehen die Schüler gespenstisch gleich aus. Natürliche Unterschiede verblassen vor dem Wunsch, sich dem westlichen Ideal anzunähern.
Ironischerweise sieht "der Westen" natürlich ganz anders aus. Die Klasse hört sichtlich geschockt zu, als ich erzähle, dass wir schwarzes Haar attraktiv finden. Ich eröffne, dass bleiche Haut besonders hässlich sei. Die Schüler zeigen auf meine sommersprossigen Arme, einer ruft aus, "Ich werde nach England ziehen!", und die Stimmung hellt sich auf.
Der Anstieg von Schönheitschirurgie und das künstliche Bleichen der Haut sind im gleichen Maße schlecht für die Gesundheit wie Solarstudios und die Bessesenheit vom eigenen Körpergewicht. Großbritannien hält genau wie die Republik Korea an Standards fest, die weder gesund noch erreichbar sind. Es ist eine schwierige Aufgabe, sich selbst ungeachtet gesellschaftlicher Erwartungen zu akzeptieren; trotz dessen beginnen manche Schüler umzudenken.
"Ich finde natürliche Schönheit besser", sagt ein Mädchen, das den Großteil der Diskussion geschwiegen hat. "Keine Operation, keine Veränderungen." Sie schaut mich an. "Nicht mal für blassere Haut."
Translated from Cosmetic surgery in South Korea: West is Best