Santa Claus ist Türke
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Nele YangWarum feiern wir Weihnachten am 24. Dezember? Und warum schmücken wir einen Tannenbaum? Geschichte eines Festes, das eine echt europäische Erfindung ist.
Im Dezember wird alljährlich ein sehr europäisches Fest begangen: Kinder auf dem gesamten Kontinent warten auf den Weihnachtsmann, Familien versammeln sich und Weihnachtsbäume werden geschmückt. Es mag merkwürdig scheinen, Weihnachten als europäisches Fest zu bezeichnen – Jesus wurde ja im Nahen Osten geboren. Ein näherer Blick auf die verschiedenen Traditionen, die sich um diesen Feiertag ranken, zeigt jedoch: Weihnachten ist nicht nur eine europäische Erfindung, sondern auch ein Fest, dass wir unserer gemeinsamen heidnischen Vergangenheit genauso zu verdanken haben wie unserer christlichen.
Küsse unter dem Mistelzweig
Erst im 4. Jahrhundert wurde der 25. Dezember durch einen Erlass des römischen Kaisers Konstantin zu einem christlichen Feiertag. Die Wahl dieses Datums beweist den starken heidnischen Einfluss auf den Festtag. Zwar wissen Theologen heute, dass das eigentliche Datum von Jesu Geburt im September oder im Oktober liegt. Konstantin jedoch wählte ein vier Monate späteres Datum. Die Entscheidung eines schlauen Herrschers: Nach seinem Übertritt zum Christentum ließ Konstantin das Datum des neuen Festtags mit dem Tag eines damals sehr populären heidnischen Festes zusammenfallen: Die Feiern anlässlich der Wiedergeburt des Sonnengottes fanden alljährlich zur Wintersonnenwende statt, die im damaligen Kalender auf den 25. Dezember fiel.
Eine weitere Weihnachtstradition mit heidnischen Ursprüngen ist das Dekorieren des Heims mit Tannengrün. Wenn wir den Tannenbaum schmücken, Stechpalmenzweige aufhängen oder uns wie die Engländer unter dem Mistelzweig küssen, greifen wir auf heidnische Bräuche zurück. Sie entstanden, lange bevor Weihnachten – oder sogar das Christentum selbst – auf dem europäischen Kontinent Fuß fasste. Schon die Römer verwendeten Lorbeerzweige, um zu Neujahr ihre Häuser zu schmücken. Die Druiden Großbritanniens sprachen immergrünen Bäumen magische Kräfte zu, da sie nie ihre Blätter verloren. Die Tradition des im Hause geschmückten Weihnachtsbaums wurde jedoch erst im Deutschland des 16. Jahrhunderts ein Teil des christlichen Weihnachtsfests.
Die Engländer können sich bei der nordischen Mythologie für den Brauch bedanken, der es ihnen erlaubt, während der Festtage einen heimlichen Kuss unter dem Mistelzweig zu ergattern. Die Mythologie besagt, dass Frigga, die nordische Göttin der Ehe und der Familie, um ihren toten Sohn trauerte. Ihre Tränen verwandelten sich in Mistelbeeren, die ihren Sohn wieder lebendig machten. Vor Freude küsste Frigga jeden, der unter einem Baum mit Mistelzweigen hindurchlief. Die Schotten, Waliser und Iren als "moderne Kelten" Europas haben die Tradition des "Yule log" ebenfalls ihren heidnischen Vorfahren zu verdanken. Währen des „Yule Log“ Kinder schmücken einen kleinen Holzklotz, in dem eine Kerze steckt. Diese Tradition stammt von den Kelten, die zur Wintersonnenwende der "wiedergeborenen" Sonneeinen Holzscheit als Opfergabe darboten.
Von der Mitra zur Wollmütze
Europa war es auch, das Weihnachten um einen so magischen wie liebenswerten Mythos bereicherte: Sankt Nikolaus. Die Spur dieses großzügigen Mannes lässt sich bis ins Kleinasien des 4. Jahrhunderts, die heutige Türkei zurückverfolgen. Als Bischof von Myra war Nikolaus für seine Großzügigkeit berühmt. Einmal rettete er drei arme Schwestern vor dem Verkauf in die Sklaverei, indem er ihnen drei Säcke voll Gold für ihre Mitgift beschaffte.
Sankt Nikolaus ist ein echter Europäer. Seine Legende hat sich in vielen europäischen Ländern verbreitet, der heute allgegenwärtige Weihnachtsmann geht auf ihn zurück. Er ist jedoch auch Vater vieler regionaler Mythen. In den Niederlanden kommt zu Weihnachten "Sinterklass" oder "Sint Nicolaas" auf einem Schiff aus Spanien zu Besuch. Begleitet wird er von seinem schelmisch-boswilligen Gehilfen Zwarte Piet, dem im Deutschen in etwa der Knecht Ruprecht entspricht. In Finnland inspirierte Nikolaus die Legende vom Joulupukki, einem großzügigen alten Mann, der mit einem Schlitten aus Lappland angereist kommt, um artigen Kindern Geschenke zu bringen. Im anglophonen Europa wurde aus Nikolaus „Father Christmas” oder “St. Nick”, wobei die amerikanische Version des “Santa Claus”, abgeleitet vom niederländischen Sinterklaas, immer populärer wird.
Der Weihnachtsmann mag Europas berühmteste Weihnachtsfigur sein, aber nicht er allein ist es, der die Geschenke bringt. In den Nächten um Weihnachten herum wimmelt es am europäischen Himmel nur so von vollzeit beschäftigten, fantastischen Figuren. In Italien werden Kinder von der „Befana“, einer alten Frau auf einem verzauberten Besen, besucht. In Deutschland, der Schweiz und Österreich belohnt das Christkind die Kinder mit Geschenken. In anderen Teilen Europas werden Kinder im Schlaf vom Kleinen Jesus, dem Kleinen Stern oder sogar von den Drei Weisen Männern (den Drei Königen) besucht.
Weihnachten hat Europa nicht nur alte Traditionen zu verdanken. Im Abendland wurden auch der Kommerz des Weihnachtsfestes etabliert. 1904 brachte der Münchener Verleger Gerhard Lang zum ersten Mal einen Adventskalender auf den Markt. Weihnachtskarten und -naschwerk wurden Mitte des 19. Jahrhunderts in Großbritannien populär. 1931 machte eine Werbekampagne von Coca Cola den rot-weiß bemäntelten Santa Claus bekannt. Dieser wird heute auch auf dem alten Kontinent immer populärer – Amerika hat auch in Bezug auf Weihnachten das alte Europa überholt.
Translated from Santa was a Turk