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Querdenken 711: Quarantäne-Skeptiker oder rechtsextreme Brandstifter?

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Translation by:

Rosa Weber

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Seit dem Beginn der Pandemie ist „Querdenken-711“ zu einer der größten Bewegungen gegen die Corona-Verordnungen in Europa geworden. Obwohl ihr Gründer Michael Ballweg behauptet, dass seine „demokratische Bewegung“ pazifistisch wäre, wurde sie bereits mehrfach stark für ihre Aktionen kritisiert.

Als ich das erste Mal die Website der „Querdenken-711“ besucht habe, viel mir zuallererst das Video mit dem Titel „Grundrechte sind nicht verhandelbar“ auf. Laut der Gruppe, die letztes Jahr in Stuttgart gegründet wurde, verletzen die Maßnahmen die zur Bekämpfung der Ausbreitung des Corona-Virus getroffen wurden, insbesondere die Lockdowns, die Bürgerrechte. Beim genaueren Betrachten der Aktionen und der Profile der Anhänger, entdeckte ich allerdings eine Enge Verbindung zu Anhängern von Verschwörungstheorien und -bewegungen, wie beispielsweise QAnon, ein rechtsextremes Netzwerk aus den USA.

Ich wollte die Mechanismen und Praktiken der Bewegung besser verstehen. Allerdings war es unmöglich ein Interview mit jemandem aus der Gruppe zu bekommen. Der Gründer der Bewegung, Michael Ballweg, bekannt für seine ablehnende Haltung gegenüber der Presse, verlangt von Journalisten durch die Unterzeichnung eines Vertrags die Einhaltung ihres Pressekodex. Die deutsche Presse Agentur sieht dies eindeutig als Versuch die Pressefreiheit einzuschränken.

Seit letztem Jahr gehen die sogenannten „Querdenker“ auf die Straßen Deutschlands, um ihre Abneigung gegenüber der Coronamaßnahmen zum Ausdruck zu bringen. Dabei ignorieren sie allerdings jegliche geltende Schutzmaßnahmen. Nach einer Art Winterpause kündigte die Gruppe vor kurzem über ihrer Website und dem Nachrichtendienst Telegram eine neue Welle von Protestaktionen im ganzen Land an.

Die vorhergegangenen Proteste der Querdenker fanden ihren Höhepunkt am 29. August letzten Jahres, als ihre Mitglieder versuchten den Reichstag in Berlin zu stürmen. Während einer Demonstration in Dresden am 13. März wurden zwölf Polizeibeamte verletzt und mehr als tausend Gesetzesverstöße gemeldet.

"Wir sind heute unfreier als wir es noch zu Zeiten der DDR waren"

Laut Ballweg, Gründer und Geschäftsführer bei „Media access GmbH“, sei "es nicht sicher, dass Impfungen wirksam sind“. Er behauptet außerdem fälschlicherweise, dass „viele wissenschaftliche Studien zeigen, dass Lockdowns in keiner Weise dabei helfen den Virus einzudämmen“ und das „selbst die WHO diesen Erkenntnissen zustimmt“. Nach einem Interview, welches Ballweg mit dem rechten Journalisten Boris Reitschuster führte, zeigen die Reaktionen der Öffentlichkeit jedoch, dass er nichtsdestotrotz eine beachtliche Anhängerschaft hat. So heißt es in einem der Kommentare: „Meinen Glückwunsch an Herrn Ballweg und allen anderen Organisatoren, die unsere Freiheit beschützen“. Und in einem anderen: „Wir sind heute unfreier als wir es noch zu Zeiten der DDR waren“.

Bei einer anderen Demonstration in Mannheim im vergangenen Jahr, verkündete Ballweg vor einer Menge Beifall klatschender Anhänger, dass „das Tragen einer Gesichtsmaske ein Symbol politischer Unterdrückung“ sei. Die Gruppierung, die mehr als 27 000 Follower bei Facebook hat, wird auch von dem als Impfgegner bekannten Robert F. Kennedy Jr., dem Neffen des ehemaligen Präsidenten der USA John F. Kennedy, unterstütz. Kennedy Jr. hielt sogar eine Ansprache bei einer ihrer größten Treffen in Berlin.

Verbreitung des Virus der Fehlinformation

Der Querdenker Slogan „Wo einer hingeht, gehen wir alle hin“ ist ein direktes Zitat von QAnon. QAnon beruft sich auf den unbelegten Verdacht, dass Ex-Präsident Donalds Trump einen verdeckten Kampf gehen satanistische Pädophile in der Regierung, Wirtschaft und Medien führe. Die Inhalte, die die Querdenker untereinander austauschen, stehen im eindeutigen Bezug zu diesen Verschwörungstheorien. Die Gruppenmitglieder glauben, dass der Lockdown ein strategischer Schachzug war, um „die vierte industrielle Revolution im Interesse der internationalen Konzerne in Gang zu bringen und damit Big Money, Big Pharma und Big Data zu fördern“, wie es in einem Video auf ihrer Webseite heißt.

Zeiten extremer politischer und gesellschaftlicher Unsicherheit begünstigen die Verbreitung von Fake News, die zu Verschwörungstheorien werden können. Laut Boris Noordenbos, Dozent an der Universität Amsterdam, der sich auf dieses Thema spezialisiert hat, gewinnen Verschwörungen als Folge eines "Verlusts der Sinnschaffung" an Dynamik.

"Im Wesentlichen basieren Verschwörungstheorien auf dem Glauben, dass die soziale und politische Realität im Geheimen von einer Gruppe elitärer Menschen manipuliert wird", sagt Noordenbos. "Die Menschen sind derart programmiert, dass sie aus den Dingen, die ihnen widerfahren, Bedeutung schaffen. Die zufällige Natur der Dinge, in diesem Fall ein Virus, der einfach aufgetreten ist, kann schwer zu akzeptieren sein, weshalb manche auf das Geschichtenmachen zurückgreifen, um Verbindungen zwischen Ereignissen herzustellen", erklärt er weiter.

Eine Bedrohung für die Gesellschaft?

Auf vergangenen Querdenker Demonstrationen waren zwischen QAnon-Postern und T-Shirts auch Reichsflaggen zu sehen. Trotz regelmäßiger Nachfrage über seine Beziehungen zu rechtsextremen Parteien, verneint Ballweg vehement jegliche Verbindung zu derartigen extremen Ideologien. Er betont in so gut wie jedem Interview auf das er sich einließ, dass „es keinen Platz für rechts- oder linksextreme Strömungen oder Gewalt“ in der Bewegung gäbe. Es gäbe auch einen gesonderten Abschnitt auf der Website, der den „pazifistischen“ Verhaltenskodex der Organisation betont. In einem Interview mit dem SWR gab Ballweg zu, rechtsextreme Symbole auf seinen Demonstrationen bemerkt zu haben. Jedoch behauptet er, dass die Flaggen „nur irgendwo verteilt wurden“ und dass die Teilnehmer „sich nicht der Bedeutung der Flagge bewusst waren“.

Es stellte sich allerdings heraus, dass Ballweg ein Treffen im November 2020 mit Peter Fitzek, dem selbsterklärten ‚König von Deutschland‘, organisiert hatte. Fitzek ist ein politischer Aktivist, der mit der Reichsbürger-Bewegung in Verbindung steht, welche wiederum als rechtsextrem und antisemitisch bekannt ist. Laut Angaben der FAZ, welche über den Fall berichtete, wurden Einladungen an ausgewählte Querdenker verschickt, in denen Ballweg die Geheimhaltung des Treffens betonte.

„Die Bewegung ist ein Angriff auf die Demokratie. Sie ist gefährlich“, sagt Michael Blume, Antisemitismusbeauftragter der Landesregierung Baden-Württemberg, in einem Interview mit dem ZDF. Ein weiterer gefährlicher Aspekt der wachsenden Popularität der Gruppierung ist die Verbreitung der Impfskepsis. Eine Umfrage des SPIEGEL zeigte, dass 41% der Befragten sich ab März 2021 auf jeden Fall impfen lassen würden. Die restlichen 59% sind entweder noch unschlüssig (11%) oder geben an, sich höchstwahrscheinlich nicht impfen lassen werden (48%).


Cover Image: photoheuristic

Story by

Default profile picture Sofia Strodt

Sofia Strodt is half German, half Italian and currently based in Groningen, The Netherlands. Previously she has lived in Barcelona and Oslo but her biggest adventure so far was her journey through New Zealand. She wants to be a journalist to make the world a better place. During an exchange semester that was part of her bachelor, International Communication, she followed the course ‘Climate Change Journalism’. Ever since then she wanted to become a professionally trained writer, uncovering issues related to social conflicts and inequalities.

Translated from Querdenken 711: lockdown sceptics or far right agitators?