Proteste in Mazedonien und Montenegro nach Anerkennung des Kosovo
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Barbara CantonWährend mehr als 400.000 Albaner in Mazedonien offen ihre Freude zeigten, nahmen 15.000 Montenegriner still zur Kenntnis, dass die beiden ehemals zu Jugoslawien gehörenden Staaten ihren Nachbarn anerkannt hatten. Die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo liegt nun acht Monate zurück.
Am 9. Oktober heizten Montenegro und Mazedonien die Lage weiter auf, als sie als 49. und 50. Land das Kosovo anerkannten, der am 17. Februar 2008 seine einseitige Unabhängigkeit erklärt hatte. Bosnien und Herzegowina könnten bald folgen, vielleicht sogar Rumänien und Griechenland, zwei der fünf EU-Länder, die die ehemalige serbische Provinz noch nicht anerkannt haben. Überall jedoch wird die Unabhängigkeit mit gemischten Gefühlen betrachtet. Die Mazedonier fürchten sich vor der neuen Sachlage, sind sie doch gebrandmarkt durch die frische Erinnerung an den Kosovokrieg 2001, der sich auch zu einem Mazedonienkrieg ausweitete.
Montenegro ist noch nie so gedemütigt worden.
Montenegro droht unterdessen eine innenpolitische Krise. Oppositionelle Politiker organisierten einen nach ihren Angaben friedlichen Protest. Aber als die Serben ihrem Ärger Luft machten, wurden in den Unruhen am 13. Oktober 34 Menschen verletzt. Andrija Mandic, Führer der Serbischen Volkspartei verkündete, es sei „Zeit, dass die Menschen auf die Straße gehen. Montenegro ist noch nie so gedemütigt worden. Seitdem ein montenegrinischer Staat existiert (der erste eigenständige Staat wurde 1918 aufgelöst) haben wir unseren Brüdern niemals Probleme bereitet. Diese Entscheidung ist rechtswidrig, sie wird von der Mehrheit der Bevölkerung nicht gestützt, und wir werden alles tun, um dagegen vorzugehen.
Montenegro: Eine Entscheidung gegen den Volkswillen
Zwei Jahre nach der Abspaltung von Serbien befindet sich Montenegro in einer Lage, die niemand im Mai 2006, als das Referendum über die Unabhängigkeit von der serbischen Republik abgehalten wurde, für möglich gehalten hätte. Durch ihre gemeinsame Geschichte als Staatenkonförderation nach dem zweiten Weltkrieg sind die beiden Länder auch wirtschaftlich und kulturell miteinander verbunden. Beinahe die Hälfte der Bevölkerung sieht Serbien noch immer als Teil desselben Landes. Deshalb wird die Anerkennung des Kosovo im Oktober als „Dolchstoß“ in den Rücken Serbiens aufgefasst. Dieses Bildes bediente sich auch eine kosovarische Zeitung, was in Podgorica, der Hauptstadt des kleinen, nur 650.000 Einwohner zählenden Staates an der Adria, noch mehr Wut heraufbeschwor. Nach Ansicht des Volkes hätte Montenegro das Kosovo niemals anerkennen dürfen. Umfragen ergeben, dass 85 Prozent der Bevölkerung die Entscheidung nicht gutheißen, und dass die große serbische Volksgruppe wütend ist.
Die Entscheidung, diplomatische Beziehungen mit dem Kosovo aufzunehmen, fiel nur einen Tag, nachdem der Vertreter Montenegros Serbien bei einem UN-Antrag an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag unterstützt hatte, der die Rechtmäßigkeit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo untersucht. „Wir hatten keine Wahl“, sagte Außenminister Milan Rocen nach einer Regierungssitzung in dem Versuch, den Albanern entgegenzukommen. „Serbien wird verstehen, dass es nicht gegen sie gerichtet ist. Es wird unseren Weg in die EU und die NATO beschleunigen. Hätten wir anders gehandelt, hätten wir und eine Menge Probleme eingehandelt“, so Rocen.
Mazedonien: Angst vor der Isolation
In Mazedonien begann der Anerkennungsprozess, als albanische Abgeordnete eine Resolution für das Kosovo verabschiedeten. „Ich bin mir bewusst, dass dies bei einigen Menschen unangenehme Empfindungen hervorrufen könnte“, betonte der konservative Premierminister Nikola Gruevski am 11. Oktober. „Wir handeln gegen unsere eigenen Interessen“, beschwert sich ein mazedonischer Bürger. „Wer garantiert uns, dass nicht dasselbe mit dem westlichen Teil Mazedoniens passiert, in dem der Großteil der Albaner wohnt, wenn wir das Kosovo anerkennen?“
Die albanische Bevölkerung hatte diesen Schritt erwartet. Auch ein kleiner Teil der Mazedonier akzeptiert die neue Situation. „Ein unabhängiges Kosovo ist die einzige Möglichkeit, um die Stabilität und den Frieden in der Region zu sichern. Wenn das Kosovo der Preis dafür ist, dann müssen wir ihn bezahlen.“ Andere Mazedonier fragen sich noch immer, wie hoch dieser Preis sein muss. Müssen wir alle Freunde verlieren und all unsere guten Beziehungen mit unseren Nachbarn zerstören, um den inneren Frieden zu wahren? Wie würden wir es denn finden, wenn plötzlich jemand einen Teil von Mazedonien abtrennen wollte? Unserem Nachbarn ist genau das passiert.
Ungewisse Zukunft
Der montenegrinische Rechtsgelehrte Professor Djordije Blazic meint, dass die Entscheidung der Regierung gegen die Verfassung und internationales Recht verstoße. Auf die Realität hat das wenig Einfluss. Sogar die EU ist bereit, auf ihre zentralen Forderungen zu verzichten. „Bevor Montenegro ein Beitrittskandidat für die Europäische Union werden kann, muss die Verwaltung effizienter gestaltet, die Korruption bekämpft, Verbindungen zwischen der Politik und dem organisierten Verbrechen gekappt, die russischen Investitionen, die ins Land fließen, unter Kontrolle gebracht und eine unabhängige Justiz geschaffen werden“, so forderten offizielle Stellen in Brüssel. Jetzt scheint man bereit, Montenegros Beitrittsgesuch noch vor Ende des Jahres entgegenzunehmen.
Wie es nun weitergeht, weiß niemand. Das Kosovo war 1989 Schauplatz von beträchtlichen Unruhen. Die gegenwärtige montenegrinische Führung kam mit Unterstützung aus Belgrad an die Macht. Wenige glauben daran, dass sie auf dieselbe Weise die Macht auch wieder verlieren könnte. Es wissen auch nur wenige, dass der westliche Teil des Kosovo, auch als Metohija bekannt, zwischen 1918 und 1941 montenegrinisches Territorium war. Man behält jedoch das Bild jenes Wagens voller Demonstranten mit serbischen Flaggen im Kopf, der in den Sonnenuntergang hinein fährt und schließlich aus dem Blickfeld verschwindet. „Der Kosovo wird immer zu Serbien gehören“ hallt das Echo aus der Ferne.
Translated from Riots, reactions in Montenegro and Macedonia after recognising Kosovo