Politiker und Medien - Gefährliche Liebschaften
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Sarah KriegerDie Medien in Europa sind frei? Ein Blick nach Frankreich, Rumänien und Italien.
Eine jährliche Untersuchung der französischen Tageszeitung La Croix über "das Vertrauen der Franzosen in die Medien" spricht Bände über das Journalistenbild der Bürger. Der Meinungsumfrage zufolge denken 57 Prozent der befragten Personen, dass Journalisten dem politischen Druck nicht standhalten können und 54 Prozent, dass sie finanziellen Zwängen unterliegen.
PPDA? Abtreten!
Der unerwartete Abgang von Patrick Poivre d’Arvor (PPDA), jahrelanger Nachrichtensprecher der 20-Uhr-Nachrichten des französischen Fernsehsenders TF1, hat eine lebhafte Debatte über das Verhältnis von Medien und Politik in Frankreich ausgelöst. Poivre d’Arvor hatte sich im November 2007 gegen die Ernennung eines engen Freundes von Präsident Sarkozy zum Nachrichtenleiter von TF1 gestellt. Zudem verglich er Sarkozys Auftreten bei dessen ersten G8-Gipfel mit dem eines "kleinen Jungen". Poivre d’Arvor, der seinen Posten am 10. Juli geräumt hatte, bezeichnet seine Kündigung unverblümt als "politische Entscheidung", die vom Elysée orchestriert worden sei.
Medien-Sarkozy hatte sich schon 2006 unbeliebt gemacht, als Alain Genestar, ehemaliger Redaktionsleiter des französischen Magazins Paris Match, entlassen wurde, nachdem er ein Foto von Cecilia Sarkozy (Sarkozys Exfrau) und Richard Attias veröffentlicht hatte, das die beiden Anfang August 2005 in New York zeigt. Die freundschaftlichen Bande, die der französische Präsident mit einflussreichen Medienbossen unterhält (Arnaud Lagardère hat Anteile an Paris Match und Martin Bouygues hält 42,9 Prozent von TF1, A.d.R.), nähren den Verdacht der Klüngelei.
Außerdem hat Nicolas Sarkozy kürzlich einen allgemeinen Aufschrei provoziert, als er in Erwägung zog, den Präsidenten der öffentlich-rechtlichen Gruppe France Télévisions vom Staatspräsidenten anstatt vom CSA (Conseil supérieur de l’audiovisuel), einer unabhängigen Kontrollinstanz für audiovisuelle Medien, ernennen zu lassen. Pierre Musso, ein Kommunikationsspezialist, sieht in diesem Vorschlag eine "Rückkehr zu den Anfängen". "Die Präsidentschaft von General de Gaulle war durch eine starke Inbesitznahme der Informationspolitik gekennzeichnet. Andererseits wurden die Programme sehr frei gestaltet", analysiert der Autor des Buches Le Sarkoberlusconisme (Der Sarkoberlusconismus). "Jetzt aber mischt sich Nicolas Sarkozy auch in die Programmgestaltung ein." Pierre Musso schlägt vor, die Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in der Verfassung festzuschreiben.
Fifty-fifty in Rumänien
Der rumänische Senat hat am 25. Juni einen Gesetzesentwurf verabschiedet, der die Radio- und Fernsehsender dazu verpflichtet hätte, 50 Prozent 'positive' Nachrichten zu senden. Allerdings hat das Verfassungsgericht das Gesetz bereits für ungültig erklärt. Der rumänische Präsident, Traian Băsescu, hatte den Text unmittelbar in Frage gestellt. Ein Änderungsantrag wurde schließlich abgelehnt.
Trotzdem hat die rumänische NGO Media Monitoring Agency (MMA) im Jahr 2007 "eine Erhöhung des politischen Druckes" auf die Medien festgestellt. Liana Ganea, Nummer zwei von MMA sagt," die Politiker haben ihre Bemühungen zugunsten der Medien seit dem EU-Beitritt im Juli 2007 zurückgefahren". Liana Ganea sieht besonders das Verhältnis des aktuellen Präsidenten zu den Medien kritisch. Sein Verhalten gegenüber Journalisten sei "oft feindselig". 2007 beschimpfte Traian Băsescu eine Journalistin als "dreckige Zigeunerin". Ganea erkenne jedoch an, dass er "immer ein zuverlässiger Partner der NGOs war, besonders für die Medienfreiheit".
Medienmogul Berlusconi
Der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi steht symbolisch für die gefährlichen Liebschaften zwischen Medien und Politik. Der 'Cavaliere' besitzt die drei wichtigsten privaten Fernsehsender des Landes (Rete 4, Canale 5 und Italia 1) und ist Mehrheitsaktionär des größten transalpinen Buch- und Zeitschriftenverlages - Mondadori. Sein Bruder Paolo besitzt die einflussreiche Tageszeitung Il Giornale, seine Ehefrau Veronica Lario hält Anteile der konservativen Tageszeitung Il Foglio.
Nichtsdestotrotz bezieht Pierre Musso gegen die zu einfache These Stellung, die Kontrolle der dargestellten Meinungen falle dem Besitzer eines Privatsenders zu: "Es gibt wenigstens zwei Filter: den Journalisten und den Zuschauer, die keine Idioten sind!" Pierre Musso ruft in Erinnerung, dass Berlusconi trotz seines Medienimperiums zweimal die Wahlen verloren hat. "Mit Herrn Sarkozy und Herrn Berlusconi wurde die Politik von Hörfunk und Fernsehen eingenommen, nicht andersherum", bemerkt er.
Eines ist sicher: Berlusconi hat sich in gefährliche Gewässer begeben. Am 27. Juni enthüllte das italienische Wochenblatt L’Espresso, Berlusconi habe 2007, als er noch der Chef der Opposition war, Agostino Sacca, dem damaligen Generaldirektor von RAI (Radiotelevisione Italia, öffenltich-rechtliche Hörfunk- und Fernsehanstalt), ein geheimes Abkommen vorgeschlagen. Il Cavaliere habe Sacca darum gebeten, bestimmte Schauspielerinnen einzustellen. Im Gegenzug hätte er sich für eine Beschleunigung von Saccas Karriere eingesetzt. Fortsetzung folgt. Doch bei welchem Sender?
Translated from Hommes politiques et médias : des liaisons dangereuses ?