Pole to Paris: Mit dem Rad um die halbe Welt
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Janina HeelIm November 2015 reisten Menschen aus allen Teilen der Welt zur Klimakonferenz (COP21) nach Paris. Für manche von ihnen dauerte die Reise aber etwas länger. Daniel Price, Initiator des Projekts „Pole to Paris“, machte sich mit dem Rad von der Antarktis aus auf den Weg nach Paris.
Jeder weiß, dass man den eigenen CO2-Fußabdruck reduzieren kann, wenn man Rad anstatt täglich mit der überfüllten U-Bahn fährt. Für Daniel Price war der Weg zur Klimakonferenz allerdings länger als erwartet, insgesamt um die 10 000 Kilometer. Er ist vom Nördlichen Polarkreis aus gestartet und um die halbe Welt zur Klimakonferenz (COP21) in Paris geradelt.
Mehr als ein „ausgeflippter Typ auf dem Rad“
Daniel ist Initiator des Projekts „Pole to Paris". Seine Mission hieß: sieben Monate mit dem Rad durch 19 verschiedene Länder. „Das Projekt entstand aus Frustration“, erklärt er. Während er seine Doktorarbeit über die Antarktis schrieb, beschloss er, dass er sich nicht nur in der Theorie mit dem Klimawandel beschäftigen, sondern selbst aktiv werden wollte. „Ich engagierte mich immer mehr in der Klimabewegung, bis ich irgendwann verstand, wie groß der Graben zwischen der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft zum Thema war. Wenn nur genug Leute die tatsächliche Tragweite des Klimawandels verstehen würden, bestünde Grund zur Hoffnung, dass sich auch die Politiker stärker für das Problem einsetzen würden.“
Nachdem er 2014 seine Doktorarbeit fertig geschrieben hatte, beschloss er, sich auf sein Rad zu schwingen und etwas zu unternehmen. Daniel arbeitete mit einem Team von acht Freiwilligen zusammen, die seine unglaubliche Reise und die des Co-Initiators Erlend Moster Knudsen unterstützten. Erlend hat es sich zum Ziel gesetzt, zu Fuß den kompletten Weg von der Arktis bis nach Paris zu laufen. Indem sie zur Klimakonferenz liefen bzw. radelten, wollten sie auf den kritischen Zustand des Planeten aufmerksam machen.
„Ein anderes Problem mit dem Klimawandel ist, dass er für viele einfach unglaublich langweilig ist“, gibt Daniel aber auch zu. „Ich dachte, dass die beiden Reisen ein guter Weg sein könnten, Leute dazu zu bewegen sich auch zu engagieren. Auch wenn sie sich nicht für Klimawandel interessieren, könnten sie durch unsere Aktion zumindest sagen: 'Oh, da ist dieser verrückte Typ auf dem Fahrrad.' Vielleicht fangen sie dann so an, über das Problem zu sprechen oder einen Artikel darüber in der Zeitung zu lesen.“
Sein Weg nach Paris begann aber lange bevor er sich aufs Fahrrad setzte. Er war schon immer fasziniert vom Meer - als Kind war er mit seinem Vater viel segeln - aber Klimaforscher zu werden war eigentlich nicht sein großer Traum.
„Als ich klein war, wollte ich Jagdflieger werden!“, erklärt er. „Ich flog auch in einer Londoner Kadetten-Fliegerstaffel.“ Daniels Interesse schwand allerdings mit seinem Umzug nach Wales. Mit dem Golfkrieg war das Thema dann komplett erledigt. Er arbeitete danach für die Royal National Lifeboat Institution und entdeckte dabei seine Faszination für das Meer wieder. Und schließlich bewarb er sich für ein Studium der Meeresgeologie in Cardiff. Vor dort aus führte ihn seine Leidenschaft so weit weg wie nur möglich, nämlich nach Christchurch, Neuseeland. Dort befindet sich einer der zentralen Punkte, von denen aus Wissenschaftler Zugang zur Antarktis haben.
Einfach immer weitertreten
In dem halben Jahr seiner Reise hat er hunderte unvergessliche Momente erlebt, einen ganz besonderen erlebte er aber in Jakarta. Dort schlossen sich Daniel 500 weitere Radfahrer an, um von der Indonesischen Regierung mehr Handeln gegen den Klimawandel einzufordern. Er hielt dort aber nur einen von dutzenden Vorträgen. „Es ist ganz schön anstrengend einerseits die körperliche Herausforderung zu meistern und dann zu versuchen, das Projekt quasi unterwegs zu realisieren. Das Schwierigste ist jeden Abend anzukommen und dafür zu sorgen, dass alles seinen richtigen Weg geht.“
Sein nächster Stop lautete dann Bangladesch. Die Einwirkungen des Klimawandels auf das Land haben Daniel Price mitgenommen. Zyklone gab es in Bangladesch schon immer, aber wenn die Winde stärker werden und der Meeresspiegel ansteigt, treffen die Folgen Bangladesch als eines der ersten Länder. Als er vor Ort war, bekam er das Angebot, eine Dokumentation über dieses Thema zu drehen und diese bis März fertig zu stellen. „Es hilft das große Ganze der Reise besser zu sehen,“ erinnert er sich. „Man denkt zuerst an eine Art Hollywoodfilm - ‚Der Meeresspeigel steigt an, oh nein!’ - aber das größte Problem, mit dem das Land zu kämpfen hat, ist die Versalzung des Grundwassers. Millionen von Menschen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Das zu verstehen, war ziemlich erschütternd.“
Daniel und Erlend hatten aber nicht nur mit ihren persönlichen Herausforderungen zu kämpfen. Nach den Anschlägen von Paris am 13. November 2015 wurden einige von Erlends Laufevents abgesagt. Pole to Paris veröffentlichte eine Nachricht der Solidarität mit den Opfern. Gleichzeitig wollte Daniel aber nicht zulassen, dass diese Tragödie von der globalen Katastrophe ablenkt und setzte seine Tour bis zum Ende fort.
Das Schiff über Wasser halten
Als der Eiffelturm schließlich näherkam, kreuzten sich die Wege von Daniel und Erlend wieder: „Wir haben die Geschichten der Menschen erzählt, die wir auf unserer Reise getroffen haben. Wir wollten die Menschen zeigen, die von den Folgen des Klimawandels betroffen sind.“
Vor der COP21 war Daniel verhalten optimistisch, was das mögliche Ergebnis der Konferenz angeht. „Das Schlüsselwort ist ambitioniert“, erklärt er. „Uns fehlen die wichtigen Entscheidungsträger, die es in dieser schwierigen Zeit unbedingt braucht. Weißt du, wir brauchen eine dieser JFK-Reden wie damals zur Mondlandung.“
War die Klimakonferenz also ein Erfolg? Daniel sagte nach der Konferenz, dass er „ziemlich erstaunt“ war über die ambitionierten Formulierungen des Abkommens, aber am Ende doch von einigen Details enttäuscht war. Er wünscht sich, dass Energiekonzerne zum Ausbau erneuerbarer Energien gezwungen werden. „Für die Branche ist in diesem Jahrhundert Schluss. Letztlich ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis in welches Jahrzehnt sie sich noch retten können. Wieso springen sie also nicht auf das neue Boot auf zum Wohle aller, sondern sehen dabei zu, wie ihr Boot sinkt und dabei auch noch unseres in Brand setzt?“
Wenn es darum geht, sein eigenes Boot über Wasser zu halten, scheinen die Lektionen seines Vaters mehr als zu fruchten. Aber das eigentliche Rennen hat jetzt erst begonnen. Nach Paris ging es für Daniel zurück nach Großbritannien, um an dem Dokumentarfilm zu arbeiten, den er in Bangladesch gedreht hat. „Wenn das im Kasten ist, steht erstmal nichts an, außer mich zu entspannen und das aufregende letzte Jahr Revue passieren zu lassen.“
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Das Interview mit dem Ko-Direktoren von Pole to Paris, Erlend Moster Knudsen, war Teil des cafébabel-Projektes #21faces im Rahmen der Weltklimakonferenz 2015 in Paris.
Translated from Pole to Paris: Cycling from the bottom of the world