Paris la nuit: Reinfeiern in bessere Zeiten
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Bertram LangParis, die "tote Stadt", Paris, die "Hauptstadt der Langeweile"…Die Ende 2009 vorgebrachte Petition unter dem Titel "Paris: Leise geht die Nacht zugrunde" hatte eine klare Botschaft: Es herrscht Katerstimmung im Pariser Nachtleben. Nun, vier Jahre später, scheint nicht zuletzt dank neuer Konzepte wie Concrete endlich wieder Schwung in die partymüde französische Hauptstadt zu kommen.
Eine Begegnung mit den neuen Nachtschwärmern.
Wir schreiben das Jahr 2008. In Frankreich wird die Zigarette aus allen öffentlichen Plätzen verbannt. Ganz vom Enthusiasmus für den Nichtraucherschutz beseelt, versäumt es der Gesetzgeber jedoch, diejenigen Orte zu definieren, an denen die verbliebenen Raucher weiter ihrem Laster frönen können. Risiken und Nebenwirkungen? Die Gehsteige vor den Bars und Restaurants fortan werden zur neuen Zufluchtsstätte des aus den Bars vertriebenen Rauchers, der sich dadurch wiederum sogleich dem unnachgiebigen Zorn aller Anwohner ausgesetzt sah.
Nuits Capitales? Kalte Dusche für Pariser Nachtleben
Das Echo von 2008 breitete sich damit sofort weit über den Kreis jener unnachgiebigen Raucher aus und hallte in den Ohren unbescholtener Bürger wie eine Kriegserklärung an die öffentliche Nachtruhe wider. Jede Party wurde von nun an zum Schlachtfeld zwischen Ruhestörern und Spießbürgern, mit allen unterhaltsamen und frustrierenden Folgen.
Wer hat uns die Party versaut?
Nur ein Jahr später brummt der französischen Partyszene der Schädel: Beschwerden und Klagen am Fließband, Anwohnerinitiativen gegen den Lärm und Zwangsschließungen von Klubs machen immer mehr feuchtfröhlichen Partynächten den Garaus. Die ständige Furcht vor dem Ordnungsamt macht es den Klubbesitzern und DJs immer schwerer, ihre Party-Träume zu verkaufen.
Um diesem Übel entgegenzuwirken, initiierte Éric Labbé bereits 2009 die Petition "Paris: Leise geht die Nacht zugrunde" (Paris: Quand la nuit meurt en silence), um der Pariser Nachtszene wieder neues Leben einzuhauchen. Sein Hauptanliegen? "Ein Gegengewicht schaffen!" Labbé erinnert sich an die damalige Stimmung: "Wir hatten dieses diffuse Gefühl, dass es mit dem Pariser Nachtleben stetig bergab ging, dass die Leute immer mehr von Trägheit und Langeweile erfasst wurden."
Der 'Appel an die Nacht' schlägt ein wie eine Bombe: Neben der einhelligen Unterstützung durch Künstler, Organisatoren und Clubbesitzer findet die Petition auch beim breiten Publikum riesigen Anklang. Ein Jahr nach der drohenden Abenddämmerung können die Akteure des Pariser Nachtlebens nun endlich wieder auf bessere Zeiten anstoßen.
"Seitdem haben sich eine Menge neuer Initiativen gegründet, die dem Pariser Nachtleben wieder Farbe verleihen", verkündet Éric. Die französische Künstlervereinigung mit dem deutschen Namen "Die Nacht" war eine der ersten, die sich an die vereinzelte Verlagerung des Pariser Nachtlebens in die Vororte heranwagte. In einem Industriegebiet in Bobigny verwandeln sich plötzlich frühere Kalksteinbrüche und verlassene Fabriken für einen Abend in belebte Partyhöhlen. Als nächstes verbreiten sich die "Sundae-Abende", die, getreu ihrem Namen, jeden Sonntag zwischen 15 und 23 Uhr den helllichten Tag zur Nacht machen. Der Erfolg dieses Konzepts hat für Brice gezeigt, "dass man auch außerhalb von Klubs was Alternatives und Undergroundmäßiges machen kann".
Brice ist der Mann hinter den Kulissen der "Concrete"-Partys, die als eins der vielen neuen Projekte, die derzeit in und um Paris gedeihen, sicherlich am besten die Renaissance qualitativ guter Techno-Partys repräsentieren. Das Erfolgsgeheimnis dieses Konzepts lässt sich in zwei einfache Worte fassen: Keine Anwohner! Denn als innovative Location für die zweimal im Monat – ursprünglich jeweils von 7 Uhr morgens bis 2 Uhr nachts – stattfindenden Partys, die jedes Mal aufs Neue ausverkauft sind, haben sich die Organisatoren kurzerhand ein Schiff am Ufer der Seine ausgesucht. Und in der Tat: Nur wenige andere Organisatoren können sich heute rühmen, regelmäßig gut 2000 Personen zu einer Party im Herzen von Paris zusammenzubringen.
Dabei sah das Ganze ursprünglich wie ein sehr gewagtes Unternehmen aus. Anders als die Berliner haben die Pariser keine wirkliche After-Party-Kultur. Wer nicht scharf darauf ist, in miefigen Kellern abzuhängen, hat es in Paris schwer, bis in den Morgen hinein weiterzufeiern. Brice war einer der ersten und einzigen, die diese Nische für sich entdeckten: "Seit 10 Jahren haben sich die Leute gelangweilt. Also haben wir uns gesagt, dass unser neues Konzept auf jeden Fall hinhauen muss." Und tatsächlich war es, als ob ganz Paris nur darauf gewartet hätte.
Techno-logisch
Gut zwanzig Jahre ist es nun her, dass ganz Europa und insbesondere Frankreich am Ende der 1980er Jahre der elektronischen Faszination des Techno verfielen, der soeben aus Detroit nach Europa herübergeschwappt war. Ende der 1990er Jahre veränderte die aus Chicago kommende House-Bewegung mit "Raves, bei denen Garnier auflegte" die Lage. Die so genannten Raves werden vom Boom der Free Party auf offenem Felde erfasst, "die vor allem aufgrund von einschlägigen Fernsehreportagen so einen Hype ausgelöst haben", wie Brice feststellt.
Wenn ich heute nach Berlin gehe, spricht mich jeder sofort auf Concrete an.
Andererseits, und noch offensichtlicher, "gab es halt noch Ibiza, David Guetta und das ganze andere mega-kommerzialisierte Zeug." Es ist ein Alleinstellungsmerkmal von Concrete, die Brücke zwischen anarchistischen Raves und dem kommerzialisierten Jet-Set-Clubbing zu schlagen. "Wir haben uns von Anfang an gesagt, dass wir kein reines Underground-Event organisieren wollten, das nur Techno-Fans anziehen würde. Unser Ziel war es, das gleiche Niveau wie London und Berlin zu erreichen und Techno-Musik für ein breites Publikum zugänglich zu machen.
Andy Warhol, Gangster und Nutten
Noch vor nicht allzu langer Zeit war es nicht ungewöhnlich, dass Pariser Partygänger auf der Suche nach coolen Party-Locations mit einem qualitativ ansprechenden Musikprogramm für ein Wochenende nach Berlin oder London flogen. Doch laut Brice hat sich die Ausstrahlungskraft von Paris schon jetzt wieder deutlich verbessert: "Die Künstler lieben es, nach Paris zu kommen. Noch vor ein paar Jahren war es eine Herkulesaufgabe, gute Künstler hierherzulocken. Aber jetzt kommen die Künstler von selbst auf uns zu, um bei den Concrete-Partys auflegen zu dürfen und im Allgemeinen spielen sie lieber in Paris als in Berlin. Wenn ich heute nach Berlin gehe, spricht mich jeder sofort auf Concrete an. Das ist gerade das angesagteste Ding überhaupt, bestimmt auch weil es in so kurzer Zeit aus dem Nichts heraus entstanden ist." Und die Pariser? "Die haben sich noch nicht dazu durchgerungen, auch mal ein bisschen stolz auf diese neue Kultur zu sein."
Wie dem auch sei, Brice hat erreicht worauf er aus war: Leute zusammenzubringen. Denn Concrete ist auch und vor allem aus einer Idee der Zusammenkunft geboren. Wie die Organisatoren stolz hervorheben, machen die vielen unterschiedlichen Elemente dieses Konzepts den perfekten Mix aus, in dem sich die legendären Partys im "Palace" der 1980er-Jahre widerspiegeln: "Da hattest du in der einen Ecke Andy Warhol und in der nächsten Nutten, Tunten und Gangster. Dieser Mix war es, der zu einer echten Party dazugehörte."
Kurzum, einiges bewegt sich derzeit in der französischen Hauptstadt. Immer mehr After-Partys nach dem Vorbild von Concrete schießen derzeit aus dem Boden und dank 6b, Ferme du Bonheur, Pigallion, dem Weather, Marvellous und anderen Festivals kann man künftig wieder sagen, dass in Paris auch um fünf Uhr morgens noch die Lichter angehen.
Illustrationen: ©Lara Kiosses
Translated from Paris : les lendemains qui chantent