Palya Bea: ‘Europa, dieses etwas vollschlanke Freuden mädchen’
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jens wiesnerVom Dorfmädchen zum internationalen Cannes Starlet: die 30-jährige Künstlerin begeistert mit ihrer Mischung aus ungarischer Folklore, Jazz und orientalischer Lyrik.
Ihr bisheriges Leben gleicht dem eines Märchens. Ein Märchen, in dem ein Mädchen aus einem winzigen, abgelegenen Dorf ganz Europa in seinen Bann zieht. 2004 sang sie im internationalen Team der Athener Kulturolympiade, ein Jahr später schrieb sie die Filmmusik zu Transylvania des französischen Regisseurs Tony Gatlif, in dessen Produktion sie außerdem eine der Hauptrollen spielte, für die sie zum Film-Festival nach Cannes eingeladen wurde. 2006 unterschreibt Beáta Palya einen Plattenvertrag bei dem französischen Label Naïve (Pink Martini, Carla Bruni) und ist 2007 auf zahllosen nationalen wie internationalen Bühnen zu finden. Ein Treffen mit ihr zu vereinbaren, gestaltet sich als fast unmöglich, so randvoll ist ihr Terminkalender. Allein in diesem Jahr wurde sie zu Ungarns Botschafterin für Gleichberechtigung gewählt und erschien auf dem Titelbild eines französischen Frauenmagazins: Es scheint, als sei sie einfach überall.
Covergirl
Zu unserem Treffen erscheint ein freundliches, unbeschwertes Mädchen. In diesem Moment erinnere ich mich an ein Interview, in dem sie sich vor einem Jahr als "nomadischen Vogel außerhalb der Gesellschaft" bezeichnet hatte. Danach gefragt, wie sehr sie die aktuelle mediale Aufmerksamkeit beeinflusst hat, antwortet sie: "Poesie, emotionale Nähe in Liedern, Gegentrends, Schwimmen, Yoga, Wasser, Handys ausschalten und Schreiben: Diese Dinge werden nie zu Berühmtheit führen, aber sie geben mir Energie und das Ergebnis war letztendlich positiv. Es ist wunderbar, meine Karriere als Musikerin blühen zu sehen."
"Meine Kunst ist musikalisch und menschlich", so die ehemalige Frontfrau der ungarischen Folkband Kárpátia. "Die Menschen suchen nach Werten und ich antworte darauf in meinen Liedern mit sehr verschiedene Themen: Liebe, auf der Straße unterwegs sein, Nein sagen zu können, eine Frau zu sein, ein Kind oder ein Ehemann. Ich mag es, wenn man sich meine Musik anhört. Wenn man sie sich wirklich anhört. Richtet man sie gleichzeitig an die Ohren und das Herz, kann gute Musik zu machen ein Weg sein, die Massen zu bedienen."
Und da diese ihre Musik tatsächlich anhören, wird sie überall auf der Welt eingeladen aufzutreten. Gerade weil sie so viel unterwegs ist, sieht sie diese Städte interessanterweise als Menschen an, als Freunde. "Paris ist eine Frau – eine geschwätzige Frau, die bunte Kleider trägt. Eine Frau, die manchmal zuviel redet, um ihr Innerstes zu verbergen. Amsterdam ist verdorben, aber es leuchtet in seiner Verdorbenheit. Gleichzeitig ist Amsterdam frei: Während man dort Rad fährt, kann man die Enten in den vielen Grachten oder Kaninchen beobachten, ganz so wie in einem kleinen Dorf. Im Augenblick fühle ich mich, als wäre ich die ganze Zeit über in Bewegung. Diesen sicheren Ort in Budapest zu haben, ist sehr angenehm, aber ich höre nicht auf, von dort aus hin und her zu pendeln. Im Grunde genommen bin ich überall zu Hause. Ich fühle, dass ich überall, sei es in Paris, Brüssel, Amsterdam, Sofia oder London mit demselben guten Gefühl herumgehen und mich umsehen kann."
In Vielfalt geeint
Während Palya Bea ihre Geschichten erzählt, werde ich von ihrem Herzschlag, ihrer Art zu leben mitgerissen und erinnere mich plötzlich an das Motto der EU: "In Vielfalt geeint." Natürlich, genau davon handelt meine Musik. Ich mag diese Art der kulturellen Vielfalt. Aus den einzelnen Stücken verschiedener Kulturen schaffe ich etwas Neues in mir. Und dieses Neue ist Einigkeit. Ich nehme mir immer zwei Dinge, die mich neugierig machen; Dinge, die irgendwohin führen. Jüdische Musik oder die Musik vom Balkan sind zwei Gebiete, die man das ganze Leben lang erforschen kann. Darin liegt eine solche Schönheit, so große rhythmische und melodische Variationen. Dasselbe gilt für die anderen Elemente, die ich benutze, wie 'Zigeunermusik', ungarische Volksmusik oder orientalische Stücke. Aber da ich nur ein Leben zur Verfügung habe und selbst diese Zeit kurz ist, versuche ich, nur das Beste aus allen diesen Materialien auszuwählen."
Palya Bea freut sich über die EU-Osterweiterung, da diese es ihr erlaubt, ungehinderter zu reisen, um Musiker zu treffen und auf diese Weise mehr Musik zu entdecken. "Der Balkan ist eine Schatzgrube, aber man muss vorsichtig mit ihm sein. Ich würde es bedauern, all jene Werte, die von den alten Kulturen geblieben sind, verloren gehen zu sehen. Es ist unentbehrlich, dass Europa, dieses etwas vollschlanke Freudenmädchen, nicht die Machos des Balkans am Kragen packt wie die fette Frau aus Fellinis Amarcord ihre Kinder. Sie muss stattdessen verführerisch sein und sanft verführt werden, um zu einer wahren und vereinigten Liebe zu gelangen.
Translated from Palya Bea: 'The Balkans are a treasure cove'