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Olympischer Wind der Veränderung in China?

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Default profile picture Eva Hausteiner

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Demonstrativer Enthusiasmus im Vorfeld der Olympischen Spiele kann nicht darüber hinwegtäuschen: Die positiven Effekte auf die chinesische Wirtschaft und die Menschenrechte werden minimal bleiben.

© beijing2008.cnLiu Qi, Präsident des Organisationskomitees für Peking 2008, zählte bei der Endpräsentation vor der Vergabe der Olympischen Spiele einige Argumente zugunsten Chinas als Gastgeber auf: “Die Olympischen Spiele 2008 in Peking werden dem ökonomischen und sozialen Fortschritt zugute kommen“, so Liu Qi. “Auch die Menschenrechtslage wird sich dank der Spiele verbessern.“ Liu erwähnte zudem die steigende Anzahl derer in China, die Sprachkurse besuchen oder durch Kompakt-Übungen in Zeitungen Englisch lernen, um “sie alle freundlich und auf vertraute Weise willkommen heißen zu können. Über 95 Prozent der Bevölkerung unterstützen unsere Bewerbung: Sie sind überzeugt, dass die Spiele ihre Lebenssituation verbessern werden“, fügte er hinzu. Experten sind da anderer Meinung.

Zu hohe Erwartungen

Einige Anzeichen sprechen für einen geringfügigen positiven Effekt der Spiele auf die Wirtschaft im Land des Lächelns, während andere Beobachter glauben, dass sie der lokalen Wirtschaft sogar schaden. Viele Berichte indes nehmen an, dass der Gesamteffekt vernachlässigbar gering sei. Ian Kernohan, Wirtschaftsexperte der englischen Investmentfirma Royal London Asset Management, teilt letztere Einschätzung. “China ist ein riesiges Land, und Peking macht weniger als ein Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Der direkte wirtschaftliche Effekt von Olympia auf China insgesamt ist daher recht gering“, so Kernohan. „Die Auswirkungen auf Peking im Vergleich sind natürlich viel größer. Aber bedenkt man, dass alle Bauten fertig gestellt sind und dass die Spiele in wenigen Wochen wieder vorbei sind, ist klar, dass viel von dem Aufschwung schnell verfliegen wird.“

Aber Wandel ist nicht nur eine Frage ökonomischer Entwicklung. Seit dem Erfolg der Olympiabewerbung sind alle Augen auf China und sein Versprechen, die Menschenrechtssituation zu verbessern, gerichtet. Amnesty International spielt hier, mit seinen vier Kampagnenschwerpunkten Todesstrafe, Haft ohne Gerichtsverfahren, Zensur und Behandlung chinesischer Menschenrechtler, eine wichtige Rolle. Mark Allison, Experte für Ostasien, zieht Fazit: „In den meisten Bereichen konnten wir keine Verbesserungen beobachten, sondern eher Verschlechterungen. Und das nicht etwa trotz der Olympischen Spiele, sondern gerade wegen ihnen.“

Menschenrechte - alles inszeniert?

Allison führt den Fall von Ye Guozhu an, der sein Restaurant im Rahmen der Zwangsräumungen in Peking verloren hat. “Er beantragte eine amtliche Erlaubnis, um eine friedliche Demonstration zu organisieren. Schon das reichte für seine Verhaftung und eine vierjährige Gefängnisstrafe“, so Allison. „Er sollte in dieser Woche freigelassen werden, doch vor einigen Tagen hat ihn die Polizei an einen unbekannten Ort gebracht, um ihn ‘von Schwierigkeiten fern zu halten’.“

© lensfodder / Flickr

Für Allison ist das keine Ausnahme, sondern Teil eines größeren Musters, das mit dem Herannahen der Spiele immer deutlicher wird. Er berichtet von einem Landrechtsaktivisten im Nordosten Chinas, der eine Kampagne zur Entschädigung landenteigneter Bauern initiierte. Doch er wurde zu fünf Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Laut Allison wurden beide Männer im Gefängnis gefoltert. “Das Hauptziel der Behörden ist es, dieses inszenierte Trugbild von Stabilität und Harmonie dem Rest der Welt vorzuführen.“

Obwohl in Sachen Todesstrafe gewisse Verbesserungen erreicht wurden - etwa 2007 mit dem Versprechen künftiger Revisionen durch den Obersten Gerichtshof -, ist Amnesty International immer noch alarmiert wegen mangelnder Transparenz. “Wir begrüßen diese Reform, aber niemand wird den tatsächlichen Effekt beurteilen können, solange die Behörden keine Zahlen veröffentlichen. Immer noch wird die Anzahl der Getöteten wie ein Staatsgeheimnis behandelt.“

Erhebt eure Stimme!

“Wir erleben hier mit, wie die Polizei die Olympischen Spiele als Vorwand benutzt.“

Ein weiteres Dauerproblem konnte eingedämmt werden: die berüchtigte ‘Umerziehung durch Arbeit‘. Doch obgleich angesehene Intellektuelle öffentlich diese Praxis von Gefängnisstrafe ohne Möglichkeit der Verteidigung, des Prozesses oder der Berufung verurteilt haben, werden laut Amnesty “mehr und mehr Verbrechen“ auf diese Weise geahndet. “Wir erleben hier mit, wie die Polizei die Olympischen Spiele als Vorwand benutzt.“ Ein Teil der Verantwortung liegt laut Allison beim Internationalen Olympischen Komitee. “Das angebliche Bestreben, sich ‘stiller Diplomatie’ zu bedienen, ist unseres Erachtens ohne Wirkung geblieben.“

Dennoch betonte IOC-Präsident Jacques Rogge während der Demonstrationen um den Fackellauf im April den apolitischen Charakter des Komitees. “Das IOC respektiert die NGOs und Aktivistengruppen und ihre Anliegen, und es setzt sich regelmäßig mit ihnen auseinander - aber wir sind keine politische oder aktivistische Organisation. Wir glauben, dass sich China verändern wird, wenn sich das Land dem prüfenden Blick von 25 000 Medienvertretern unterzieht, die für die Spiele erwartet werden. Die Olympischen Spiele sind eine positive Kraft, ein Katalysator des Wandels, aber kein Allheilmittel gegen alle Übel“.

2009 könnte ein nicht minder interessantes Jahr für China werden. Das Jubiläum der Volksrepublik und der 20. Jahrestag des © Sha3bi1Beijing / Flickrs könnten die Regierung unter noch größeren Druck setzen. Während manche eine langsame Lockerung der Einschränkungen erwarten, glauben laut Allison viele Menschen, dass dies vielleicht nur der Anfang ist. “Die Olympischen Spiele könnten als Test dafür dienen, mit wie viel China davonkommen kann. Unserer Einschätzung nach versucht man auszutesten, ob die internationale Gemeinschaft reagieren wird oder nicht. Genau deshalb ist es so wichtig, dass die Leute jetzt an die Öffentlichkeit gehen und ihre Stimme erheben.“

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