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MyRefuge: Die weltweite Flüchtlingshilfe in einer App

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Translation by:

Patrick Grosse

Gesellschaft

Obwohl Bürger in Europa helfen, fehlt vielen Flüchtlingen immer noch ein Dach über dem Kopf. "MyRefuge", eine neue britische App, bringt sie mit Personen in Verbindung, die ihre Wohnung mit ihnen teilen wollen. Mit einem Crowdfunding deckten die Entwickler erste Kosten. Nach nur acht Tagen war das Ziel von 1000 Pfund sogar übertroffen. Cafébabel hat mit Gründer Sholi Loewenthal gesprochen.

cafébabel: Erzähl’ uns von dir. Wer bist du?

Sholi Loewenthal: Ich bin 32 Jahre alt, geboren und aufgewachsen in London. Ich habe eine Ausbildung in Soziologie, Politik, Globalisierung, Führung und im öffentlichen Bereich. Dann war ich für ein paar Jahre in der Öffentlichkeitsarbeit. Mein Job war es, Kooperationen zwischen öffentlichen, privaten, wohltätigen und Gemeindeorganisationen zu organisieren. Seit über zehn Jahren interessiert mich die Rolle des Internets; eigentlich seit den späten 90ern, seit ich es nutze.

cafébabel: Wann und wie hattest du die Idee eine App zu entwickeln, die Flüchtlingen hilft eine Unterkunft zu finden?

Loewenthal: Ich verfolgte, wie die Flüchtlingskrise immer größer wurde und sah in den Nachrichten, dass manche Personen ihre Wohnung anboten. Ich sah auch, dass „Refugees Welcome“ in Deutschland 132 Flüchtlinge vermitteln konnte. Viele tausend Flüchtlinge brauchten eine Plattform, auf der die Suchenden in Kontakt mit den Anbietern einer Wohnung treten können, um mehr Vermittlungen zu erzielen. Besonders wenn es einen Weg gäbe, NGOs zu integrieren, sodass sie die Flüchtlinge begleiten – so wie jetzt nur 100 Prozent einfacher.

Ebenso schien es mir, dass wir eine globale Plattform brauchen, um allen Menschen zu erlauben, eine Rolle in der Flüchtlingshilfe zu spielen. Es ist nicht gut, dass die Last nur auf Europa liegt. Es gibt eine Teile der Welt, die eine gute Lebensqualität für Flüchtlinge bieten und wo sie ihren Beitrag zur Gesellschaft beisteuern können. Die Welt muss zusammenarbeiten, um Menschenleben zu retten, und wir brauchen dieses Werkzeug, das auf globaler Ebene funktioniert und dafür schlaue Technologien nutzt.

cafébabel: Gibt es andere Personen, die außer dir am Projekt arbeiten?

Loewenthal: Es gibt zwei Entwickler, Freunde, Nelson Yeung und Cas Nadel haben von Anfang an freiwillige Arbeit geleistet, um die App zu entwickeln. Andere Freunde und Personen, die das Projekt inspiriert hat, helfen ebenfalls, um das Projekt bekannt zu machen und so weiter.

cafébabel: Du bist der Direktor von Humanity Online, welche Idee steckt hinter dem Unternehmen? Ist deine Arbeit für Humanity Online ein Grund für das Mitgefühl für Flüchtlinge?

Loewenthal: Humanity Online ist ein Unternehmen, das Technologien entwickelt, um Menschen zu helfen, zusammenzuarbeiten und effektiv und konkret die großen Themen unserer Zeit anzusprechen. Unser aktuelles Projekt ist gerade in der Entwicklung und hat EU-Mittel bekommen, es heißt „engage.re“. Es ist ein Werkzeug für die Zusammenarbeit in sozialen Netzwerken, das Projektmanagement aus der Sicht der Gesellschaft sieht. Es ermöglicht Privatpersonen und Organisationen Ziele der Gesellschaft gemeinschaftlich zu erreichen. Es ist ein aufregendes Werkzeug und wir glauben, es wird eine radikale Erfindung in der Welt der sozialen Netzwerke sein. Wir wollen in ein paar Monaten anfangen, es zu testen.

cafébabel: Wie lautet das übergeordnete Ziel von MyRefuge?

Loewenthal: Wir wollen, dass Privatpersonen eine Rolle in der Flüchtlingshilfe spielen können. Auch wenn die Regierungen guten Willen zeigen, wird es am Ende immer die Gesellschaft sein, die die Flüchtlinge in ihrem Umfeld aufnimmt und die diesen humanitären Kraftakt eher zu einem Erfolg, als zu einer Katstrophe werden lässt. Gemeinschaftsunterkünfte von Flüchtlingen sind darüber hinaus nicht ideal und führen eher zu Abschottung, als zu Kontakt zur neuen Gesellschaft.

Bürger, die eine aktive Rolle spielen, indem sie ihre Wohnung anbieten, sprechen diese beiden Probleme an. Erstens werden Flüchtlinge herzlicher empfangen und finden schneller Anschluss über Freunde und Bekannte ihrer Mitbewohner. Zweitens werden Flüchtlinge eher davon abgehalten abgeschottete Gruppen zu bilden. Ebenso wichtig ist es, dass Bürger eine Ressource für die Regierung darstellen. Nehmen sie mehr Menschen auf, kann die Regierung mehr Flüchtlinge ins Land lassen.

cafébabel: Welche Funktionen wird die App haben und warum wird es ein Fortschritt zur aktuellen Situation sein?

Loewenthal: Im Moment sieht es so aus, dass es viele verschiedene wohltätige Akteure gibt, die Flüchtlinge unterstützen. Ihre Funktionsweise und die in viele Bereiche aufgeteilte Organisation, stellen Problempunkte dar. Ein Flüchtlinge muss viele verschiedene Organisationen aufsuchen, falls die erste oder zweite nicht in der Lage sind, ihm zu helfen. Dieses Problem verdoppelt oder verdreifacht sich, wenn sie in verschiedenen Städten oder Ländern eine Unterkunft suchen.

Zweiten ist es für bürgerliche Wohnungsanbieter schwer festzustellen, wie leistungsstark sie zusammen sind, denn die Statistiken jeder Organisation müssten ständig aktualisiert werden.  Drittens ist es für Organisationen, die Flüchtlingen bei der Wohnungssuche helfen, schwieriger Anbieter zu finden, denn diese sind auf vielen verschiedenen Plattformen registriert. Und viertens ist es für Regierungen sehr schwierig nachzuvollziehen, was mit Flüchtlingen in ihrem Land passiert, wer sie unterbringt, welche Organisationen stehen damit in Verbindung.

cafébabel: Welche Visionen hast du für MyRefuge?

Loewenthal: Unsere Vision ist ein Komplettpaket für alle, die eine Unterkunft suchen und jene, die sie anbieten, außerdem ein Werkzeug zur Zusammenarbeit für Regierungen und NGOs, um mit Bürgern die Frage der Unterbringung zu klären. Regierungen können Asylsuchende Bürgern zuordnen und NGOs können falls nötig ihre Unterstützung anbieten. Letztlich ist es ein einfacher Weg für Menschen in der ganzen Welt, als Gemeinschaft in diesem Problem zusammenzukommen und zu sehen, was sie durch ihre gemeinsame Anstrengung erreichen konnten.

cafébabel: Wie wird es praktisch funktionieren? Kannst du ein konkretes Beispiel geben, indem wir uns eine syrische Person vorstellen, die nach Großbritannien kommt?

Loewenthal: Abdu kommt aus Syrien und ist gerade in einem UN-Flüchtlingscamp. Er loggt sich in MyRefuge ein und findet einen Gastgeber, der Platz für ihn hat. Der Anbieter willigt ein, ihn für sechs Monate aufzunehmen und ihm das gesellschaftliche Umfeld zu zeigen, und so weiter. Das Vereinigte Königreich, das mehr Flüchtlinge ins Land lässt, loggt sich auch in MyRefuge ein. Die App sendet nun Benachrichtigungen an die Regierung, immer wenn ein Flüchtling eine Unterkunft gefunden hat, sodass sein Asyl bestätigt werden kann.

Die Regierung bestätigt in Abdus Fall seinen Asylantrag. In der Zwischenzeit haben sich auch NGOs, die Flüchtlinge unterstützen, bei MyRefuge eingeloggt. Auch sie erhalten eine Benachrichtigung, sobald ein Flüchtling eine Bleibe gefunden hat, sodass sie die nötige Hilfe leisten können. Wohltätige Organisationen können Abdu nun Workshops oder andere Angebote unterbreiten.

Der Gastgeber ist nun eingeladen zu einer Arbeitsgruppe, in der Erwartungen und Problem emit anderen Gastgebern besprochen werden.

cafébabel: Wird die App nur in Großbritannien oder in ganz Europa verfügbar sein? Wird sie in verschiedenen Sprachen verfügbar sein, darunter auch Sprachen, die unter Flüchtlingen verbreitet sind?

Loewenthal: MyRefuge wird eine globale Plattform sein. Zunächst starten wir mit Englisch und möglicherweise auch Arabisch. Wir haben einen Freiwilligen, der alles ins Arabische und Griechische übersetzen möchte. Unsere Vision ist, die App in soviele Sprachen wie möglich zu übersetzen.

cafébabel: Warum hast du ein Crowdfunding eröffnet?

Loewenthal: Um Menschen auf das Projekt aufmerksam zu machen und um es möglich zu machen, in dieser besonderen humanitären Mission mit uns zu arbeiten.

cafébabel: Wozu dienen die 1000 Pfund, die auf der Plattform Indiegogo gesammelt wurden?

Loewenthal: Die 1000 Pfund erlauben uns, erste Serverkosten zu bezahlen und die Entwicklung voranzubringen. Drei von uns geben ihre Freizeit her, um am Projekt zu arbeiten, obwohl sie Vollzeitjobs haben, um theoretisch eine kostenlose Version von AirBnB zu bauen. Je mehr Geld wir erhalten, desto mehr werden wir in die erste Beta-Version stecken können, und desto mehr bleibt uns, um es in die Entwicklung der finalen Plattform zu stecken.

cafébabel: Werden 1000 Pfund genug sein, um die Entwicklung der App zu vollenden? Falls nein, wo soll der Rest des Gelds herkommen?

Loewenthal: Organisationen, mit denen wir gesprochen haben, haben Willen gezeigt, zu investieren. Wir hoffen auch, dass registrierte Wohnungsanbieter sich eines Tages beteiligen, wenn die Seite online geht. Derweil bleibt das Crowdfunding offen für Beiträge auch nach dem Ende der vorgegebenen Zeit. Die globale Gemeinschaft kann weiter zum Projekt beitragen, wenn sie der Meinung sind, dass es eine wertvolle Bereicherung sein wird.

cafébabel: Wie willst du Flüchtlinge und Wohnungsanbieter erreichen? Ist es notwendig Werbung zu schalten, um Aufmerksamkeit zu bekommen?

Loewenthal: Wir haben begonnen mit relevanten NGOs zu sprechen und Verbindungen aufzubauen: Bürger im Vereinigten Königreich, the Boaz Trust, Initiativen in Island und Neuseeland und Verbindungen zum Nordirak. Darauf werden wir natürlich ein noch größeres Augenmerk legen, sobald der Prototyp fertig ist.

cafébabel: In Deutschland und Österreich gibt es bereits Refugees Welcome, eine Seite auf der Menschen ihre Wohnung Flüchtlingen anbieten können. Ist dein Projekt anders oder könntet ihr zusammenarbeiten?

Loewenthal: Im Moment arbeiten wir nicht direct mit ihnen zusammen, aber unser Ziel ist es mit Refugees Welcome und anderen NGOs zusammenzuarbeiten. Ihr Konzept ist anders in dem Sinne, dass sie Flüchtlinge vermitteln. Wir ermöglichen einen direkten Kontakt zum Anbieter.

Trotzdem wollen wir NGOs in das System integrieren, sodass sie ihre Unterstützung anbieten können und zur Vermittlung beitragen. Letztendlich hoffen wir zusammen arbeiten zu können, um diese kolossale Herausforderung und düstere humanitäre Situation anzugehen. Es kann nur ein Vorteil für alle Beteiligten sein.

cafébabel: Denkst du, dass solche Initiativen die Flüchtlingskrise lösen können oder brauchen wir größere politische Lösungen?

Loewenthal: Wir brauchen definitive größere politische Lösungen, Entscheidungen, die auf Regierungsebene geschlossen werden müssen. Aber ich denke, dass Regierungen nur Entscheidungen treffen können, basierend auf den Ressourcen, die ihr zur Verfügung stehen. MyRefuge zeigt zwei dieser Ressourcen: den Willen der Wähler, Flüchtlinge zu akzeptieren und Plätze, wo Flüchtlinge leben können.

cafébabel: Findest du nicht, dass es die Aufgabe der Regierung ist, eine Unterkunft für Flüchtlinge zu finden? Warum die Zivilgesellschaft miteinbeziehen?

Loewenthal: Regierungen können nur sagen, dass der Wille der Bürger da ist, wenn sie ihre Wohnungen bereitzustellen. Es ist also richtig, dass eine Regierung handeln sollte, sofern es keine Unterstützung in der Bevölkerung gibt.

We are human beings and we have empathy, and it is our responsibility to take care of our fellows in times of need – or history will be a witness. By showing kindness, we also ensure that those we help can play a positive role and contribute to the world socially, economically and politically in a constructive way.

Wir sind menschliche Wesen und wir sind empathisch, und es liegt in unserer Verantwortung, dass wir uns um Mitmenschen kümmern, wenn sie Hilfe brauchen. Mit unserer Gastfreundlichkeit, stellen wir auch sicher, dass die, denen wir helfen, sozial, wirtschaftlich und politisch auf konstruktive Weise ihren Beitrag leisten.

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Das Team von MyRefugee entwickelt zurzeit einen Prototypen seiner Webseite.

Translated from MyRefuge: an app to help refugees worldwide find shelter