Musikszene Russland: Nicht nur Lesben-Rock und Mainstream
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Margarethe PadyszRusslands Vorbereitungen zum diesjährigen Eurovision Song Contest geben Anlass, einen Blick auf die Musikszene des Landes zu werfen.
POPulär - aus alt mach neu
Sehr beliebt, wenn auch nicht ganz revolutionär ist immer noch der russische Pop. Die First Lady der russischen Musikszene ist zweifelsohne Ałła Pugaczowa, die den Musikmarkt vom Kommunismus, über die Perestroika bis zur neuen russischen Demokratie überlebt hat. Erst kürzlich hat sie ihr Ausscheiden aus dem Musikbusiness angekündigt. Das heißt allerdings nicht, dass sie sich aus dem öffentlichen Leben zurückziehen wird. Pugaczowa ist mit ihren Ideen in Russland quasi zu einer Geldmaschine geworden.
Ein weiterer Star am russischen Pophimmel ist der Künstler Dima Bilan, der so ziemlich alles Erreichbare in Russland auf seine Person verbuchen kann. Russische MTV-Preise, die der beste Popularitätsbarometer sind, fallen ebenfalls darunter. Ihm haben es die Russen zu verdanken, dass der diesjährige Grandprix in Moskau stattfinden wird.
Musikalisch gesellt sich Stas Pieha zu Bilan, der neben einem zauberhaften Bariton auch einen zauberhaften Oberkörper vorzuweisen hat, die er beide nur allzu gern präsentiert. Pieha tummelt sich auf den ersten Plätzen aller möglichen Hitlisten. Sein romantischer Kitsch-Stil tut den Rest, um die Mädels reihenweise in Ohnmacht fallen zu lassen.
Die Liste der Popgötter schließt der wahrscheinlich ungewöhnlichste von ihnen - Vitas, der über eine gewaltige 5-Oktaven Kontratenorstimme verfügt. Der musikalische Stil von Vitas ist eklektisch und sicherlich nicht zum Standardpop zu zählen. Das Etikett eines Popkünstlers verdankt er eher seiner Popularität in Russland und im Fernen Osten, wo er bereits zahlreiche Preise eingeheimst hat.
Wenn man über russischen Pop spricht, darf man natürlich das bekannte Frauen-Duo t.A.T.u. nicht unterschlagen, deren Song „All the things she said“ (2003) weltweit und nicht zuletzt aufgrund von Debatten über die sexuelle Orientierung der Gruppe in aller Munde war.
Russische Bronx
Der Systemwandel hat im Paket auch eine russische Revolution des Musikgeschäfts mit sich gebracht, mit der im Laufe der 1990er Jahre die Entwicklung einer starken Hip-Hop Fraktion einherging. Vielleicht gibt es nichts Exotischeres als sich die Implementierung der musikalischen Kultur der Bronx auf russischem Grund und Boden vorzustellen. Doch die Mischung war von Erfolg gekrönt. Die typischen Accessoires dürfen natürlich auch im russischen Hip-Hop nicht fehlen: Beat, engagierte Texte, gigantische goldene Bling-Bling-Ketten, schnelle Autos, schöne Frauen und Unterwäsche von Dolce & Gabbana. Eines der ersten Hip-Hop Kollektive ist Kasta, das mit seinem Stil bei den Vorbildern von der Ostküste, insbesondere bei Wu Tang Klan ansetzt.
Seryoga hat sich in der russischen Hip Hop Szene ebenfalls einen Namen gemacht: Er ist nicht nur Produzent und Inhaber der Plattenfirma KingRing, sondern auch innovativer Musiker und Urheber des einmaligen „sporty chastushki“ Stils, einer Mischung aus Hip-Hop Beats und russischer Volksmusik - Chastushki.
Was die Popularität angeht, reicht Timati aka Mr. Black Star fast an Seryoga heran. Der russische Hip-Hop besitzt auch seine tragische Figur: Ratmira kam am Anfang einer angeblich sehr vielversprechenden Karriere im Alter von 19 Jahren tragisch ums Leben.
Nicht nur Mainstream
Musikstile außerhalb des Mainstreams und solche, die im Hinblick auf die Fanzahlen dem Underground zuzuordnen sind, gibt es zweierlei. Zum einen sin da die russischen Barden (Bułata Okudżaw oder auch Włodzimierz Wysocki), deren Musik immer noch unheimlich populär ist. Weltweit ist dem Publikum auch der Rockpunk von Gogol Bordello bekannt, der von Zigeunermusik inspiriert ist. Obwohl der Musiker in New York weilt und seine Band nur zu einem Fünftel aus Russen besteht, assoziiert man den Leadsänger mit Russland. Nicht zu vergessen ist außerdem die Ska-Punk Band Leningrad, die stets aktiven und kompromisslosen Herausforderer der russischen Politszene.
Und dann ist da noch die klassischere Seite: Die Chöre von Tuwy Huun Huur Tu nutzen eine weiterentwickelte und modernisierte Version des Kehlkopfgesanges, bei dem mehrere Töne gleichzeitig erzeugt werden. Eine ganz marginale Bedeutung haben Jazz, zu dessen bekanntesten russischen Vertretern unbedingt Arkady Shilkloper und Igor Butman gehören, und Blues. In Internet-Suchmaschinen wird man unter dem Begriff „Russian Blues“ zwar fündig, erfährt aber mehr über eine bestimme Katzenrasse, als einem lieb wäre.
Translated from Co słychać w Rosji?