Mehr Moslems - mehr Moscheen
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hartmut greiser"Islamistische" Bedrohung oder positives Zeichen für Integration?
Überall in Europa planen Moslems unter Berufung auf ihr Recht der freien Religionsausübung den Bau prächtiger Moscheen. Die örtlichen Behörden sehen solche Bauvorhaben allerdings mit Skepsis. Manche Parteien werten diese “Zeichen der Islamisierung” als mögliche Sicherheitsrisiken. Analysten aus der Türkei und Westeuropa behaupten wiederum das Gegenteil: das Sichtbarwerden der Moslems durch den Bau von Moscheen sei ein positives Zeichen der Integration.
Dreiländerthema: Frankreich-Deutschland-Schweiz
In Deutschland - Heimat für 3,5 Millionen Moslems - gab es am 15. Juli in Köln Demonstrationen gegen den geplanten Bau einer Moschee. An der Spitze des Protestzuges gegen die Errichtung des moslemischen Gebetshauses stand der stellvertretende Bürgermeister Jörg Uckerman (CDU). Auch in der Schweiz gab es zu dem Thema Schlagzeilen mit Aussagen wie „Wir müssen die Ausbreitung des Islam verhindern, damit die Schweiz unsere Heimat bleiben kann“. Mit diesen Worten startete Dr. Ulrich Schlüer von der Schweizer Volkspartei (SVP - die auch gegen eine Mitgliedschaft in der EU ist) im August eine Kampagne für ein Referendum gegen den Bau von Minaretten.
Mit fünf Millionen Mitgliedern ist Frankreichs moslemische Minderheit die größte in Europa. Die rechtsextreme Nationale Republikanische Bewegung (MNR) hat in diesem Jahr zwei Prozesse gegen Subventionen für Moscheen in der Pariser Vorstadt Montreuil und in Marseille gewonnen, deren Einwohner zu 25 Prozent Moslems sind. Dr. Stephan Rosiny, ein deutscher Islam-Spezialist, zeigt sich schockiert darüber, wie weit sich die Proteste gegen Moscheen inzwischen verbreitet haben. Westeuropäische Moslems sehen sich nicht länger einzig der Kritik rechtsextremer Parteien ausgesetzt. Die Ablehnung des Islam ist inzwischen leider mit der Behauptung ins gesellschaftliche Zentrum gerückt, man fühle sich als Opfer eines radikalen Islam, der westliche Kultur und Rechtssysteme unterminiere.
Aus Hinterhöfen und Garagen
Türkische und westeuropäische Wissenschaftler stellen fest, dass es sich eigentlich genau andersherum verhält: der Bau von Moscheen ist weder gefährlich noch sind sie Brutstätten für einen radikalen Islam: eher ein Integrationsbeleg. "Es ist ein positives Zeichen", stellen Rosiny und der Islamspezialist Ali Özgür Özdil übereinstimmend fest. Muslime kommen allmählich aus den Hinterhöfen und Garagen, um in offiziellen Gebäuden zu beten. Das erleichtert den Dialog mit anderen Religionen und mit der Gesellschaft, in der sie schon seit Generationen leben.
Ein Beispiel dafür ist die 20 Millionen Euro Moschee in Köln. Sobald die Baugenehmigung erteilt ist, wird sie in 3,5 Kilometern Entfernung zum berühmten Dom errichtet, der das Stadtbild prägt. "Wer diese neuen Moscheen als Zeichen des Separatismus oder einer islamischen Kolonisierung Europas auffasst, hat Wesentliches nicht verstanden", meint Bekir Alboa von der Türkisch Islamischen Union (DITIB) in Köln. "Die Moschee soll nicht nur ein Bethaus für die 120.000 Kölner Moslems sein, sondern auch ein Ort für die deutsch-türkische Integration", so die Absicht der verantwortlichen Architekten Gottfried und Paul Böhm.
Ein weiterer positiver Effekt sei die Tatsache, dass die mit dem Bau betrauten islamischen Organisationen gemäßigt seien und in voller Übereinstimmung mit den zuständigen Behörden arbeiteten. "DTB könnte in Deutschland damit in die Lage versetzt werden, die Moslems zusammenzubringen, sie zu repräsentieren und sich für ihre Rechte und Pflichten als Gläubige und als Bürger einzusetzen", erklärt Rosiny.
Özdil hält die Frage einer möglichen "Islamisierung" für hinfällig. In Deutschland lebt mit 3.5 Mio. Mitgliedern eine der größten moslemischen Bevölkerungsgruppen Europas, von der allerdings nur ein Viertel die Religion tatsächlich ausübt. Damit gehört nur ein Prozent der deutschen Bevölkerung zu den aktiven Moslems.
Georg Lutz, Politikwissenschaftler an der Universität im schweizerischen Bern, ergänzt, dass viele Gesetzesexperten das Verbot, Bethäuser zu bauen, für einen Verstoß gegen das Völkerrecht halten. Furcht vor Neuem ist normal. Trotz des Einwandes, dass Proteste gegen Moscheen überflüssig sind, belegt die aktuelle Nachrichtenlage, dass es in den europäischen Gesellschaften ganz allgemein Bedenken gegenüber den Moslems in ihrer Mitte gibt. Alboa von DITIB erklärt: den Europäern werde durch den Bau der Moscheen klar, dass sie in ihrem Land nicht allein sind. "Eine Moschee verfolgt auf symbolische Weise die Änderungen zurück, die eine Gesellschaft durchgemacht hat", sagt sie. "Damit wird die Debatte darüber wiederbelebt, ob diese Änderungen gut sind, ob Moslems hier leben sollten, sogar darüber, ob der Islam eine gute Religion ist."
Tariq Ramadan, einer der führenden europäischen Sprecher der Moslems, meint: "Die sichtbar zunehmende Präsenz der Moslems hat in allen europäischen Gesellschaften Fragen aufgeworfen." "Bethäuser haben in Europa einen hohen Symbolwert", ergänzt Riem Spielhaus, ein Islamexperte von der Berliner Humboldt Universität. "Ein Dom oder eine Kirche markiert üblicherweise die Mitte einer Stadt. Moscheen werden deshalb als Symbol für die Anwesenheit Fremder gesehen."
Heinz-Christian Strache der österreichischen rechtspopulistischen FPÖ demonstriert gegen den Bau der Kölner Moschee
Aus "Today's Zaman" vom 24. September 2007
Translated from More Muslims, more mosques in Europe