Participate Translate Blank profile picture
Image for Libanon: Hoffen auf das große Geld

Libanon: Hoffen auf das große Geld

Published on

KulturPolitik

Die Wirtschaft des Libanon liegt am Boden. Um ihr wieder auf die Beine zu helfen, setzt die Regierung in Beirut auf den Bankensektor – und vergisst dabei die Nöte der Bauern.

„Früher habe ich in Europa gearbeitet und dort Geschäfte für 100 000 Dollar im Import-Export-Geschäft ausgehandelt“, sagt Hassan in akzentfreiem Deutsch, während er mit seinem uralten Mercedes-Taxi durch Beiruts Straßen fährt. Die Stadt ist gespickt mit militärischen Kontrollpunkten und Nato-Draht. „Nun bin ich zurück im Libanon und verdiene mir meinen Lebensunterhalt mit Fahrten für einen Dollar. Israel und die vielen Streiks machen uns hier das Leben schwer“ fügt er hinzu. Dabei sieht er verbittert auf das Sit-in, das Anhänger der Opposition auf dem Platz der Märtyrer vorbereiten. Am 14. Februar 2007 trafen sich dort hunderttausende Libanesen, um friedlich den zweiten Todestag des ehemaligen Ministerpräsidenten Hariri zu begehen, der bei einem Bombenattentat ums Leben kam.

Konflikt nach dem Bürgerkrieg

Die meisten Libanesen haben wie Hassan Probleme, finanziell über die Runden zu kommen. Seit dem Beginn der Zedern-Revolution im Februar 2005 steht die Wirtschaft still. Nach der Ermordung Hariris gingen die Menschen auf die Straße. Die so entstandene Bürgerbewegung wollte unter anderem die libanesische Wirtschaft von den Ketten Damaskus’ befreien. Sie schaffte es, die pro-syrische Regierung abzusetzen. Laut einem Bericht der Vereinten Nationen stiegen die Bestechungen von syrischen Beamten in der Zeit des Pax Syriana, also von 1990 bis 2005, um fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes.

Es wird vermutet, dass die zahllosen Streiks und Demonstrationen den Libanon im Jahr 2005 acht Prozent seines Bruttoinlandsproduktes (BIP) gekostet haben. Das Wachstum des BIP fiel auf Null. 2006 verschlimmerte sich die Situation durch die Invasion und die Luftangriffe Israels.

Die Gesamtkosten des Krieges zwischen Israel und der Hisbollah werden auf sieben Milliarden Dollar geschätzt, sagt Albert Nasr, der Leiter des Zentrums für Wirtschafts-Forschung in Beirut. Allein die Notfall-Hilfe, etwa für den Wiederaufbau zerstörter Wohnungen, summiert sich auf eine Milliarde Dollar. Die Kosten für den Wiederaufbau der beschädigten Infrastruktur werden vermutlich zwischen zweieinhalb und drei Milliarden Euro betragen. Zusätzlich kostet der direkte Einfluss des Krieges auf Tourismus und Handel den Libanon zehn Prozent seines BIP. Bis zum Ende des Jahres 2006 war die Wirtschaft um fünf Prozent zurückgegangen.

Raus aus dem Spiel

Der mühselige Kampf der libanesischen Wirtschaft geht weiter. Der Libanon ist noch nicht wieder zur Normalität zurückgekehrt: „Die Verluste werden die Wirtschaft noch lange beeinflussen“, sagt Nasr voraus und betont, dass dies eine weitere Hürde für die Unternehmen vor Ort sei. Seit 1992 wird neben der libanesischen Lira der US-Dollar benutzt, als de facto legale Währung. Damit wollte die Politik nach dem Bürgerkrieg Kredite sichern und die Inflation aufhalten. Dieser feste Wechselkurs habe den Libanon zu einem sehr teuren Land für Investitionen gemacht, sodass Fabriken das Land verlassen und meist nach Ägypten gehen, erklärt Nasr.

Trotzdem sei der finanzielle Sektor weiterhin das Rückgrat der libanesischen Wirtschaft, bemerkt Camille Noun. Der Wirtschaftsexperte für den Nahen Osten betont, dass diese eine starke Währung brauche, um Erfolg zu haben. In den historischen Teil der Hauptstadt wurde investiert, um Beiruts Position des wichtigsten Finanzzentrums der Region und als Dubai-ähnliches Paradies für Geldgeschäfte wieder herzustellen.

Hammer und Sichel

Im Zentrum Beiruts bietet die Immobilien-Firma Damac Properties ihr neuestes Schnäppchen feil: „Kaufen Sie eine Eigentumswohnung und Sie bekommen einen Jaguar X-Type umsonst dazu!“ Nicht alle Libanesen finden, dass sie durch den Wiederherstellungsplan etwas gewonnen hätten, so Camille Noun. Ali, ein Teenager aus Baalbek, der größten Stadt im Bekaa-Tal, verbringt seine Zeit damit, Kaugummi auf ungepflegten Bürgersteigen zu verkaufen. Er beschwert sich, dass das Leben zu teuer sei. Die Errungenschaften der Schia und des Oppositionsführers Hassan Nasrallah dagegen lobt er.

Der Wiederaufbau des Landes ist hauptsächlich auf die Wiedergeburt der Banken angewiesen und beachtet die Interessen der anderen Sektoren kaum, am wenigsten die der Landwirtschaft. Die vielen Hämmer und Sicheln, die rund um den Platz der Märtyrer an die Mauern gemalt wurden, zeugen von wirtschaftlichen Forderungen. Die Bauern, die hauptsächlich in den schiitischen Regionen des Bekaa Tals und im Süden leben, fühlen sich von der aktuellen Wirtschaftspolitik vernachlässigt.

„Man kann leicht irregeführt werden, wenn man versucht, die aktuelle politische Patt-Situation als eine ökonomische Frage zu analysieren“, sagt Noun. „Die Wirtschaft ist ein Teil des Problems.“ Ohne die Notwendigkeit von sozialen Reformen zu bestreiten, argumentiert er, dass die Polarisierung des Libanon viel mit der internationalen Politik zu tun habe. Das in den „kalten Krieg“ zwischen Teheran und Washington verwickelte Land habe zwei Möglichkeiten: „Entweder auf die Lösung der Krise warten oder aus dem Spiel aussteigen.“

Sternenbedeckte EU-Geldbeutel

Trotz der beachtlichen Spenden, die kürzlich auf einer internationalen Libanon-Konferenz in Paris beschlossen wurden, wird die Europäische Union nicht als möglicher Vermittler wahrgenommen. „Die EU existiert nicht im Libanon. Ihre Rolle ist lediglich die eines mit Sternen bedruckten Geldbeutels“, glaubt Noun.

In der Zwischenzeit verlassen Libanons fähigste junge Menschen ihr konflikt- und gewehrkugelgeladenes Heimatland. Sie schließen sich dem Heer von im Ausland arbeitenden Libanesen an, das der wertvollste Pluspunkt des Landes ist. Das Geld, das sie nach Hause schicken, beläuft sich auf vier Milliarden Dollar pro Jahr, das sind zwanzig Prozent des BIP. Notwendiger Sauerstoff für eine Wirtschaft, die in politischen Rivalitäten erstickt.

Translated from Interwar Lebanon tightens its belt