Klimawandel, Gesundheitswesen, Wirtschaft: Drei europäische Tipps für Obama
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Monika SchreiberDie Amtseinführung des 44. US-Präsidenten am 20. Januar erscheint wie das spektakulärste Debüt seit Ankunft der Beatles in New York. Bald jedoch wird der ganze Hype und Medienrummel vorbei sein und das Team um Obama wird Ergebnisse vorweisen müssen.
Unlängst offenbarte Europa seine globale Führungsposition durch den 20-20-20-Plan: Damit erklärt es sich einverstanden, bis 2020 den von Menschen erzeugten CO2-Ausstoß, welcher zur globalen Klimaerwärmung beiträgt, um mindestens 20% zu reduzieren.
Europa möchte den Anteil von Technologien erneuerbarer Energien auf 20% seines Energieverbrauchs aufstocken und das weltweit ehrgeizigste CO2-Handelsprogramm in die Wege leiten. Die reichsten europäischen Nationen stimmten zu, einen größeren Beitrag im Kampf gegen den Klimawandel zu leisten als die ärmeren Staaten und handeln somit im Sinne eines für jede weltweite Klima-Vereinbarung unabdingbaren Prinzips.
Es ist bemerkenswert, dass Europa sich nicht durch die aktuelle Wirtschaftskrise von seinem Kurs abbringen ließ. Am 13. Dezember teilte der Präsident der EU-Kommission José Barroso der BBC mit: „Die Finanzkrise ist keine Entschuldigung. Wir können sie zu einer Win-Win-Situation machen, mehr „grüne“ Arbeitsplätze schaffen und Investitionen in die CO2-arme Wirtschaft der Zukunft fördern.“ In einem freundlichen Appell an den designierten Präsidenten fügte er hinzu: „Wir wollen unseren weltweiten, insbesondere unseren amerikanischen, Partnern sagen: Yes, you can…“
Gesundheitswesen: Deutschland und Frankreich führend
Die World Health Organisation stuft die Gesundheitssysteme Europäischer Staaten als die besten weltweit ein. Durchschnittlich sind ihre Ausgaben für allgemeinen Gesundheitsschutz und Qualitätsergebnisse weit niedriger als die der USA. Das französische Gesundheitswesen wird am besten bewertet. Die USA belegen den 37. Platz - und befinden sich damit nur knapp vor Kuba und Slowenien.
Doch ganz im Gegensatz zum gängigen Klischee greifen Frankreich, Deutschland und andere Länder keinesfalls auf eine von der Regierung gesteuerte, „verstaatlichte Medizin“ zurück. Anders als Großbritannien oder Schweden gehen sie einen dritten Weg, mit privaten Krankenversicherungen, kurzen Wartelisten und freier Wahl des Arztes (ein Großteil sind niedergelassene Ärzte). Diese Mischform beruht auf dem Prinzip geteilter Verantwortung zwischen Arbeitnehmern, Arbeitgebern und Regierung. Alle tragen ihren Teil dazu bei, dass eine flächendeckende gesundheitliche Absicherung gewährleistet ist. Der einzelne Bürger ist zur Teilnahme verpflichtet, ebenso wie ein Autofahrer verpflichtet ist, einen Führerschein zu haben.
Es gibt jedoch zwei wesentliche Unterschiede zu den Gesundheitsvorsorgeplänen in Frankreich und Deutschland: die privaten Krankenversicherungsgesellschaften sind gemeinnützige Unternehmen.
Ärzte, Krankenpflegepersonal und Mitarbeiter im Gesundheitswesen werden gut bezahlt, aber es gibt keine Chefs von Riesenkonzernen im Gesundheitswesen, die Hunderte Millionen von Dollars einstreichen, wie es der Fall in den USA ist.
Der zweite wesentliche Unterschied besteht im Bereich der Kostenkontrolle. In Frankreich und Deutschland werden die Kosten für Dienstleistungen zwischen Vertretern der Gesundheitsberufe, der Regierung, Patienten- und Verbraucherverbänden und der privaten, gemeinnützigen Versicherungsgesellschaften ausgehandelt. Wie im amerikanischen Medicare-System erstellen sie zusammen eine nationale Vereinbarung für Behandlungsverfahren, Kostenstrukturen und Höchstraten. Dadurch wird vermieden, dass die Kosten im Gesundheitswesen außer Kontrolle geraten und europäische Gesellschaften werden vor den emporschnellenden Kosten geschützt, von denen amerikanische Unternehmen betroffen waren.
Starthilfe für die Wirtschaft
Europa wird manchmal wegen seiner mangelnden Einheitlichkeit kritisiert. Hin und wieder jedoch bietet diese „vielköpfige Schlange“ gewisse Vorteile. Die große Anzahl an leistungsstarken Einzelstaaten macht es möglich, dass jede Nation als eine Art Labor für die anderen fungieren kann und jeder von den Erfolgen und dem Scheitern der anderen lernen kann. Während der schweren Finanzkrise im August 2008, als die Börsen taumelten, testete jeder EU-Staat anfangs seine eigene Rettungsformel. Binnen zwei Wochen stellte sich die britische Strategie unter Premierminister Gordon Brown als die effektivste heraus.
Diese wurde rasch von den anderen europäischen Staaten übernommen, ebenso wie schließlich von den USA, da sich der 700 Milliarden Dollar - Rettungsplan des Finanzministers Hank Paulsen als äußerst ineffektiv herausstellte.
Der europäische Plan beinhaltet auch strengere Kontrollen der Gelder aus dem Rettungspaket, und Zugeständnisse der Banker - alles Aspekte, die im US-Rettungsplan fehlten. Europa verordnete steuerliche Anreize in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar auf europäischer und nationaler Ebene - die USA hingegen warten noch auf Obamas Verwaltungsplan.
Mit einer halben Milliarde Menschen ist Europa der größte und wohlhabendste Handelsblock der Welt, produziert rund ein Drittel der Weltwirtschaft und ist somit so groß wie die USA und China zusammen. Verlacht als Land des “schleichenden Sozialismus”, hat Europa in der Tat mehr „Fortune 500“ - Unternehmen (die umsatzreichsten Gesellschaften) als die USA, China oder Japan.
Sowohl die USA als auch Europa kämpfen darum, die steigenden wirtschaftlichen Flutwellen zu besänftigen. Aber irgendwie scheint Europas „Sozialkapitalismus“ besonders gut gerüstet für dieses Alles-oder-Nichts-Jahrhundert, welches sich den Herausforderungen einer weltweiten Wirtschaftskrise, der Erderwärmung und neuartiger geopolitischer Spannungen stellen muss. Das Team um Obama darf sich ruhig Notizen machen.
[Steven Hill ist der Leiter des Political Reform Program der 'New America Foundation'. Sein Buch Europe Rising wird 2009 von der University of California Press herausgegeben.]
Translated from Climate change, health, economy: three European tips for Obama