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Hausboote: Die Hippies sind verschwunden

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Default profile picture karolin schaps

KulturGesellschaftPolitik

Was einst von den Anhängern des Flower Powers als billige Wohnmöglichkeit entdeckt wurde, ist heute ein Luxus, den sich nur Reiche leisten können.

Hendrika-Maria liegt gegenüber Prinsengracht 296 und sieht noch immer aus wie ein traditionelles Hausboot. Der einzige Unterschied zu früher ist, dass Hendrika-Maria heute Touristen aus der ganzen Welt anzieht: Sie ist Amsterdams einziges Hausbootmuseum. Nachdem ich auf das Boot geklettert und die kleinen Stufen herabgestiegen bin, stehe ich mitten in einem Schlafzimmer. Mehr als eine große Matratze, die in den Bug gequetscht ist und als Bett dient, hat es jedoch nicht zu bieten. Aus dem kleinen Bullaugenfenster kann ich ein breites Touristenboot vorbeirauschen sehen, Hendrika-Maria wackelt kurz und mir wird kurz schwindelig.

Hipper Lebensstil

„In den Sechzigern gab es einen großen Engpass an Wohnungen in Amsterdam. Das Leben auf einem Hausboot bot damals eine preiswerte Alternative. Außerdem war es ein äußerst 'cooler' Lebensstil, auf einem Boot zu wohnen, deshalb haben viele Hippies diese Möglichkeit genutzt”, sagt Marjet van Zadelhoff, eine Mitarbeiterin im Hausbootmuseum.

Heute sind die Hippies jedoch verschwunden. Teti Verhoeff, die im Gemeinderat von Amsterdam für Hausboote zuständig ist, erklärt, dass sich die Situation über die Jahre geändert hat: „Am Anfang nannte sich das Leben auf dem Wasser 'freedom state'. Es gab weder Regeln noch Verpflichtungen, was natürlich den Reiz ausmachte. Da das Hausbootleben sehr beliebt und viel billiger war, wurde es immer enger auf dem Wasser. Als die Bewohner dann anfingen, sich übereinander zu beschweren, beschloss die Gemeinde, einige Regeln aufzustellen”, so Verhoeff.

„Heute ist das Leben auf dem Wasser sehr viel anspruchsvoller. Ein kleines Boot für das Wochenende, oder auf einem Hausboot wohnen: jeder will ein Stückchen vom Wasser abbekommen. Dies ist zu einem richtiggehenden Image in Amsterdam geworden, was den Wert des Wassers enorm in die Höhe getrieben hat”.

Ein Trend, den die Flower-Power-Generation iniziiert hat, ist heute bei Jungen und Reichen ein beliebter Lebensstil.

Luxusbuden für die jungen Geldmacher

Etwas weiter entlang des Prinsengrachts besuche ich Alessandra Enting, die nach dem Hausboot ihrer Freundin schaut, während diese im Urlaub ist. „Die meisten Menschen haben den Eindruck, dass Hausbootbewohner etwas sonderbar sind, aber das stimmt überhaupt nicht. Wir sind ganz normale Leute, mit gut bezahlten Jobs. Das Leben auf einem Hausboot ist nun einmal nicht billig. Ich möchte mir selbst auch gerne eins kaufen und rechne mit Kosten zwischen 230 000 und 250 000 Euro für ein traditionelles Hausboot”.

Das 'Ark'-Boot, auf welches Alessandra mich einlädt, macht den Eindruck, als sei es aus einem 'Schöner wohnen'-Katalog ausgeschnitten. Elegante, weiße Bücherregale zieren die Hauswände; ein moderner Computer summt leise in einer Ecke.

„Wir haben hier alles: Internet, Waschmaschine, Fernseher. Der Pfahl, der vor der Tür steht, versorgt uns mit Elektrizität, die wir mit den Nachbarn teilen”. An der rechten Außenseite befindet sich eine Holzterrasse, auf der ein kleiner Tisch und Gartenstühle umrandet von hohen Pflanzen stehen. „Das Freiheitsgefühl gefällt mir am meisten. Wir haben keine direkten Nachbarn, die sich über laute Musik beschweren und es gibt immer eine Möglichkeit, draußen zu sein. In einer Wohnung im zweiten Stock hat man noch nicht einmal einen Garten”, erklärt Alessandra.

André Aaldering wohnt bereits seit 25 Jahren auf einem Hausboot. Die Zulassung für den Liegeplatz seines Bootes kostet ihn jährlich 800 Euro. Seiner Meinung nach ist die Instandhaltung des Bootes am kostspieligsten – und anspruchvollsten. „Das Boot muss alle zwei bis drei Jahre gestrichen werden und alle vier Jahre zur Inspektion auf die Werft. Es ist anstrengend, weil ich alles selbst machen muss und ich ein bisschen faul bin, vor allem im Sommer.”

Londoner Kanäle

Was in Amsterdam akzeptiert und zum Alltag zu gehören scheint, zeigt in London ein ganz anderes Gesicht. London ist weniger aufs Wasser angewiesen und zieht deshalb weniger Hausbootbewohner an. Trotzdem: Die Nachfrage steigt. Laut der Organisation British Waterways, die ein Fünftel der Ankerplätze in London verwaltet, wächst die Zahl der Bootbesitzer in Großbritannien um 2,5 Prozent jährlich und die Warteliste für neue Liegeplätze in London ist auf 300 Namen angewachsen.

Adam Slade wohnt seit über 17 Jahren auf einem Hausboot. Wir treffen ihn am Battlebridge Basin in der Nähe von King's Cross. „Ich liebe es! Wir befinden uns mitten in London und trotzdem gibt es Enten, Gänse und Kormorane, das Tierleben auf dem Wasser ist faszinierend. Außerdem ist es ein sehr harmloser Lebensstil. Ich kann jederzeit ein Mädchen fragen, ob sie auf mein Boot klettern möchte. Zugegeben, ich muss mehr für die Instandhaltung tun, aber dafür habe ich auch mehr Spaß.” Trotzdem kostet das Leben auf einem Hausboot eine ganze Menge. Adam möchte ungern zugeben, wieviel er bezahlt, aber er schätzt, dass die Hausbootbewohner in King's Cross zwischen 150 und 200 Pfund, umgerechnet 220 bis 300 Euro an wöchentlicher Miete bezahlen.

Für Dawn Menear und ihren Bruder Julian ist Geld Nebensache. Die Geschwister überlegen sich, ein Hausboot zu kaufen und auf dem Londoner Wasser zu wohnen. „Ich liebe die Kanäle und die Freiheit. Die Atmosphäre ist sehr freundlich und es kann billiger sein. Meine Kinder sind alle erwachsen, deshalb kann ich jetzt mein Leben ändern”, sagt Dawn. „Wir müssen jetzt einen Liegeplatz finden, dann wollen wir ein Boot im Norden kaufen und es runter nach London fahren. Ich hätte gerne ein traditionelles Hausboot, rot und grün angemalt. Wir wissen, dass es eine Weile dauern kann, bis wir einen Platz bekommen, aber wir können warten”, fährt sie fort.

Dawn weiß noch nicht, dass das Hausbootleben in London keine wirklich günstige Alternative ist. Für Leute, die es sich leisten können und ihren Lebensstil ändern wollen, bietet London jedoch einen recht attraktiven Standort.

Wenn ich mich dazu entscheiden sollte, auf ein Hausboot zu ziehen, würde ich trotzdem Amsterdam anpeilen. Natürlich erst nachdem ich meine Seekrankheit geheilt und mein Niederländisch verbessert habe!

Translated from Purchase power beats flower power on canals