Hangout mit Barroso, hinterm Mond
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Am 12. September hat José Manuel Barroso seine Rede zur Lage der Union gehalten. Danach beantwortete der Präsident der Europäischen Kommission in einem Google Hangout Fragen der Europäer. Konnte er Europa überzeugen? Ansichten der cafébabel Editors.
José Manuel Barroso kann vor allem eines gut: Für jedes Problem das sich stellt, andere verantwortlich machen – bloß nicht die Europäische Kommission oder sich selbst. Mit dieser Haltung wehrt er alle bedeutenden Fragen ab, von der Wirtschaftskrise über Jugendarbeitslosigkeit bis hin zur Situation von Schwulen und Lesben in Europa. Zwar mögen die gesetzgeberischen Möglichkeiten der Europäischen Institutionen tatsächlich begrenzt sein, aber ein geschickter Verhandler kann immer mehr herausholen. Ein charismatischer Politiker, der sich öffentlichkeitswirksam für die brennenden Anliegen der Europäer einsetzt, könnte sogar noch viel mehr erreichen. Barroso aber ist definitiv nicht ein solcher Politiker.
Benjamin, Österreich
Barrosos Antworten im gestrigen Interview waren mit müden O-Tönen, forciertem Lächeln und politischem Doublespeak gepfeffert. Ein Lüftchen der Inkompetenz wehte im Studio und Barroso vermittelte den Eindruck, nichts falsch machen zu wollen – was die Angst zur Folge hatte, irgendetwas zu sagen. Fragen zu vielen verschiedenen Themen wurden vage gestellt und mit dem Versprechen gesegnet, dass Barroso dies zunächst mit seinen Kollegen besprechen müsse. Seine wiederholten Floskeln „frank, open and honest” (offen und ehrlich) erweckten gerade zu den gegenteiligen Eindruck. Ich denke, der Präsident hat sich insgesamt zu oft wiederholt. Und das konstante Namen-Dropping? Machen Sie sich bitte locker, José Barroso.
Ceris, Schottland
Sehr geehrter Herr Barroso, vielen Dank, dass sie sich so sehr um Europa sorgen. Danke, dass sie wissen, was uns jede Nacht vom Schlafen abhält, danke für Ihre Einsicht in die Faktoren, die unsere Länder näher zusammenbringen als je zuvor, danke für die gute Zusammenarbeit während der Krise, solidarisch in Bezug auf Sparpolitik, Arbeitslosigkeit, Armut und Einwanderung. Danke von ganzem Herzen, dass Sie sich so sehr dafür einsetzen, dass die Europäer sich zum ersten Mal in etwas einig werden. Letzte Nacht ist glasklar geworden, dass die Distanz zwischen der Institution, die Sie repräsentieren, und dem echten Europa einer Kluft entspricht, die unüberwindbar für sie und diejenigen, die Ihnen applaudieren, scheint.
Manu, Spanien
So ein Pech aber auch – wurde doch während der gestrigen Debatte mit José Manuel Barroso nichts Neues enthüllt. Auch wenn das partizipative Format der Debatte gutzuheißen ist, da jeder Bürger dem Präsidenten eine Frage stellen durfte, ließen die Antworten doch zu wünschen übrig. Lieber Barroso, wir sind eine Generation der ‚konkreten Schritte‘. Wir können Bullshit schon von Weitem riechen, also bitte verkaufen sie uns keine Plattitüden à la „alles wird schon irgendwann wieder besser“. Schwachsinn. Sagen Sie uns einfach, was Sie für morgen geplant haben. Werden Sie konkreter.
Kasia, Polen
Es ist nicht zu leugnen, dass der Präsident der Europäischen Kommission, Josè Manuel Barroso, gestern Abend nicht gerade eine effektive Kommunikationsstrategie gewählt hat. Seine Worte enthielten keinen einzigen Schimmer Hoffnung. Man könnte das ganze Interview so zusammenfassen: "Vertraut uns, angesichts der limitierten Möglichkeiten, die wir im Vergleich zu den nationaln Regierungen haben, tun wir was wir können." Das Problem ist, dass es unwahrscheinlich ist, dass die Europäer mehr Macht an jemanden abgeben wollen, der auf politischer Ebene überhaupt nicht überzeugt. Die EU sollte wirklich an ihrer öffentlichen Kommunikation arbeiten. In anderen Worten: Mehr Mitgefühl, weniger trockene Argumente. Allerdings muss man zugestehen, dass es toll war zu sehen, wie der Kommissionspräsident von der europäischen Öffentlichkeit herausgefordert wird. Wir brauchen viel mehr solche öffentlichen Debatten, so bald wie möglich und auch auf nationalen Fernsehsendern.
Alex, Italien
Manuel Barroso – ein Mann der Prinzipien. „Um ehrlich zu sein“ – diese Lieblingsphrase, die sich durch das komplette Interview zog, ließ den Kommissionspräsidenten äußerst relaxt in Bezug auf die Defekte der Kommission wirken. Jugendarbeitslosigkeit? – Ein Versagen der nationalen Regierungen. Keine Jobs? – Dafür ist das Bildungsministerium verantwortlich. Ausartender Nationalismus? – Ein griechisches Problem. Krise? – Kommt aus den USA. Sein schlechtes Französisch? – Der Übersetzer soll sich gefälligst ins Zeug legen. Und unsere Stimme zu den Europawahlen 2014? – Sicher nicht sein Problem.
Matthieu, Frankreich
Eine traurige Veranstaltung war die Global Conversation mit Präsident Barroso gestern Abend auf Euronews, trotz guter Einbindung europäischer Meinungen und Fragen über Social Media. Ein dunkel gekleidetes Duo warf sich in einem aalglatt weißen Studio kurze 20 Minuten lang gegenseitig vorgekäut wirkende Fragen und gefloskelte Antworten zu. Ein Tipp: Barroso sollte vielleicht mal Game of Thrones oder Braveheart schauen, seiner Vision von Europa fehlt es an Enthusiasmus und Mut. Stattdessen blickten uns hängende und zu stark orange geschminkte traurige Wangen entgegen und ein Präsident, der bei nahezu jeder Frage mit dem Finger auf die Nationalstaaten zeigte. Europa braucht einen Hoffnungsschimmer. Die Arbeitslosigkeit im Euroraum stagniere jetzt zumindest, so Barroso. Die erste Schlagzeile, die ich heute Morgen in einem Newsletter zu Gesicht bekomme: Neuer Arbeitslosenrekord in Griechenland.
Katha, Deutschland
Translated from Barroso, Lost in Space