Graffiti in Paris: Jetzt kommen die Bulldozer
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Honorata HolodniakDas Hochhaus mit den gesprayten Klos ist das Kunstprojekt der Stunde in Paris. Die Ausstellung ist das Werk hunderter Straßenkünstler. Nach Darstellung der Veranstalter ist es das größte Streetart-Projekt der Welt. Bald soll das Gebäude abgerissen werden.
Drei Wochen nach meiner Anfrage, konnte ich die Galerie Itinerrance besichtigen. Im ersten Moment hatte ich den Eindruck, dass die PR schlecht organisiert war. Als ich am Telefon nach einer Tour fragte, bekam ich die Antwort: „Ja, das können sie selbstverständlich machen, wenn sie sich 6 Stunden anstellen möchten!". Ich fand die Antwort leicht überzogen.
Seit wann ist Streetart so beliebt? War das nicht ursprünglich ein Underground-Ding? Das gilt allerdings nicht, wenn 36 Apartments von der Crème de la Crème internationaler Graffitikünstler persönlich verziert wird. Paris 13 ist eine in situ Ausstellung, frei zugänglich und sie dauerte nur einen Monat. Jetzt kommen die Bulldozer und nehmen alles mit. Oder fast? Streetart hat in die Museen und in die breite Öffentlichkeit Einzug erhalten. Graffiti ist gerade en vogue.
Stippvisite
Drei Tage vor Schließung erscheine ich um 8:30 am Fuße des Turmes zu einem Presserundgang. Lieber würde ich die Tour alleine machen, aber dafür ist der Turm schon zu angesagt. Also bevorzuge ich den Pressetermin ohne warten zu müssen. Ich mag keine Fremdenführer, keine Grenzen und bin lieber dazu bereit, mit etwas Risiko Objekte auf eigene Faust zu erkunden. Man nennt das Urbex (Urban Exploration). Ich erreiche mein Ziel, das gegenüber von Bercy (dem imposanten französischen Ministerium für Wirtschaft und Finanzen) liegt. Das Morgengrauen schimmert über dem Ufer der Seine und erst jetzt verstehe ich die Probleme bei der Anmeldung. Einige hundert Menschen stellen sich bereits für den Tour 13 an. Die ersten in der Schlange schlafen noch in ihren Schlafsäcken. Wir sind eine Gruppe von vierzig Journalisten in Erwartung der Pressesprecherin. Als sie uns die Türen öffnet, werden wir alle von der Meute beschimpft, die hier bereits seit heute Morgen zwei Stunden wartet. „Um 10 Uhr will ich, dass alle Journalisten draußen sind, sonst gibt es hier einen Aufstand!", warf uns die Sprecherin entgegen. Stimmung.
„DANACH WIRD DAS GEBÄUDE EIN SCHUTTHAUFEN !"
Drinnen gibt es viele Dinge zu sehen. Ein paar Fernsehteams machen Nahaufnahmen. Es sind Skandinavier und Brasilianer da, Publizistikstudenten, Fernsehsender und viele Photographen. Die Pressesprechern behält alles im Auge und antwortet anstelle der Künstler und anstelle von Mehdi Ben Cheikh, dem Gründer der Galerie Itinerrance und gleichzeitig dem wichtigstem Akteur in der Streetart-Szene im 13. Arrondissement. Die Sprecherin sieht abgespannt aus. Seit vier Wochen empfängt sie 1000 Personen täglich, davon sind zirka 50 Journalisten. „Wir hatten mehr als 500 Berichterstattungen, davon viele im Ausland: Fernsehnachrichten in Südkorea, Ausstrahlungen in Italien, Spanien und in Südamerika haben über uns berichtet. Die Leute kommen von überall! Wir hatten auch unglaubliche Nachfragen, die wir alle abgelehnt haben, weil wir diesen Ort nicht kommerziell nutzen wollen. Es muss im Geiste der Streetart bleiben, deswegen ist es so kurzlebig. Bald ist das Gebäude ein Schutthaufen!"
Die Veranstalter selbst sind über einen solchen Erfolg überrascht. Trotz allem läuft es reibungslos. Die Wachmänner kontrollieren die Eingänge, die Absperrschranken führen die Schlange und in den Reihen wird Karten gespielt. Ein Schwarzhändler vertreibt Kaffee für ein paar Cent. Es sind Schulferien und das merkt man auch. Marie und ihre Freundinnen sind um 4 Uhr früh aufgestanden, um die S-Bahn zu erwischen. Der Großteil der Anwesenden ist unter 20 Jahren. Im Gedränge wird man sich sympathisch. „Nach einigen Stunden fängt man an sich kennenzulernen", amüsiert sich eine Mädchenrunde, die diesen Beweis angetreten ist.
Geliebte Freiheit!
Ich verlasse das Gebäude mit einem Gefühl, Teil einer interessanten Sache gewesen zu sein. Trotzdem hatte ich nicht genug Zeit, mir die Werke anzuschauen. Während des Besuchs befand ich mich im Sog eines spiralförmigen Tunnels aus Blöcken, die einst Badezimmer oder Küchen waren. Vor allem ist es schade, dass man die Künstler nicht kennenlernt und keine Freiheit hat, alleine durch die Apartments zu gehen. Ich wäre lieber allein, als in einem Ameisenhaufen. Diese Vision von Streetart ähnelt eher jener der modernen „Straße": global, offen und medienwirksam.
Hier einige Photos aus dem Pariser Tour 13:
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Virtueler Rundgang für diejenigen, die keine Zeit haben werden auf der Internetseite www.tourparis13.fr.
Es wird eine Abstimmung organisiert um die Werke vor der Zerstörung zu bewahren (nur vor der Digitalen).
Translated from Tour Paris 13 : le graff s'arrache