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Generation 1989: Junge Tschechen "sehen Kommunismus vor allem als Konsumenten"

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Translation by:

Peter Seiffert

Politik

Vor zwei Jahrzehnten gingen die Tschechen auf die Straße, um das kommunistische Regime zu stürzen. Mittlerweile gewinnt die kommunistische Partei wieder mehr Anhänger. Wir haben die drei wichtigsten tschechischen Websites durchforstet, um der Stimmung der Tschechen 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs nachzuspüren.

Die kommunistische Partei Böhmens und Mährens (Komunistická strana Čech a Moravy, KSCM) ist Nachfolger der verhassten Kommunistischen Partei Tschechiens (KSC), war aber in den vergangenen 13 Jahren drittstärkste Kraft im tschechischen Parlament. Ihre Popularität basiert einerseits auf der immer schlechter werdenden wirtschaftlichen Situation, andererseits auf allgemeiner Politikverdrossenheit. Zwar liegt die tschechische Arbeitslosigkeit laut Eurostat mit 6,9 Prozent am unteren Ende Europas. Allerdings wirkt diese Zahl schlimmer, weil es im Kommunismus offiziell keine Arbeitslosen gab. Obwohl die Löhne seit 1989 spürbar gestiegen sind, liegt das Einkommen von zwei Dritteln der Bevölkerung indes weiterhin unter dem EU-Durchschnitt. „Die Menschen würden lieber für Bananen anstehen, als ihre Jobs zu verlieren, und sie fahren lieber einen alten Skoda, als auf der Straße zu stehen“, formuliert Anjet im Rahmen einer Internetdiskussion auf der unabhängigen Website aktualne.cz.

Viele glauben, dass der Regierungswechsel nur ein paar wenigen genutzt und sie reicher gemacht hat.

Viele glauben, dass der Regierungswechsel nur ein paar wenigen genutzt und sie reicher gemacht hat. Die Oligarchie, mächtig geworden durch die postkommunistische Privatisierung, ist demnach zur neuen Quelle von Furcht und Erniedrigung geworden. „Die Mitgliedschaft in der Kommunistischen Partei ist ersetzt worden durch pralle Scheckbücher“, schreibt Dino auf lidovky.cz, einem Diskussionsforum der unabhängigen, mitte-rechts orientierten Tageszeitung Lidove noviny.

Kommunistische Fähnchen im Wind

Die demokratische Praxis ist ein weiterer Grund für die Politikverdrossenheit. Obwohl die KSC per Gesetz im Jahr 1993 zu einer kriminellen Organisation erklärt wurde, sind nur wenige Mitglieder verurteilt worden. Viele KSC-Karrieristen haben ihren Weg ungehindert fortgesetzt. „1991 sollte mich eine Kommission rehabilitieren, aber wisst ihr, wer darin saß? Dieselben Leute, die mich 1987 gefeuert haben!“, erzählt Krok auf aktualne.cz. Tatsächlich haben die tschechischen Parteien seit dem Fall des alten Regimes zahlreiche Menschen aufgenommen, die ihr Fähnchen offenbar nach dem Wind hängen. Viele davon sind Mitglied der Sozialdemokraten geworden (Česká strana sociálně demokratická, CSSD). Der ehemalige bekennende Kommunist Vlastimil Tlusty war bis vor Kurzem sogar stellvertretender Vorsitzender der rechtsgerichteten bürgerlichen Partei (OSD).

©Wikipedia

Obwohl die CSSD eine Zusammenarbeit mit früheren Kommunisten auf nationaler Ebene ausgeschlossen hat, brachten Koalitionen der Sozialdemokraten mit der KSCM viele ehemalige KSC-Mitglieder bis Ende 2008 in höchste regionale Positionen. „Niemand würde davor zurückschrecken, kommunistische Stiefel zu lecken, wenn er dafür wichtige politische Posten erhält“, schreibt Aveva im Forum auf iDnes.cz, der Homepage der rechtsgerichteten Tageszeitung Mlada Fronta Dnes („MF Dnes“). „Offensichtlich haben diese Menschen nicht gelernt, dass es gefährlich ist, mit dem Teufel zu spielen“, ergänzt Honza49 auf iDnes.cz.

Geläuterte Kommunisten?

Die Kommunistische Partei versichert derweil, dass sie aus den Fehlern ihrer Vorgänger vor 1989 gelernt habe. „Es gibt einen Unterschied zwischen dem Programm der KSCM als einer modernen Partei des 21. Jahrhunderts und der Deformation des Stalinismus, den wir verurteilt haben“, sagte der KSCM-Vorsitzende Vojtech Filip auf actualne.cz. „Niemand wird bei uns die Karrieristen finden, die vor 1989 Mitglied der Kommunistischen Partei waren“, fügte er in der linken Tageszeitung Pravo hinzu.

Im Dezember 1989 veröffentlichte die KSC eine Entschuldigung für die vorherige Unterdrückung, nachdem sie die Macht an frühere Dissidenten abgeben musste. Inzwischen gibt es Stimmen, die eine Wiederholung dieser Entschuldigung fordern. Allerdings trat Filip diesen Spekulationen entgegen, indem er erklärte, dass die Partei bereits Abbitte geleistet habe. „Der Kapitalismus ist gekennzeichnet durch schlimme Verbrechen und Systemfehler, aber für die entschuldigt sich niemand - und es verlangt auch niemand eine Entschuldigung“, ergänzte er zu seiner Verteidigung. Manche glauben indes wirklich, dass die KSCM eine andersartige kommunistische Partei sei, obwohl es keine große Reform gab und die Partei an vielen ihrer Prinzipien von vor 1989 festhält. „Die Kommunisten haben ihren Namen nicht geändert, weil sie glauben, dass es unmöglich ist, ihre Identität radikal zu verändern“, heißt es in der Zusammenfassung der sechsten Parteiversammlung aus dem Jahr 2004.

Postkommunistische Generation

Nur drastische Maßnahmen können ein kommunistisches Comeback verhindern!

Andere glauben, dass nur drastische Maßnahmen ein kommunistisches Comeback verhindern können. „Der größte Fehler war, dass die KSCM 1989 nicht vollständig verboten wurde, obwohl ihr Parteiprogramm grundlegende Menschenrechte verletzt“, schreibt corvus frugilegus auf iDens.cz. Eine Kammer des Parlaments - der Senat - unternahm 2008 einen ersten Schritt in diese Richtung, als sie ihrer Befürchtung Ausdruck verlieh, dass die KSCM die Verfassung verletze. Einige Dokumente und Reden von Parteitagen der KSCM hätten angeblich gezeigt, dass die Partei privates Eigentum verhindern und das politische System komplett verändern wolle, wobei sie Gewalt nicht ausschließe. Darüber hinaus sei die Existenz der KSCM als Nachfolger der KSC bereits verfassungswidrig. Die Kommunisten traten diesen Anschuldigungen allerdings entgegen.

©http://www.flickr.com/photos/docman/

Die Aussöhnung mit der kommunistischen Partei hat sich als schwer herausgestellt für jene Menschen, die mehr als ein halbes Jahrhundert unter ihrem Einfluss leben mussten. Andererseits scheint die postkommunistische Generation den Kern des kommunistischen Regimes nicht richtig zu erkennen. MF Dnes, eine der führenden tschechischen Tageszeitungen, veröffentlichte 2007 eine Umfrage über das Wissen und die Meinung der Menschen, die im Jahr 1989 geboren wurden. Das Resultat: Diese Menschen sehen den Kommunismus vor allem als Konsumenten. Sie erwähnten Mangelwaren, lange Schlangen in den Geschäften und niedrige Preise. „Es gibt kaum Hinweise darauf, dass junge Menschen verstanden haben, wie der Kommunismus in alle Bereiche des Lebens eingedrungen ist und Menschen im Kern ihrer Existenz gedemütigt hat“, kommentierte der Soziologe Jan Hartl in MF Dnes.

Heutzutage wird die Schuld vor allem den überholten Lehrmethoden in den Schulen sowie den Eltern zugeschoben. „Die meisten Mütter und Väter wollen nicht zu viel erklären. Sie müssten dann über ihr eigenes Verhalten sprechen“, sagte der Historiker Petr Blazek MF Dnes. Die kommunistische Partei werde leicht durch den Schleier der Geschichte idealisiert. Jene, die den Kommunismus nicht selbst erlebt hätten, verbünden ihn mit Anti-Globalisierung und Anti-Amerikanismus. Marxistische Ideologie, sagen manche, muss nicht identisch sein mit den totalitären Regimen, die Osteuropa erlebt hat. Andererseits, sagen andere, zeigt die Erfahrung, dass Kommunismus kein direkter Weg zu Gerechtigkeit ist.

Translated from Czech internet forums, KSCM: disillusionment and nostalgia for communist past