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Frankreich: Schwerer Abschied vom alten System

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Martin Schneider

Für den 28. März wurde in Frankreich ein Generalstreik ausgerufen. Aulöser ist der umstrittene Vertrag zur Erstanstellung, CPE. Doch die Probleme liegen tiefer.

Wer demonstriert da eigentlich in Frankreich? Zum einen Studenten, die gegen den Arbeitsvertrag zur Erstanstellung (CPE) protestieren. Der CPE, der für Jugendliche unter 25 Jahren gilt, würde es in den ersten beiden Jahren dem Arbeitgeber erlauben, seinen Angestellten ohne Begründung zu entlassen. Die Studenten protestieren innerhalb der Gesellschaft. Sie fürchten sich vor der Ungewissheit, die sie erwartet.

Letzten Dienstag, den 24. März, wurde ihre friedliche Demonstration von casseurs, jungen Randalierern angegriffen. Diese entluden so ihren Haß auf eine Gesellschaft, aus der sie systematisch ausgeschlossen werden, man drängt sie in quadratische Hochhäuser an den Rand der Städte, wo die Arbeitslosigkeit bis zu 50 Prozent erreicht. Sie greifen die Gesellschaft von außen an.

Doch beide Seiten haben mehr gemeinsam als den CPE.

Undurchsichtiges Regelwerk

Dieser wurde eingeführt, um auf die Unruhen in den Vorstädten, die vergangenen November aufflammten, zu antworten. Aber es ist nur ein Pflaster, wo ein großer chirurgischer Einschnitt gefragt wäre. Da der CPE nur für Jugendliche gilt, droht er, den Graben zu erweitern zwischen denen, die einen sicheren Arbeitsplatz haben und denen, die sich außerhalb des Systems wiederfinden. Er ist auch nicht sehr effizient, sondern nur ein weiteres Gesetz in einem undurchsichtigen, bürokratischen Regelwerk.

Das soll nicht heißen, dass die Protestierenden mehr zu bieten haben. Die Gewerkschaften kämpfen bekanntlich für jene, deren Arbeitsplatz vom französischen Recht abgeschirmt wird. Um die arbeitslose und benachteiligte Jugend kümmern sie sich wenig.

Der Vergleich mit 1968 ist fehl am Platz. Die 68er träumten davon, die Gesellschaft zu verändern, die französische Jugend von heute muss gegen den Staat kämpfen, um ihn zu bewahren. In diesem Zusammenhang ist es äußerst aufschlussreich, sich eine kürzlich veröffentlichte Umfrage anzuschauen: Die meisten jungen Franzosen wollen einen sicheren Job im Öffentlichen Dienst.

Man hat verlernt, miteinander zu sprechen

Doch das kann ihnen der Staat nicht mehr bieten. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Schaffung neuer Jobs wird durch eine restriktive Gesetzgebung behindert. Großbritannien hat dagegen entdeckt, dass der beste Weg, seinen Bürgen soziale Sicherheit zu bieten, in neuen Jobs und nicht im Wohlfahrtsstaat zu suchen ist. Aber anstatt Wege zu finden, sich in einem flexibleren Arbeitsmarkt zurecht zu finden, wollen die Linken zurück zur Sicherheit des alten Systems. Doch die Rücknahme des CPE wird die Probleme in Frankreich nicht lösen.

Denn nicht nur das Arbeitsrecht muss geändert werden. Die Bewegung, die sich nun gegen den CPE geformt hat, richtet sich nicht nur gegen diesen, sondern gegen die ganze Misere des französischen Staates. Dieser kann Einwanderen keine vernünftige Integration bieten, und denen, die bereits integriert sind, keine Sicherheit. Politische Antworten lassen auf sich warten, es herrscht bedrückende Stille. Letzten November wurden in den Vorstädten Autos angezündet, nicht über Programme diskutiert. In der französischen Gesellschaft hat man verlernt, miteinander über Probleme zu sprechen.

Jacques Marseille, der an der Sorbonne Wirtschaftsgeschichte lehrt, betonte in einem Gespräch mit der Tageszeitung Le Monde, dass "der Bruch schon immer Teil unserer Geschichte gewesen ist". Frankreich sei nicht fähig, sich langsam, Schritt für Schritt, zu reformieren. Es brauche Krisen, um voranzukommen. Wenn das wahr ist, dann ist die gegenwärtige Krise eine Chance – und das Schlimmste wäre vielleicht, wenn Regierungschef de Villepin den CPE aufgeben und Frankreich langsam entschlummern würde.

Translated from French workers in the shadow of the old order