Four Lions, die Terror-Satire von Chris Morris
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Hélène WallandDer satirische Debütfilm des Briten Christopher Morris folgt einer Gruppe Dschihadisten aus dem nordenglischen Sheffield auf ihrem steinigen Weg nach Anerkennung. Nachdem der Film im Oktober nun auch in Frankreich und Dänemark angelaufen ist, werfen wir einen Blick auf Morris‘ Umgang mit dem immer wieder heiklen Thema 'Terrorismus' - fünf Jahre nach den Londoner Bombenattentaten vom 7. Juli 2005.
In Großbritannien haben Komödie und Tragödie eine sehr enge, wenn auch heikle Beziehung. Oft erzählt diese tragikomische Mischung die Fähigkeit der britischen Kultur, Licht in die selbst dunkelsten Ecken zu bringen. Und wer wäre in diesem Fall besser als Zeremonienmeister geeignet, um den heiligen Bund eines der kontrovers diskutierten Themen unserer Zeit mit dem Genre der Komödie zu schließen, als der 45-jährige Regisseur Christopher Morris…
Christopher Morris: Comeback nach Paedogeddon
Morris war eigentlich eine wohlbekannte Figur in der britischen Comedy-Szene und vor allem berühmt-berüchtigt für seine Parodien von Nachrichten und Dokumentarfilmen. Trotzdem war es in den letzten Jahren recht ruhig um Chris Morris geworden. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere produzierte der Satiriker aus Bristol Paedogeddon, eine anrüchige Fernseh-Doku über Pädophilie, die den Abschluss seiner "Brass Eye Serie" von 2001 bildete. Paedogeddon ist eine Kritik an der modernen Medienberichterstattung, die sich gewaschen hat, und der einmalige Versuch, den Hang der Medien zu Übertreibung und allgemeiner Panikmache hervorzuheben.
Von den Fans direkt als Klassiker gefeiert, kam das Format bei der konservativen Presse allerdings gar nicht gut weg. Diese verurteilte Morris‘ Arbeit als unverantwortlich, was in einem Rekord an Klagen gegen den britischen Fernsehsender gipfelte. Der Regisseur wurde daraufhin aus dem öffentlichen Fernsehen verdrängt, da Channel 4 seinen Ruf so schnell wie möglich wieder reinwaschen wollte. Seitdem hat Chris Morris die britische Komödie nur noch wenig beeinflusst.
Aber nun ist er zurück - mit seinem ersten Spielfilm Four Lions, der in Großbritannien bereits am 7. Mai 2010 anlief. Darin macht er das, was er am besten kann: eine gute Komödie produzieren und damit Kontroversen schaffen. Für einen Film, der ein solch hochexplosives Thema wie Terrorismus auf den Plan holt, ist der Inhalt des neuen Morris-Streifens allerdings eher trocken. Four Lions beleuchtet die täglichen Banalitäten einer Gruppe aufstrebender Terroristen, die ein Attentat in London planen. Vom Bestellen großer Mengen Bleichmittel zur Sprengstoffherstellung bis hin zum Transport der Bestandteile - das Ganze unter einem grauen Himmel über Sheffield - unterstreicht der Film vor allem praktischen Belange, vermischt mit einem untergründlich durchschimmernden Fanatismus. Die vier fast wahllos zusammengestellten Mitglieder der Terrorzelle verfangen sich in schonungslosen Zankereien im Kampf mit alltäglichen Vorschriften. Die Protagonisten versuchen unaufhaltsam ihre Aktivitäten zu rechtfertigen: Auch im alltäglichen Leben wenden sie ihre zusammenhangslosen und verwirrten Prinzipien an.
Es ist jedoch die hervorragende Besetzung, die das sparsam daherkommende Drehbuch wirksam umsetzt. Chris Morris hat recht unerfahrene Schauspieler gewählt, denen es - vor allem dank der großartigen Hauptrolle des Omar, gespielt vom 28-jährigen Riz Ahmed - aber keinesfalls an Größe fehlt.
Alltäglicher Terror
Großer Dank gebührt dem Genre der Komödie, das Morris Auseinandersetzung mit solch einem Tabuthema erst möglich macht. Die Satire gibt dem Filmemacher die Möglichkeit, die Absurditäten der isolierten islamischen Extremisten, die im Vereinigten Königreich, Europa und der Welt leben und gegeneinander kämpfen, auseinander zu nehmen. Nur so schafft es Morris, unter dem dünnen Schleier der Komödie, zum Herzstück des heiklen Themas vorzudringen und es als das darzustellen, was es meistens nur hintergründlich ist: auf amüsante Weise "bekloppt".
Omars (Riz Ahmed) tägliche Prüfungen richten die Aufmerksamkeit auf die menschlichen Seiten eines Terroristen und darauf, wie er mit seinen eigenen Emotionen und Überzeugungen kämpft, die ihn auch, allerdings zu spät, zur Erkenntnis führen. Es ist auch ebendiese Rolle Omars, die für die meisten Lacher sorgt. Mit seinem Stino-Charakter (für eine Chris Morris Komödie) ist Waj (vom britisch-iranischen Schauspieler Kayvan Novak verkörpert) im Film zudem immer dabei, einen hirnlosen Kommentar abzugeben, und gibt somit den Aufhänger mancher Szenen, die einer traditionell strukturierten Komödie folgen. Und das funktioniert! Gekoppelt mit einer tadellosen Regie und Produktion, hat Chris Morris mit Four Lions eine hochwertige und sehr britische Komödie geschaffen.
Wie immer sind die Arbeiten von Morris (der auch selbst am Drehbuch mitgeschrieben hat) nicht ohne Kritik. Für viele berührt der Film eine noch offene Wunde, namentlich die Bombenanschläge in der Londoner U-Bahn vor fünf Jahren. 'Fünf Dschihadisten aus dem Norden Englands, die einen Anschlag auf die Hauptstadt planen', ist für viele Kritiker eine allzu real daherkommende Parodie, so auch das Argument der 52 Opferfamilien der Londoner Anschläge vom 7. Juli 2005. Für den Rest jedoch bietet Four Lions die einmalige Möglichkeit, das Lächerliche der Lächerlichkeit preiszugeben.
Fotos/ Video: ©FourLions.co.uk
Translated from Film review: terrorist comedy ‘Four Lions’ by Chris Morris