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Flotte für Gaza: Ich bin ungehorsam also bin ich

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Annika Schlüter

Gesellschaft

Bauern nehmen McDonalds auseinander, Angestellte nehmen ihren Chef als Geisel, Lehrer hören ihren Ministern nicht zu, Kinder streiken und eigentliche Wohlstandsbürger kiffen. Ungehorsam ist trend. Auch auf dem Meer.

Gegen Verbote verstoßen tut gut. Sobald man uns verbietet eine Tür zu öffnen, öffnen wir sie, genauso wie Blaubarts Frauen. So ähnlich läuft das auch nach 5 Jahren israelisch-ägyptischer Blockade, da ist der Ungehorsam quasi vorprogrammiert, sogar bei den legalsten unter den Juristen. Aufsässigkeit, ick hör Dir trapsen...

Ein klein wenig ziviler Ungehorsam, der der Kampagne einen Schub gibt?

„Bleibt menschlich“ wird gegrölt

Ein Jahr nach dem tödlichen Angriff auf die Marvi Marmara, geht - beziehungsweise rudert - der Schlamassel weiter oder fängt wieder von vorn an. Die Arche Noah in Kriegsversion sticht wieder mit Aktivisten, Persönlichkeiten von Verbänden, Anonymen, Politikern und Journalisten in See, um den Gaza-Bewohnern auf einer zweiten Freiheitsflotte, (getauft „Bleibt menschlich“) bei der Sintflut (ein Mythos, der von katastrophalem Regen erzählt) zu Hilfe zu kommen.

Das Ziel? Nicht nur humanitäre Dienste leisten, denn 6 000 Tonnen Güter werden bereits täglich in den Gazastreifen geschickt. Es ist mehr als das. Es geht darum, ordentlich Lärm zu machen und die Flaschen fest und weit ins Meer zu werfen, damit sie auf der Welle der Indignados (span. Empörten) und Stéphane Hessels mitschwimmen. Im Großen und Ganzen soll nicht nur eine Welle, sondern am besten gleich ein ganzer Tsunami verursacht werden, der die öffentlichen Meinungen mit einer rebellischen und haarsträubenden Radioaktivität ansteckt.

Ungehorsam? Stolz!

Aufhetzer, Tagtträumer, gute Seelen und unerfahrene Seefahrer haben auf jeden Fall nichts verstanden.

Die Eintagsmatrosen häufen ganz schön was an. Da wäre: Israel widersprechen, der UNO widersprechen, der Europäischen Union, den Amerikanern und den Russen, die eine neue Gewalteskalation aufgrund der Flotten befürchteten, widersprechen, Griechenland widersprechen, der europäischen Wiege der Demokratie, welche die empörten Matrosen nur noch in Anführungsstriche setzten, wenn sie von den Hellenen sprechen. Da kommt einiges zusammen. Wenn dann noch das meist gelesene französische Tagesblatt, die seriöse Le Monde „mit an Bord geht“, häufen sich die Kommentare. „Schwachsinn“, ein „Kampf der Entehrung“, eine „Zurschaustellung“, „ein Scherz“, eine „Kreuzfahrt auf gerader Linie“.

Aber sind die Gleichgültigen des Ungehorsams schlussendlich unmenschlicher als die Aushilfsmatrosen? Nicht wirklich. Sie sind allenfalls genauso überzeugt Recht zu haben, wie die Anderen. Die Aufhetzer, Tagträumer, guten Seelen oder unerfahrenen Seefahrer dieser Welt haben nichts verstanden. Sie haben keinen blassen Schimmer von nichts, ihre Schiffe sind zu klein und ihre Frisuren außer Mode.

Kommt ein Bürger, der wählt, weniger weit, als ein Aktivist der rudert?

Gehorsam verweigern ist eine Lebenskunst, ein wenig wie feng shui (die Kunst Energie und Umwelt in Einklang zu bringen). Nicht jeder fühlt sich davon angesprochen. Doch es geht sogar noch darüber hinaus. Er wird uns doch jetzt wohl nicht mit Stanley Milgram kommen? Und ob er das tut! Man sollte Milgram abends kennen lernen. Sein bekanntes psychologisches Experiment lehrt uns, dass im Rahmen eines gefakten Experiments unter Anleitung eines Wissenschaftlers etwa zwei Drittel der Probanden Versuchskaninchen (ebenfalls gefakte) Elektroschocks von 450 Volt versetzen. Unter professioneller Anleitung hat man die Gewohnheit zu gehorchen. Doch der Bürger muss genauso lernen ungehorsam zu sein. Rony Brauman, ehemaliger Präsident der Organisation Ärzte ohne Grenzen, und Eyal Sivan nennen ihr Buch zur Doku über den Eichmann-ProzessÉloge de la désobéissance (dt. Lob des Ungehorsam). Denkt immer daran - dem Trend folgen!

Fotos: Homepage (cc)Nwardez/flickr ; Jack Sparrow (cc)Tugoriodetom/flickr ; I resist (cc)Neverbeforethecampaign/flickr ; Video (cc)Bateaugaza.fr/Youtube

Translated from Un bateau pour Gaza : je désobéis donc je suis