Europas neues Triumvirat
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nora s. stampflAngela Merkel, eventuell bald Deutschlands neue Kanzlerin, und der mutmaßliche Chirac-Nachfolger Nicolas Sarkozy kommen Tony Blair näher. Blicken wir einer neuen Machtbalance in Europa entgegen?
Manchmal sind es kleine Gesten, die ausreichen, um die ganze Geschichte zu erzählen. Als Angela Merkel, Deutschlands Oppositionsführerin und erwartete Gewinnerin der Bundestagswahl am 18. September, in diesem Jahr Frankreich besuchte, standen drei offizielle Begegnungen auf dem Terminkalender: Treffen mit Präsident Jacques Chirac und Premierminister Dominique de Villepin lagen klar auf der Hand. Aber auf der Liste stand auch Nicolas Sarkozy, Frankreichs Innenminister und Chef der rechtsgerichteten Partei UMP, der als heißer Tipp für die Übernahme der Präsidentschaft von Chirac 2007 gehandelt wird.
Wie sie so nebeneinander saßen, die Sprachbarriere durch Dolmetscher überbrückt, ließen weder Gesichtsausdruck der beiden Politiker noch ihr übereinstimmendes Nicken Zweifel: Hier sitzen zwei zukünftige Staatsführer, die sich blendend verstehen. Während also Chirac höflich einen gemeinsamen Fototermin mit Deutschlands potentiell erster weiblicher Kanzlerin ablehnte, nahmen Merkel und Sarkozy eine solche Gelegenheit gerne wahr und verabschiedeten sich in bester Stimmung.
Eine besondere Freundschaft
Und tatsächlich haben Merkel, 51, und Sarkozy, 50, hinter der freundlichen Fassade eine Menge gemeinsam. Beide sind, was man moderne Konservative nennen könnte, deren gemeinsame Überzeugung hinsichtlich einer marktwirtschaftlich ausgerichteten Politik sowie der Notwendigkeit von Reformen sowohl in deren eigenen Ländern als auch – in gewissem Umfang – in der EU allseits bekannt ist. Ein weiteres gemeinsames Charakteristikum, das sie am stärksten von ihren Vorgängern, Schröder und Chirac, unterscheidet, ist ihre Nähe zu den USA. Sowohl Merkel als auch Sarkozy, von der französischen Presse gelegentlich als Sarkozy l’Américain bezeichnet, sind fest überzeugt von der Brücke zwischen Europa und den USA - auf den Punkt gebracht: zwischen Deutschland, Frankreich und den USA -, und dass diese Brücke wiedererrichtet werden müsse.
Kein Wunder, dass all dies von noch jemandem mit großem Interesse beäugt wird: Großbritanniens Premierminister Tony Blair, der wegen einer Reihe von Angelegenheiten des Öfteren mit Schröder und Chirac aneinander geraten ist, würde zweifellos einen Wechsel in der politischen Elite von Europas einflussreichsten Staaten willkommen heißen. Warum Blair das Duo Merkel-Sarkozy begrüßen würde, ist nicht schwer zu erkennen. Deren Wunsch nach marktgerichteten wirtschaftlichen Reformen, deren (obgleich vorsichtiges) Infragestellen der in ihren Ländern eingerichteten großzügigen Sozialmodelle und vor allem deren Offenheit gegenüber den Vereinigten Staaten sind Musik in Blairs Ohren.
In Richtung einer gemeinsamen Politik?
Blair ist auch nicht zögerlich, sein Einverständnis kundzutun. Als der Premierminister im Juni Deutschland besuchte, war es, entgegen des diplomatischen Protokolls, nicht Kanzler Schröders Büro, das den ersten Platz auf der Liste seiner Reiseziele einnahm. Stattdessen war Blairs erster Halt die britische Botschaft, wo schon eine lächelnde Merkel auf ihn wartete.
Und Merkel, die in Erinnerung an Großbritanniens Lady Thatcher von einigen als Deutschlands „Eiserne Lady“ bezeichnet wird, freut sich, das Entgegenkommen erwidern zu können. In der kürzlich stattgefundenen Auseinandersetzung über Großbritanniens umstrittenen EU-Rabatt, ein Vermächtnis aus Thatchers Zeiten, drückte Merkel Verständnis für die schwierige Verhandlungsposition des Premierministers aus. Sie erklärte, dass Großbritannien als Nettozahler der EU deutlich weniger an landwirtschaftlichen Subventionen erhalte als andere Länder.
Sarkozy macht ebenso wenig ein Geheimnis aus seiner Bewunderung für Großbritanniens Premierminister. Nach einem Bericht der Times sagte er im Juli, Frankreich brauche „eine Thatcher und einen Blair, um die Wirtschaft wieder zum Leben zu erwecken und die 50 Jahre alte Politik zu überwinden.“ Dieser gegenseitigen Bewunderung nach zu urteilen, könnte aus einem Merkel-Sarkozy-Blair Triumvirat tatsächlich eine Arbeitsbeziehung entstehen, die sich daran macht, den dringend benötigten Hauch frischer Luft durch die Schaltstellen der EU zu blasen.
Eine vollkommen klare Sache?
Allerdings bleibt eine Fülle kontroverser Themen, wovon eines der bedeutendsten die EU-Mitgliedschaft der Türkei ist. Während Blair das überwiegend muslimische Land früher oder später als Teil der Union sieht, setzen sich sowohl Merkel als auch Sarkozy dem heftig entgegen und favorisieren stattdessen eine so genannte „privilegierte Partnerschaft“. Darüber hinaus wird Blair voraussichtlich den umstrittenen Britenrabatt nicht aufgeben. Andererseits ist kaum damit zu rechnen, dass Deutschland und Frankreich bei der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU stark nachgeben werden, da diese Subvention enorme Zuwendungen für deutsche und französische Bauern darstellen und Blair immer noch ein Dorn im Auge ist.
Es bleibt abzuwarten, wie viel des momentanen Schulterklopfens zwischen den drei Politikern eine leere Geste bleibt und wie viel davon in echte gemeinsame Politik umgesetzt wird. Noch bedeutender könnte jedoch eine andere Frage sein: Kann in einer Europäischen Union mit 25 Mitgliedsstaaten Achsenbildung welcher Art auch immer das richtige Mittel sein, um das Projekt wieder auf den richtigen Pfad zu bringen? Es besteht wenig Zweifel, dass jede neue Achse, sei es Berlin-Paris, Berlin-London oder tatsächlich ein Dreigestirn, Gefahr läuft anzuecken, entweder bei anderen großen Mitgliedsstaaten, wie Spanien oder Italien, oder bei einflussreichen neuen Mitgliedern wie Polen.
Translated from Europe's new triumvirate