Europa in Syrien: Ein unberechenbarer Krieg
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Dinah AzizEuropäische Länder haben sich kürzlich weiter im Syrischen Bürgerkrieg engagiert. In was haben sie sich genau verwickelt und wo wird diese Entscheidung Europa hinführen?
Letzte Woche hielt ich mich vor den „Houses of Parliament“ auf, als das Unterhaus gerade über die Intervention Großbritanniens in Syrien entschied. Ein wichtiger und kontrovers diskutierter Teil des Antrags beinhaltete die Ausdehnung der Luftangriffe vom Irak auf Syrien.
Aktivisten der "Stoppt den Krieg"-Koalition waren dort en masse vertreten, um gegen den möglichen Syrien-Einsatz von Großbritannien zu protestieren. Zum Antrag kam es, weil Regierungsmitglieder nach den Attentaten vom 13. November Frankreich im Kampf gegen ISIS, Daech oder den "sogenannten Islamischen Staat", wie die BBC ihn nennt, beistehen wollte.
Nach einer langen Debatte und einer sensationell endenden Rede der Schatten-Auβenministerin Hilary Benn stimmte das Parlament für den Antrag und folgte Frankreichs Aufruf. 16 zusätzliche Kampfjets werden zu denjenigen, die Daech bereits im Irak bombardieren, hinzukommen.
Am Freitag, dem 4. Dezember, stimmte das deutsche Parlament auch für den Einsatz der Bundeswehr in Syrien. Aufklärungs- und Tankflugzeuge werden über Syrien fliegen. Damit stellt die deutsche Regierung ihre Solidarität zu Frankreich zur Schau.
Belgien und Dänemark sind in den Anstrengungen der Koalition involviert. Der Konflikt, in dem Europa im Mittleren Osten verwickelt ist, hat viele Implikationen; und der Teufel steckt in den viel besagten Details, Details die letztendlich für Europa von Bedeutung sind.
Eines der Probleme, vor dem Europa durch den Krieg zunehmend steht, ist die Anzahl der Vertriebenen, von denen viele den Flüchtlingsstatus beantragen. Deutschland hat bisher die Hauptlast der europäischen Verantwortung gegenüber den Flüchtlingen übernommen - was Merkel in Deutschland, wo euroskeptische Parteien wie die AfD an Einfluss gewonnen haben, nicht gerade geholfen.
Das andere Problem ist die terroristische Bedrohung, die von Daech ausgeht. Die Terrorgruppe hat all jeden den Krieg erklärt, die nicht ihrer absoluten Weltanschauung zustimmen. Sie werden von Saudi Arabien und Qatar finanziert (die angeblich Verbündete des Westens sein sollen), sind gut organisiert und besetzen Territorien in Syrien und im Irak, und Städte wie Raqqa und Mosul. Mehr als 1,5 Millionen Menschen leben in der nordirakischen Stadt.
Die Entscheidung, die Bombardierungen auszudehnen, muss in den Kontext nach den Attentaten in Paris eingebettet werden. Militärische Interventionen machen nicht besonders viel Sinn, wenn es nicht genug koordinierte Bodentruppen gibt, um Daech zu bekämpfen. Die Koalition verfügt bislang nicht über Bodentruppen, sondern nur über Flugzeuge, die aus der Luft bombardieren.
Das heißt, dass sich Kampferfolge gegen Daech langsamer einstellen, weil - wie der Parlamentarier Barry Gardner in der Debatte im Unterhaus erklärte - Luftanschläge dazu geeignet sind, Bodentruppen die Gelegenheit zu bieten, einzumarschieren. Wenn es keine Bodentruppen gibt, ist dies eine verpasste Gelegenheit.
Die Koalition behauptet zwar viele von Daeshs Anführern auβer Gefecht gesetzt oder eliminiert zu haben. Doch einige hochrangige amerikanische Persönlichkeiten sind der Meinung, dass es schwierig sei, die Gruppe zu destabilisieren, da die Organisation dezentralisiert strukturiert sei.
Daher werden die Luftangriffe weitgehend ohne Effekt bleiben, solange Daech mit organisierten Bodengruppen agiert. Zusätzlich könnte dies sogar zu mehr Flüchtlingen führen, was Europas Probleme noch verschlimmern würde. Und noch schrecklicher: Noch mehr unschuldige Zivilisten könnten ums Leben kommen.
Auch wenn Großbritannien nicht die Zivilbevölkerung ins Visier nehmen wird, müssen wir uns über die Tatsache im Klaren sein, dass sich unter den Zivilisten auch Sunniten befinden. Der Parlamentarier Sir Edward Leigh verdeutlichte während der Debatte im Unterhaus, dass die Sunniten eventuell Daech der schiitischen Miliz vorziehen könnten, obwohl die Sunniten nicht die radikalen Ansichten von Daech teilen. Falls der Westen sie bombardiert, könnten sie zu Daech überlaufen.
Daesh wird auf jeden Fall die Bombardierungen nutzen, um ihre Propaganda-Kampagnen anzuheizen und so viele Menschen wie möglich davon zu überzeugen, an dem djihad Krieg teilzunehmen. Die Terrorgruppe kontrolliert eine Region mit sechs Millionen Bewohnern. Seitdem dieser Machtübernahme sind die militärischen Konsequenzen für Europa und die Region selbst ungewiss.
Ungefähr 9 Millionen Syrer sind geflohen. 1,6 Millionen sind momentan in der Türkei. Sie könnten Europa zu ihrem neuen Zuhause machen, solange der Krieg in ihrer Heimat noch wütet. Die Möglichkeit, dass noch mehr Flüchtlinge nach Europa kommen, setzt das Schengen Abkommen unter zunehmenden Druck.
Drei Milliarden Euro gibt die Europäische Union der Türkei, um Flüchtlingsströme einzudämmen, Grenzen besser zu kontrollieren und Auffanglager einzurichten. Die Türkei wird für ihre Grenzverwaltung von den NATO-Verbündeten auf den Prüfstand gestellt, da es Daesh ermöglicht, die Grenzregion zu nutzen, um dort Öl zu verkaufen. Die Türkei hat auch eine komplizierte Beziehung zu den kurdischen Kräften, dies führt dazu, dass es für die Türkei schwieriger wird, an allen Fronten präsent zu sein.
Diese Bedenkenauch von einigen Sprechern unterschiedlicher politischer Ausrichtung geäußert: vom konservativen Rebell David Davis und dem ehemalige SNP-Vorsitzenden Alex Salmond. Falls die Türkei diese Strategie weiterverfolgt und je nach dem wie sich der Krieg entwickelt, wird Europa sich eventuell gezwungen sehen mit einer starken diplomatischen Maβnahme zu reagieren, vielleicht sogar zugesagte Finanzierungen zurückzuziehen. Je länger es dauert, Daesh zu zerstören, umso mehr Flüchtlinge werden nach Europa kommen und umso werden wir vom Terrorismus bedroht.
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Dieser Artikel wurde von cafébabel London publiziert.
Translated from Europe and the Syrian civil war: Greater crises await