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Es lebe der 'Brain Drain'!

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Default profile picture kevin byrne

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Default profile picture susanne wallenöffer

Zusammenwachsen und bessere Wettbewerbsfähigkeit kann in Europa nicht ohne den internen Austausch von Talent erreicht werden. Wie das Beispiel Irland zeigt, geht es nicht so sehr um den Verlust von hochqualifizierten Leuten als vielmehr um den temporären Austausch von Talenten.

Die Geschichte des gebürtigen Rotterdamers Gerrit Gerritszoon ist gar nicht so ungewöhnlich: Herr Gerritszoon, ein hervorragender Student, zögerte nicht seine Heimat zu verlassen, als er die Chance bekam in Paris zu studieren. Einmal dort angekommen, übertraf er alle in seinem Fachgebiet und reiste durch Frankreich, um an den angesehensten Institutionen zu studieren. Trotz seiner Erfolge wollte er nirgends Wurzeln schlagen. Während seiner Karriere studierte und lehrte er an Universitäten in Oxford, Cambridge, London, Turin, Bologna, Venedig und Rom. Er lebte auch eine Zeitlang in Deutschland und in der Schweiz. Man könnte die Niederländer verstehen, wenn sie den Verlust eines so talentierten Studenten für ihr Land beklagen würden. Aber anstatt zu jammern, feiern sie gemeinsam mit allen Europäern das Leben dieses Auswanderers als Beitrag für den Kontinent. Gerrit Gerritszoon ist zweifellos besser unter seinem lateinischen Spitznamen bekannt: Erasmus von Rotterdam. Der mittelalterliche Gelehrte ist für seinen Einfluss auf das europäische Denken berühmt und inspirierte das EU-weite Mobilitätsprogramm für Studenten und Lehrer, das seinen Namen trägt.

Nicht Verlust sondern Austausch

Obwohl derzeit die negativen Aspekte des „Brain Drain“ im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stehen, zeigt die Geschichte von Erasmus doch auch, dass Mobilität eines der fundamentalen Prinzipien der Europäischen Tradition ist. Im Mittelalter bereisten so genannte clerici vagantes den Kontinent. Diese umherziehenden Geistlichen reisten zwischen den kulturellen Zentren in Europa hin und her und tauschten so neue Ideen aus. Im Prinzip waren sie so die „Träger der Kultur“ und haben als solche auch zur Gründung von Universitäten beigetragen. Das Konzept des umherwandernden Gelehrten wird jetzt durch Programme wie Erasmus auf pan-europäischer Ebene massiv wiederbelebt.

Der Austausch von europäischen Studenten und Bürgern ist der Schlüssel zur kulturellen Bereicherung und zur wirtschaftlichen Entwicklung des Kontinents. Noch nie war es so einfach und so üblich ins Ausland zu gehen wie heute. Die Bedeutung dieses „ Austausch von Intelligenz“ wird durch die anhaltende Vertiefung und Erweiterung zwischen den europäischen Hochschulsystemen noch unterstrichen. Inzwischen haben sich 45 Länder den Zielen des Bologna-Prozesses verpflichtet. Dieser Prozess hat als Ziel die Schaffung eines einheitlichen europäischen Hochschulraums bis zum Jahr 2010.

EU Mobilitätsprogramme wie Erasmus und Tempus, das die Modernisierung der höheren Bildung in den Partnerstaaten in Osteuropa, Zentralasien, auf dem Balkan und in der Mittelmeerregion unterstützt, sind ein großer Erfolg. Die Zahl der Teilnehmer ist in den letzten Jahren auf über 150.000 pro Jahr gestiegen, und diese Zahl soll bis 2011 auf 300.000 pro Jahr anwachsen. Diese Programme sind nicht darauf ausgerichtet, dass die Studenten ihre Heimat für immer verlassen; vielmehr sollen die Austauschstudenten die Fähigkeiten erlernen, neue Ideen und kulturelle Sichtweisen in ihren Heimatländern zu verbreiten, so zu einer besseren Integration beitragen und die Freundschaft zwischen den europäischen Völkern vertiefen.

Irland macht Mut

Die zehn neuen EU-Mitgliedsstaaten brauchen vor der temporären Abwanderung von hochqualifizierten Kräften keine Angst zu haben. Wenn man sich einmal die positiven Effekte der EU-Mitgliedschaft und den Anstieg der Einschreibungen an Universitäten ansieht, wird einem klar, dass der gefühlte Exodus von talentierten Menschen für die ost- und zentraleuropäischen Staaten kein Hemmnis darstellt. Die neuen Mitgliedsstaaten können sich auch das Beispiel Irlands zu Herzen nehmen. Als Irland 1973 der EU beitrat, war Auswanderung im großen Stil seit 1840 ein wiederkehrendes Thema für die Nation. Inzwischen ist dank des wirtschaftlichen Aufschwungs innerhalb einiger Jahre die Trendwende vollzogen, und Irland ist heute nach mehr als einem Jahrhundert wieder ein Einwanderungsland.

Wir müssen aufhören das Phänomen der Völkerwanderung einseitig zu betrachten und sollten die guten Seiten nicht außer Acht lassen. Wenn man sich einmal die positiven Ergebnisse der Mobilität und die Vorteile einer EU-Mitgliedschaft ansieht, stellt man fest, dass diese Generation von umherziehenden Studenten und Arbeitskräften auf lange Sicht dem europäischen Kontinent und den einzelnen Ländern nur Vorteile bringen kann.

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Translated from Vive the Brain Drain