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El Dorado in England

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Default profile picture roberto foa

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Default profile picture anja pfau

Während die Jugend auf dem Kontinent von Praktika und elterlicher Unterstützung lebt, sitzen ihre Londoner Altersgenossen in sicheren Jobs und bringen beträchtliche Gehaltsschecks nach Hause.

David Müller ist deprimiert. Mit Ende Zwanzig, nach Beendigung seines Studiums in den USA, kehrte er nach Berlin zurück, um sich hier niederzulassen, ohne jedoch Arbeit zu finden. "Zuerst suchte ich nach einem Posten bei der Regierung, aber auf jede Stelle kamen hunderte Bewerbungen und ich hatte nicht, wie der Rest, jahrelang Praktika absolviert. So beschloss ich, in der Unternehmensberatung anzufangen, aber letztendlich kam ich nicht einmal bis zum Vorstellungsgespräch." Nun bleibt David nichts anderes übrig, als andere Möglichkeiten ins Auge zu fassen. Er hat einen Job in der Werbebranche angenommen, ist jedoch der Meinung, dass er aufgrund seiner Qualifikationen Besseres verdient. Sollte er seine Sehnsüchte aufgeben und sich einfach niederlassen oder die nächsten Jahre als Praktikant arbeiten, um seinen Lebenslauf aufzukmotzen, um eine anspruchsvollere Arbeit zu finden?

Kein Einzelfall

Davids Fall ist typisch für die “verlorene Generation”. Damit sind tausende talentierter junger Europäer gemeint, deren Potential vergeudet wird, da sie endlosen befristeten Jobs, Praktika und Studiengängen nachgehen, unfähig, eine Arbeit zu finden, die ihre Bedürfnisse nach Würde und finanzieller Unabhängigkeit befriedigt. Aber dieses Dilemma würde bei den zahlreichen jungen Berufstätigen, die sich freitags nach der Arbeit auf ein paar Drinks in den Londoner Pubs zusammenfinden für erstaunte Blicke sorgen – und vielleicht ein kleines bisschen Schadenfreude.

Jean Barret, ein 22jähriger französisch-britischer Cambridge-Absolvent feiert gerade seinen Abschluss – und den zweiten Monat im bezahlten Anstellungsverhältnis. Er musste jedoch nicht einmal nach einem Job suchen, da man an ihm interessiert war. „Ich wusste noch nicht genau, was ich nach der Uni machen sollte, ich dachte daran, nach Hause zurück zu kehren und vielleicht zu reisen. Dann erhielt ich jedoch eine E-Mail von einem Freund, der sagte, dass er eine Stelle, die mit 34500 € im Jahr bezahlt werde, ablehnen musste und mich für den Posten empfohlen hätte. Eine Woche später saß ich im Vorstellungsgespräch und das war alles – innerhalb weniger Tage verdiente ich Geld.“

Gold liegt auf der Straße

In London funktioniert die Wirtschaft wie ein Magnet – selbst wenn du versuchst, ihr zu entkommen, wirst du früher oder später wieder von ihr angezogen. Wenn es nicht die Höhe deiner Miete ist, sind es die hohen Gehälter deiner Freunde, die dich schließlich dazu bringen, auf Arbeitssuche zu gehen: In diesem Jahr liegen die durchschnittlichen Anfangsgehälter von Universitäts- und Hochschulabsolventen bei einem Rekord von 26500 £, das entspricht 38000 €. Praktika sind kaum gefragt und viele gehen ins Berufsleben, nachdem sie die Universität mit 21 verlassen haben.

Der Kontrast zur Situation auf der anderen Seite des Ärmelkanals könnte nicht größer sein: in Frankreich und Spanien liegt die Jugendarbeitslosigkeit bei 22%, in Italien bei 24% und in Griechenland bei 27%. In Deutschland ist die offizielle Zahl, Dank des Ausbildungssystems, wesentlich niedriger. Zum einen wird dadurch jedoch die hohe Zahl junger Deutscher, die im Alter zwischen 20 und 30 Jahren gemächlich weiterstudieren, sowie ihr stagnierender Arbeitslohn verschleiert, zum anderen sagt dies nichts über die Hürden aus, denen sich Deutsche ausgesetzt sehen, die vom Auslandsstudium zurückgekehrt sind, um eine Arbeitsstelle im eigenen Land zu suchen.

Dass es wenig Protest gegen ein System gibt, das die Jugend Europas um ihre Zukunft betrügt, ist befremdlich, aber vielleicht auch nicht, wenn wir bedenken, dass die Ehrgeizigsten den langen Weg in andere Städte antreten würden, wo ihre Fähigkeiten belohnt werden. Die französische Bevölkerung Londons wird momentan auf 40000 bis 200000 Menschen geschätzt, was Frankreichs viertgrößter Stadt entspricht. Währenddessen setzt wieder illegale Auswanderung der Italiener nach New York ein -lange Zeit als entfernte Episode des frühen 20. Jahrhunderts erachtet - mit 36000 illegalen Neuankömmlingen in den letzten zehn Jahren, laut der New Yorker Auswanderungsbehörde.

Dualer Arbeitsmarkt

Die Ursache dieser Auswanderung der europäischen Jugend aus Ländern wie Frankreich oder Italien ist die Babyboomer Generation, die sich weigert, ihre Arbeitsplatz- und Rentensicherheit zu opfern, und dies, obwohl ihre Kinder dadurch von stabilen Beschäftigungsverhältnissen und ausreichenden Einkommen, um sich ein Eigenheim zu finanzieren, abgehalten werden. Demzufolge existiert einerseits ein dualer Arbeitsmarkt aus "Insidern" zwischen 30 und 55, die in stabilen Beschäftigungsverhältnissen stehen – und andererseits die "Outsider" unter Dreißig oder über Fünfzig, die gezwungen sind, auf unabsehbare Zeit befristete Stellen anzunehmen oder weiterzustudieren bzw. die Frührente in Kauf zu nehmen. In Großbritannien und Irland wurde diese Konstallation 1980 durch eine umstrittende Arbeitsmarktreform überwunden. Unangenehme Konsequenzen waren die Folge: Im Vereinigten Königreich verloren in den frühen 1990er Jahren tausende Berufstätige mittleren Alters ihre Jobs, als die Verkleinerung und Umstrukturierung von Firmen einsetzte. Sie konnten jedoch mit neu erlangtem Produktivitätswachstum wieder Arbeit finden und - noch wichtiger - ihre Kinder ebenso.

Kann das System ohne die gleichen unangenehmen Folgen reformiert werden? Wahrscheinlich nicht. Dennoch hätten die Wirtschaften der Staaten des europäischen Kontinents viel von ihren Exil-Bevölkerungen zu gewinnen und müssen jetzt Reformen einleiten, um sie nicht vollends zu verlieren. Viele Leute würden in ihre Heimatländer zurückkehren, wenn sie die Möglichkeit hätten - und ihre Kenntnisse, ihr Vermögen und ihre Unternehmen aus dem Ausland mitbringen: Irische Auswanderer in Großbritannien und den USA kehrten in den 1990er Jahren scharenweise nach Irland zurück, als die Wirtschaftsreform sichere ökonomische Rahmenbedingungen garantierte. In der Tat zieht es die meisten Skandinavier, die in London, Chicago oder Minneapolis arbeiten, nach einigen Jahren angezogen vom blühenden Geschäftsklima Malmös, Kopenhagens, Stockholms und Helsinkis wieder nach Hause zurück.

Ländern wie Frankreich, Italien und Deutschland mangelt es nicht an talentierten, unternehmerischen, hart arbeitenden jungen Menschen. Sollten sie jedoch keine Reformen durchführen, werden sie diese Leute verlieren.

Story by

Translated from Continental blues