Einwanderung: Europäisch-afrikanische Annäherung
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judith c. krollAm 22. und 23. November diskutieren in Tripolis Vertreter von EU und Afrikanischer Union über Migration und Entwicklungschancen für Afrika.
„Wir verstehen die Entscheidung der USA, aber für uns ist der Bau von Mauern etwas, das zum Glück in Europa der Vergangenheit angehört. So etwas möchten wir nirgendwo wiederholt sehen“. Mit dieser deutlichen Kritik gegen die USA lehnte kürzlich eine Delegation des Europaparlamentes während einer Reise nach Chile das wichtigste Projekt der USA gegen illegale Einwanderung ab: Die USA planen, eine Mauer an ihrer Grenze zu Mexiko zu errichteten.
Die Barrieren müssen überwunden werden
Über den Unterschied zwischen Mauern und Zäunen kann man sich durchaus streiten. Doch das aktuelle Problem der Einwanderung ist wohl nur für Demagogen ganz einfach zu lösen. Es verlangt vielmehr die Abstimmung vieler unterschiedlicher politischer Interessen. Bei der Ministerkonferenz Europa-Afrika über Migration und Entwicklung in Libyens Hauptstadt Tripolis werden sich die EU und die Afrikanische Union zumindest in der allgemeinen Analyse der Situation einig sein: Die Kontrolle der Grenzen ist notwendig.
Aber noch wichtiger ist es, die Barrieren zu überwinden. Nicht nur materielle Zäune, auch mentale Mauern stellen ein Hindernis dar. Die Zusammenarbeit zwischen Europa und Afrika muss diese Probleme überwinden. Nur so kann die Landkarte der Ungleichheiten ausgeglichen werden, die heute Millionen von Menschen zur Auswanderung zwingt.
Eduard Soler ist verantwortlich für die Angelegenheiten der Mittelmeer-Staaten der Stiftung CIDOB, einem bekannten Zentrum für internationale Beziehungen mit Sitz in Barcelona. Auf die Frage hin, was er von der Mauer zwischen den USA und Mexiko halte, bemerkt er, dass Europa selbst ein derartiges Projekt besitze: „So etwas wie eine Mauer existiert schon längst zwischen Ceuta und Melilla [spanische Enklaven in Marokko, Anm. d. R.] und Marokko.“ Dort ist die Mauer ein hoch entwickeltes System von Zäunen.
Traumziel Europa
Der marokkanische Schriftsteller Tahar Ben Jelloun porträtiert die Situation in seinem aktuellen Roman Verlassen so: „Die kleine Malika, Arbeiterin in einer Hafenfabrik in Tanger, bittet ihren arbeitslosen Nachbarn Azel, ihr seine Diplome zu zeigen. – Und du? fragt Azel sie, was möchtest du später einmal werden? – Weggehen. – Weggehen… das ist kein Beruf. – Wenn ich erst einmal fort gegangen bin, werde ich eine Arbeit haben.“
Weggehen ist manchmal die einzige Lösung. Sie bringt aber neue Probleme mit sich: Die Emigranten werden in winzigen Wohnungen zusammengepfercht. Schlimmstenfalls erwartet sie der Tod im Meer. Es droht auch der Verlust von immens hohen Geldbeträgen an kriminelle Organisationen, die versprechen, bei der illegalen Einreise zu helfen. Zudem bedroht der brain drain die wirtschaftliche Zukunft der armen Länder.
Bessere Förderung für Hochqualifizierte
Um den brain drain zu bekämpfen planen die EU und die Afrikanische Union unter anderem, hoch qualifizierten Afrikanern, die in Europa arbeiten, besser zu fördern. Sie sollen einen Teil ihrer Arbeit in ihrem Herkunftsland absolvieren, ohne ihren Job in Europa zu verlieren.
Allerdings sind nicht alle europäischen Politiker mit einem solchen Vorhaben einverstanden. So will der französische Innenminister Nicolas Sarkozy das Privileg, nach Europa einzureisen, nur den am höchsten qualifizierten Arbeitnehmern gewähren. Eine solche Maßnahme könnte den brain drain noch verschärfen.
Europa verlangt politische Reformen in Afrika
Schon seit Jahren aber investiert die EU sehr hohe Beträge in die Entwicklung und die Modernisierung Afrikas. 2004 zahlten die europäischen Staaten mehr als 12 Milliarden Euro an die Länder südlich der Sahara. Von 2000 bis 2006 gingen mehr als 5,3 Milliarden Euro an die afrikanischen Länder des Mittelmeerraumes.
Wie kann man also erklären, dass diese Gelder nicht die erwarteten Ergebnisse bringen? Problematisch seien vor allem die diktatorischen Regime in vielen afrikanischen Staaten, die „nicht das nationale Interesse repräsentieren, sondern sehr spezielle Interessen“, meint Eduard Soler. Die Euro-mediterrane Partnerschaft (EMP) wurde vor elf Jahren gegründet, um genau diesem Problem entgegenzuwirken. In Afrika sollte die Entwicklungshilfe fortan mit politischen Reformen verbunden werden.
Heute zeigt sich, dass Marokko als einziges Land tatsächlich den Weg der Reformen beschritten hat. Daher soll nun das Reformprogramm selbst reformiert werden. Früher mussten die afrikanischen Länder nur ganz allgemeine Voraussetzungen erfüllen, um finanzielle Hilfe aus Europa zu bekommen. Heute müssen konkrete Veränderungen sichtbar werden. „Im Aktionsplan, der mit Jordanien verabschiedet wurde, ist der Antrag für ein neues Parteiengesetz enthalten“, berichtet Soler. Man brauche inzwischen „mehr als einen Willen zur Erneuerung im weitesten Sinne.“
Das Phänomen ist ein Indikator für die Ungleichheit in der Welt. Mitten in der Globalisierung kann man nicht den Kopf in den Sand stecken und so tun, als ob man die Probleme nicht sehe. Es muss ein Politikstil abgelegt werden: die Vogel-Strauß-Politik.
Translated from Movilidad euromed: a saltar la valla