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Eine Party für Europa und niemand geht hin

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Politik

Was wird am Europatag eigentlich gefeiert? Und wer ist eingeladen? Was der 9. Mai repräsentiert und was er bedeuten könnte.

Ich stelle mir Europa als eine feine Lady vor, mit grauem Haar und eleganter Kleidung; eine warmherzige, belesene alte Dame, die es liebt, ihre Freunde zu gepflegten Partys einzuladen. Eines Tages kamen wohl einige ihrer Söhne auf die Idee, sie solle doch jedes Jahr am 9. Mai eine solche Party veranstalten: Den Europatag.

Sie war einverstanden und hat seither schon viele Feste ausgerichtet. Bevor aber die nächste Party steigen kann, müssen drei Fragen beantwortet werden: Warum wurde ausgerechnet der 9. Mai als Festtag ausgewählt? Wer steht auf der Gästeliste? Und gibt es dieses Jahr überhaupt noch einen Grund zum Feiern?

Am 9. Mai 1950 hatte ein französischer Außenminister die Idee, das zu gründen, was wir heute die Europäische Union nennen – und für die Institution und ihre Körperschaften ist das allein schon ein Grund für einen Festtag. Der 9. Mai muss aber auch in seinem historischen Kontext gewürdigt werden. Robert Schuman präsentierte seine Idee genau fünf Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkriegs: Am 8. Mai 1945 erklärte die Wehrmacht die Kapitulation von Hitlerdeutschland – am 9. Mai war der Krieg in Europa vorbei.

Die europäischen Länder erinnern sich auf unterschiedliche Weise an dieses historische Datum. In Frankreich, Tschechien und anderen Ländern, die von Deutschland besetzt waren, ist der 8. Mai - der Tag der Befreiung - ein Nationalfeiertag. Hier in Deutschland feiert an diesem Tag niemand und es vergingen 40 Jahre, bevor er erstmals mit dem Wort „Befreiung“ beschrieben wurde. Russland und viele andere Länder der früheren Sowjetunion feiert den 9. Mai (den Tag, an dem die Kapitulation des Deutschen Reichs bekanntgegeben wurde) als Tag des Sieges – was insofern korrekt erscheint, als es so etwas wie Befreiung für die Ukraine, Weißrussland und all die anderen osteuropäischen Länder an diesem Tag nicht gab.

Mit dem Europatag wird ein neuer Aspekt in den Mittelpunkt gestellt: Die Europäische Union entstand aus dem Wunsch heraus, die Schrecken des Zweiten Weltkriegs mögen sich nie wiederholen. Doch ebenso wie der Tag der Befreiung und der Tag des Sieges repräsentiert auch der Europatag eine eingeschränkte Sichtweise: Es ist ein Festtag der Europäischen Union – und die Party exklusiv. Nur Mitglieder sind geladen.

Der Grund zum Feiern sollte nicht die EU sein, sondern Europa.

Die Kommission, das Parlament und die Mitgliedsländer der EU nutzen den Europatag vor allem, um sich selbst zu feiern. Auch wenn sich die EU in den letzten Jahren mehr und mehr ausgedehnt hat, darf man jedoch eine supranationale Organisation nicht mit dem Kontinent verwechseln; und erst recht nicht mit den Menschen, die dort leben. Am Europatag sollten auch die Länder an den Außenrändern Europas zu einem europäischen Denken ermuntert werden. Der Grund zum Feiern sollte nicht die EU sein, sondern Europa.

Gerade weil heutzutage viele Mitgliedsländer der EU nicht mehr in Partystimmung sind, sondern ihren Kater auskurieren. Irland, Griechenland, Spanien und die anderen „Krisenländer“ traten einst der EU bei, weil sie sich davon einen Wirtschaftsboom erhofften, mehr Arbeitsplätze und ein besseres Leben. Stattdessen haben sie nun eine stetig wachsende Depression, verbunden mit dem Verlust von Arbeitsplätzen und Perspektiven, mit aufgezwungenen Sparmaßnahmen und Privatisierungen. Zur gleichen Zeit verabschieden sich die Länder, die nicht unter der Eurokrise leiden – oder, wie Deutschland, sogar von den Zinseinnahmen profitiert haben – langsam aber sicher von der Idee einer echten Union in wirtschaftlicher und politischer Hinsicht. Wenn es das wäre, was der Europatag repräsentiert, so wäre die Party dieses Jahr eine sehr kleine und sehr zynische Veranstaltung. 

Europa braucht einen Festtag, unbedingt! Denn bis zum heutigen Tage gibt es keine gemeinsame europäische Erinnerungskultur für den Zweiten Weltkrieg. Natürlich hat jede Nation ihren eigenen Blick auf die Geschichte – doch teilen nicht alle Länder die gleiche Erfahrung von Tod, Zerstörung und Verzweiflung? Dass sich so etwas niemals wiederhole, dass ein lang anhaltender Frieden in Europa einkehren möge, war das Ziel von Außenminister Schuman, als er 1950 den Vorschlag einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl machte.

Für all die Länder aber, die nicht zum exklusiven Kreis der westlich orientierten Staaten gehörten, die 1951 den Vertrag von Paris unterzeichneten, und vor allem für diejenigen, die bis heute keine Mitglieder der EU sind – oder wünschten, sie wären es nicht – kann der 9. Mai nicht allein aufgrund von Schumans Erklärung als Europatag angesehen werden. Nur wenn der historische Kontext beachtet und am Leben erhalten wird, haben alle europäischen Länder einen Grund, den Europatag zu feiern. Und damit dieser Kontext ein wahrhaft europäischer sein kann, sollte der 9. Mai nicht länger als Tag der Befreiung oder Tag des Sieges angesehen werden, sondern als Tag des Friedens.

Der 9. Mai ist ein guter Tag zum Feiern. Doch wenn die freundliche alte Lady Europa dieses Jahr die Einladungen verschickt, sollte sie das Motto ändern: Von „Feiern auf Kosten von Europa“ zu „Europa feiern“. Und die Namen einiger Politiker, Banker und Unternehmer sollte sie von der Gästeliste streichen: Wer nur zur Party kommt, um das Buffet zu plündern, die Weinflaschen zu leeren und krumme Deals auf Kosten anderer zu machen, sollte nicht mehr eingeladen werden.

Stattdessen sollte die Party eine Gelegenheit sein, fremde Gäste aus fernen Ländern zum empfangen, die neugierig auf Europa sind, die ihre Werte und ihre Lebensweise kennen lernen möchten. Das wäre die Art von Party, die unserer alten Dame gefällt und die ihr helfen würde, ein langes und glückliches Leben zu führen.

Dieser Artikel ist Teil einer Sonderserie zum 'Europatag' in Zusammenarbeit mit den Teilnehmern des Forums europäischer Journalismusstudenten (FEJS)

Illustrationen: Teaser (cc)Jiuck/flickr/offizielle Seite

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Translated from Europe Day, 9 May (guest list open)