Ein tschechischer Vorschlag für den Nahen Osten, das „Mexiko” der EU
Published on
Translation by:
Julia EichhorstDrei Wochen Kämpfe, die mit einer brüchigen Waffenruhe endeten, leiteten die sechsmonatige EU-Präsidentschaft der Tschechischen Republik ein. Vor dem Hintergrund der israelischen Wahl am 10. Februar schlägt die tschechische EP-Abgeordnete Jana Hybaskova einen neuen EU-Vertrag für einen länger anhaltenden Frieden im Nahen Osten vor.
„Der Nahe Osten ist für Europa mindestens so wesentlich wie Mexiko für Amerika. Während sie sich langsam selbst definiert, wird die EU in zunehmendem Maße versuchen, ihre Stellung zu behaupten.“ Dieses Zitat stammt aus dem 2003 geschriebenen Essay Hegemonic Quicksand [Hegemonischer Treibsand, A.d.R.] des in Polen geborenen Amerikaners Zbigniew Brzezinski, der Sicherheitsberater von Jimmy Carter war. Darin wird auf den Punkt gebracht, was das palästinensisch-israelische Problem für die Europäische Union bedeutet, welche kontroverse Rolle der Staatenbund zu spielen hat und wie wichtig die Friedenserhaltung in diesen Regionen ist. Ein diplomatisches Einschreiten der Union scheint unumgänglich, nicht nur nach der Essaylektüre.
Die israelische Militärkampagne, die sich gegen das besetzte palästinensische Gebiet des Gaza-Streifens richtete, begann bereits am 27. Dezember. Nach dreieinhalb Wochen, die darauf abzielten, Enklaven der Hamas zu zerstören [diese hatten in einer langfristigen Offensive israelische Städte beschossen], erklärten die beiden Fronten am 18. Januar eine einseitige Waffenruhe. 1300 Palästinenser starben, einschließlich 700 Zivilisten und Kinder, während unter den 13 israelischen Toten vier Soldaten waren. Die internationale Gemeinschaft muss die Basis für einen endgültigen Frieden schaffen. Die Angriffe mögen eingestellt worden sein, aber Probleme sind immer noch vorhanden: Schulen der UN in Gaza wurden bombardiert und die zivilen Opfer haben weitverbreitete internationale Verurteilung ausgelöst.
Die Rolle der tschechischen Ratspräsidentschaft im Nahen Osten
Auf diese Weise begann die Ratspräsidentschaft der Tschechischen Republik am 1. Januar diese Jahres. „Die Präsidentschaft bemüht sich, eine einzige Stimme, Haltung und Strategie der EU im Nahen Osten aufrechtzuerhalten“, sagt Jana Hybaskova. Sie stellt im gleichen Atemzug klar, dass sie nicht als Vertreterin der tschechischen Regierung oder Präsidentschaft, sondern als tschechische EP-Abgeordnete spricht. „Die EU muss ihr Gewicht als bedeutender Geldgeber in dem Gebiet besser nutzen“, sagt sie.
Im Jahr 2008 hat die EU-Kommission 73 Millionen Euro bereitgestellt. „Sie sollte ihrer Forderung nach mehr Akzeptanz aber deutlicher Gehör verschaffen. Die Hamas kann nicht als legitimer Dialogpartner in Betracht gezogen werden und gleichzeitig eine terroristische Organisation sein [nach der Klassifizierung der USA und der EU - A.d.R.]. Der Gaza-Streifen muss entmilitarisiert werden. Seine Bevölkerung sollte aufhören, die Hamas zu unterstützen, sonst sollten die EU-Fördergelder verwehrt bleiben. Das Problem der Flüchtlingslager, die seit über 60 Jahren in Gaza existieren, muss gelöst werden. Die arabischen Staaten sollten, angeführt vom benachbarten Ägypten, endlich anfangen, eine aktivere Rolle im Friedensprozess zu spielen.“
Da der Nahe Osten einer EU in voller Expansion immer näher rückt, ist das Gebiet eine Priorität für die Union. Der Konflikt begann in der letzten Etappe der französischen EU-Ratspräsidentschaft. „Die meisten Initiativen der tschechischen Präsidentschaft beruhen natürlich auf den Errungenschaften der Franzosen. Laut dem tschechischen Außenminister Karel Schwarzenberg beabsichtigen die Tschechen, die Kontinuität in der Haltung der EU gegenüber Gaza zu bewahren.“ Bisher war diese Politik eher von wirtschaftlichen Faktoren geprägt. Der EU wurde vorgeworfen, eher Geld zu geben, anstatt in der Region aktiv mitzuspielen. Viele Experten sagen, dass es Zeit sei für Veränderungen. „Es muss unbedingt einen europäischen Einfluss in Gaza geben, der die von der EU investierten Fördermittel angemessen widerspiegelt“, fährt Hybaskova fort. „Die unterschiedlichen Positionen sollten in einer gemeinsamen EU-Politik zusammengefasst werden, doch im geltenden gesetzlichen Rahmen gibt es dafür keine Möglichkeit.“
Die Rolle der Wahl
Angesichts der humanitären Krise, dem Schmuggeln von Lebensmitteln und Waffen und der bevorstehenden israelischen Parlamentswahl am 10. Februar, wird der Nahe Osten zu einem immer komplexeren Geduldspiel. Kommentatoren vermuten politische Manöver hinter der Militäraktion. Die Parlamentswahl wurde nötig, als Außenministerin Tzipi Livni - von der ausländischen Presse „Olmert im Rock“ genannt - im Oktober 2008 damit scheiterte, eine Regierung zu bilden, um den aus dem Amt scheidenden Ministerpräsidenten Ehud Olmert zu ersetzen.
Talal Nizameddin, politischer Analyst an der Amerikanischen Universität in Beirut, sagt, dass innenpolitische Überlegungen der Hauptgrund für die Attacken gegen Gaza waren - allen Dementis israelischer Politiker zum Trotz. Diese Meinung war auch im Jahr 2000 verbreitet, als der damalige Ministerpräsident Ehud Barak israelische Truppen aus dem Libanon abzog.
Einige Beobachter sind davon überzeugt, dass die Militäroperation ein Test des Verteidigungsministers war, der die Wahlkampagne stärken sollte. Andererseits verteidigt Livni die Offensive in Gaza und erklärt, dass Hamas-Aktivisten wesentlich stärker als israelische Politiker die Voraussetzungen für Israels Militäraktion geschaffen hätten. Angeblich waren sie im Jahr 2007 für insgesamt 800 Angriffe veantwortlich.
In einer solchen Situation kann und will die Europäische Union nicht untätig bleiben. Jana Hybaskova schlägt eine effektivere EU-Politik mittels eines Vertrags vor, der dem Lissabon-Vertrag ähnlich wäre. „Er sollte die gemeinsame Dimension der europäischen Integration vertiefen, vor allem in den Bereichen der Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik“, lautet ihre tschechische Diagnose für Israel und Palästina, um in Brzezinskis Worten zukünftig „unzweideutiger“ zu sein.
Translated from A Czech prescription for the Middle East, the EU’s ‘Mexico’