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Disney-Imperium: US-Unternehmen baut eine Stadt in Frankreich

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Gesellschaft

Wie wär’s mit einem Abschluss von der Disney-Universität? Oder mit einem Bummel über den Disney-Boulevard, Shoppen in den Disney-Einkaufszentren, zum Abschluss noch ein Cappuccino am Disney-Platz? Ja, Sie können sich sogar in einem Disney-Krankenhaus die Mandeln herausnehmen lassen.

Nur 30 Minuten von Paris entfernt errichtet das „Magic Kingdom“ eine Kitsch-Welt und tausende arbeitslose Europäer wittern eine Job-Chance.

Für junge Europäer bietet Disneyland viel mehr als nur Hightech-Achterbahnen: Der Themenpark wird ausgeweitet und dient als gewaltiger Motor für mehr als 56.000 Arbeitsplätze und das Entstehen einer neuen Stadt mit 40.000 Einwohnern. Ganze Straßenzüge mit neuen Unternehmen, tausende neuer Hotelzimmer und das Bestreben Europas wichtigstes Konferenzzentrum zu werden, machen aus diesem Mekka für Sommer-Jobs eine Oase für längerfristige Bindungen. „Wer 'Cast Member' wird (so Disneys eher herablassender Ausdruck für 'Mitarbeiter'), kann Menschen aus aller Welt treffen“, erklärt Esteban, der früher Angestellter im Baskenland war.

Die Disney-Mitarbeiter kommen aus 100 Nationen und sprechen 19 Sprachen. „Ich kann es nur empfehlen“, sagt Jesús aus Almería. „Ich habe Freundschaften für’s Leben geschlossen.“ Doch das Leben in einem Themenpark besteht nicht nur aus Spaß und Spielen. „Am übelsten“, so bekennt Esteban, „war die Firmenpolitik von Disney. Dem Unternehmen geht es nur um die Kunden oder genauer gesagt, um das Geld der Kunden. Die Mitarbeiter, ihre Rechte und Äußerungen, zählen kaum.“ Tatsächlich schweigt sich Disney aus, wenn nach den tausenden von Angestellten gefragt wird, die in den Neunzigern wegen unannehmbarer Arbeitsbedingungen gekündigt haben.

Das Leben als Themenpark

Grund der gewaltigen Expansion des US-amerikanischen Unternehmens in Frankreich ist seine „Vision“. Einem 20km² großen Grundstück in Marne la Vallée will das Unternehmen seinen gewaltigen Stempel aufdrücken. Die Fläche ist größer als ein Viertel des Pariser Stadtkerns. Vor Ort hat Disney schon eine prosperierende Siedlung errichtet: das so genannte „Val d'Europe“, das seine Größe bald verdoppeln soll. Ein amerikanischer Vorort, der sich an das Herz der französischen Landschaft kuschelt. Hier werden Alleen von riesigen Villen im kolonialen Neu-England-Stil gesäumt und es wird eine misslungene Kreuzung aus pseudo-franko-amerikanischer Architektur präsentiert, die sich nicht zwischen „Damals auf dem Lande“ und „Desperate Housewives“ entscheiden kann.

Toskana-Stil

Die Straßen imitieren Pariser Boulevards und verlaufen dabei zwischen riesigen Fabrikverkaufshallen und gigantischen Einkaufszentren. Das Einkaufsviertel selber tut zwar wie ein kitschiger Ski-Ort in Österreich, ist aber randvoll mit amerikanischen Einzelhandelsgeschäften. Als Juwel in dieser Plastikkrone dient ein veritabler „toskanischer“ Dorfplatz: eine wilde Absurdität in einem Ozean von Parkplätzen. Komplettiert wird das Ganze durch einen zentral stehenden, triumphierenden Obelisken, der, wie sollte es auch anders sein, auf den Eingang eines weiteren Einkaufszentrums verweist. So weit das Auge blickt erstrecken sich hinter den nachgeahmten Fassaden die riesigen Ländereien, deren Entwicklung noch bevorsteht.

In einem 30-Jahresvertrag hatte sich Disney 1985 gegenüber der französischen Regierung verpflichtet, außerhalb seiner Phantasiestadt auf diesem Batzen Land eine „echte“ Stadt zu entwickeln. „Einst wurde das Land, auf dem wir gebaut haben, von wenigen Dutzend Bauern bewirtschaftet,“ verkündet Disneyland. „Heute zählt das Val d'Europe 22.500 Einwohner. Es hat dieses Gebiet in einen wirtschaftlichen Motor verwandelt, der die ganze Region attraktiver macht.“ Vor Aufregung atemlos enthüllt Christophe Giral, Chef der Marketingabteilung, triumphierend ein grünes Landschaftsmodell in gigantischem Maßstab. „Stellen Sie sich diese Fläche anderthalbmal so groß vor, dann haben Sie eine Idee von der Landfläche, die wir entwickeln wollen,“ verkündet er. Den Zuschauern entweicht ein deutliches Japsen: teils schockiert, teils begeistert, zumindest aber eingeschüchtert von der schieren Kühnheit des Disney-Vorhabens.

Leben in der Disney-Blase

Disneys Einkaufs-„Dorf“ wird auf mehr als die dreifache Größe anwachsen. Auch die Kapazität der Disney-Tagungszentren wird sich verdreifachen, um die sogenannten „Monsterkonferenzen“ aus Belgien und Deutschland wegzulocken. Disneys Hotels, deren Bettenzahl schon jetzt der viertgrößten Stadt Frankreichs entspricht, werden verdoppelt. Val d'Europe selber wird massiv ausgebaut: 100 weitere Gewerbeeinheiten, Discountzentren und 140 weitere Einzelhandelsläden sollen kommen. Die Stadt strebt an, eines der wichtigsten kommerziellen Zentren Frankreichs zu werden. Ein neuer Universitätscampus, Spezialgebiet Dienstleistungsmanagement, soll 10.000 Studenten und ein neues Krankenhaus beherbergen. Mit Mieten, die nur ein Viertel des Paris Preises betragen, zieht die Stadt derzeit pro Woche vier bis fünf neue Firmen an, etwa 5000 sind es schon. Die entwicklungsbedingten Steuervergünstigungen sind gewaltig. Dann sind da noch verschiedene neue Themenparks, einschließlich Europas größtem „Naturdorf“, zu dem ein mittels Geothermie ganzjährig beheiztes Freibad gehört. Und aufgepasst: Dies ist erst „Phase 2“.

Eine ganze Stadt rings um ein Netzwerk der Themenparks zu gründen, hat offensichtlich einige Bedenken geweckt. Ein junger Zuschauer fragt: „Zweifellos ein brillanter Geschäftsplan, aber belastet es Sie nicht, Kinder zu benutzen, indem eine Stadt auf ihre Sehnsüchte gegründet wird?" Giral antwortet mit makellosem Lächeln: „Die Freizeit war stets ein Teil des Lebens, wir füllen nur eine Nische." Tatsächlich hat das Rezessionsjahr 2009 dem Park die bisher höchsten Gewinne eingebracht. So können Disneyland, seine „geschmacksneutrale“ Landentwicklung und tausende potenzielle Angestellte glücklich und selbstzufrieden bis an ihr Ende leben.

Fotos ©Samlavi/flickr ; donatelo2008/flickr ; Drumaboy/flickr

Translated from Fancy a degree from the university of Disney?