Die Tories wollen ihren Anstrich wechseln
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fiona wollensackMit dem neuen Parteivorsitzender David Cameron versucht die britische Conservative Party erneut, wählbar zu werden. Dem föderalistischen Europa sind sie deshalb nicht besser gewogen.
Es gehört zum Alltag der britischen Politik, dass die Conservative Party zum Thema Europa Geschrei und Hohngelächter zum Thema EU von sich gibt – sie sind weit und breit als die führenden Euroskeptiker des Landes bekannt.
Jung und frisch
Doch vergangene Woche schien sich die Tonlage zu ändern. In einer Rede ihres ehemaligen Parteivorsitzenden William Hague, inzwischen für Außenpolitik zuständig, haben die Tories ihr „Fresh thinking on Europe“ („neu über Europa denken“) an die große Glocke gehängt. „Ich bin fest davon überzeugt, dass der Platz Großbritanniens in Europa ist“ erklärte Hague seinen Zuhörern aus der Medienwelt. Das Land sollte ein „starker Mitspieler“ sein, und sich nicht „in den Randzonen“ Europas herumtreiben.
Für die britischen Konservativen ist das tatsächlich ein neues Denken. Derzeit erfindet sich die Partei radikal neu. Nach neun Jahren in der Opposition wollen die Tories wieder an die Macht. Ihr neuer Parteivorsitzender, der so junge wie frische David Cameron, ist sich vollkommen bewusst, dass sie sich drastisch verändern müssen, wollen sie an ihre Ziel gelangen. Er hat keine Angst, lang etablierte konservative Überzeugungen zu opfern, um die wichtige Mitte wiederzugewinnen. Dazu passt es, dass die Tories nun an den Ecken und Kanten ihres hässlichen Europa-Hasser-Images feilen.
Die Mitte verlassen…
Doch davon sollte man sich nicht hinters Licht führen lassen. Man hat es mit keiner neuen Partei zu tun. Viele Stellen in William Hagues Rede haben das vor Augen geführt. Am eindeutigsten war seine Bestätigung des lange brodelnden Gerüchts, dass die Tories sich entschlossen haben, die Europäische Volkspartei (EVP) zu verlassen. Somit kehren sie der Gruppierung christlich-demokratischen und konservativ-bürgerlichen Parteien im Europaparlament den Rücken.
Die Logik dieser Entscheidung ist unwiderstehlich: Es ist und bleibt das Hauptziel der britischen Konservativen, die EU radikal zu verändern. Auch das betonte Hague in seiner Rede. Und um dies zu bewerkstelligen, sollte man nicht Mitglied der EVP sein. Standhaft föderalistisch, plädiert diese Fraktion für ein „Europa der Werte“, weitere politische Integration und eine gemeinsame Außenpolitik.
Dies steht in fundamentalem Widerspruch zu dem, was die Tories zu Hause predigen. Dort sprechen sie von einer viel loseren, weniger zentralisierte, weniger aufdrängende EU. Die föderalistische Vision der EVP, die auf den Europaarchitekten Jean Monet und dessen Ziel einer „immer engeren Gemeinschaft“ aufbaut, ist der schlimmste Albtraum der Partei.
Es wird ein steiniger Weg sein, ganz gewiss. Bislang ist Unterstützung für die Entscheidung eher in Großbritannien zu finden als unter den Europaabgeordneten der Partei. Sehr wenige Parteien im Europaparlament sind von der Idee der Tories begeistert, eine neue Fraktion zu bilden, denn dafür müssten Abgeordnete aus mindestens fünf weiteren Ländern gefunden werden.
…um an den Rand zu treten?
Aber was bedeutet diese Entscheidung wirklich? Wenn sich die Dinge so weiter entwickeln, könnten sich die Tories trotz ihrer Rhetorik des Engagements an den Rändern der EU wiederfinden. Dort würden sie sich – wohl kaum erstrebenswert – zu einer Gruppe fremdenfeindlicher Extremisten gesellen. Und dies auf Kosten des Einflusses, den sie momentan genießen.
Sollte es ihnen allen Widrigkeiten zum Trotz gelingen, eine geeinte Fraktion im politischen Mainstream zu gründen, die noch dazu im Parlament auf breite Akzeptanz stößt, könnten sie einen radikalen Wandel innerhalb der EU auslösen, der seinesgleichen sucht.
Ob dies gut oder schlecht für die EU wäre, ist und bleibt umstritten. Aber das unvermeidbare Chaos, das eine solcher Schachzug mit sich bringen würde, wäre für ein seltsam uninspiriertes Europaparlament auf jeden Fall von Vorteil.
Translated from Are the conservatives changing their spots?