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Die Brexit-PR des Boris Johnson

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Translation by:

Tessa Clara Walther

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Egal ob peinliche Fernsehaktionen oder provokative Vergleiche: Der ehemalige Londoner Bürgermeister Boris Johnson schreckt vor nichts zurück. Er ist neben UKIP-Leader Nigel Farage das Gesicht der Brexit-Kampagne und befürwortet den Austritt des Landes aus der EU. Aber welches Ziel verfolgt der Exzentriker mit seinen immensen PR-Auftritten wirklich?

„Napoleon, Hitler, viele große Persönlichkeiten haben es versucht, und es endete jedes Mal in einer Katastrophe“. Solche provokativen Vergleiche hört man kurz vor dem Brexit-Referendum immer häufiger aus dem Munde von Boris Johnson, wenn es um die Europa-Frage geht.

Am 23. Juni werden die Briten in einem nationalen Referendum darüber abstimmen, ob sie in Zukunft noch zur EU gehören wollen oder nicht. Der amtierende britische Premierminister David Cameron versprach den Volksentscheid zur Europafrage im letzten Jahr und macht sich seitdem für ein Vereinigtes Königreich in der EU stark. Boris Johnson, sein ehemaliger Verbündeter und auch ein Abgeordneter der konservativen Tories, entschied sich daraufhin für den Austritt aus der EU - den Brexit - zu kämpfen.

Schaut man sich aber die ersten Schritte des kleinen ‚Boris‘ an, könnte man meinen, dass er für dieses Schicksal eigentlich gar nicht gemacht war.

Brüssel, Oxford und rosa Bratwürstchen

Der Opa hat türkische Wurzeln, die Oma französische. Boris Johnson hat Europa im Blut. Das erlebte er seit seiner frühen Kindheit hautnah. Johnson wurde 1964 in New York geboren und zieht einige Jahre später nach Brüssel, wo sein Vater für die Europäische Kommission arbeitet. In Belgien geht Boris zunächst an die europäischen Schule Uccle.

Hier lernt er unter anderem Französisch und liest Molière im Original. Doch je mehr seine Familie an London heranrückt, umso geringer wird sein Interesse für den Kontinent. In Eton, einem teuren Elitecollege in einem Londoner Vorort, wird er für eine Laufbahn in der britischen High Society erzogen. Am Balliol College der Universität Oxford studiert er daraufhin klassische Geisteswissenschaften. In dieser Zeit beginnt auch sein politisches Engagement.

An der Uni trifft er David Cameron, seinen zukünftigen politischen Verbündeten, in den Reihen der Konservativen. Aber anstatt neue politische Projekte für ihr Land auf die Beine zu stellen, sorgt das Duo mit seinen verrufenen Aktionen im Bullingdon Club für Aufruhr.  

Nach dem Kapitel in den besten Bildungseinrichtungen des Landes, beginnt der aufbrausende Boris seine Karriere als Jouralist bei der Times. Kurz nach seiner Einstellung wird er jedoch schon wieder entlassen, weil er ein Zitat seines Patenonkels, dem Historiker Colin Lucas, gefälscht haben soll. Der junge Journalist wechselt also zum Daily Telegraph, eine der euroskeptischsten Zeitungen des Landes, und wird für sie Auslandskorrespondent in, genau, Brüssel. Von 1989 bis 1995 berichtet er kritisch über den damaligen Kommissionspräsidenten Jacques Delors, die europäischen Institutionen und ihre „Bedrohung für pinke britische Würstchen“.

„Jede Art von Werbung ist eine gute Art von Werbung“

Aber ist er tatsächlich so skeptisch gegenüber Europa, wie er sich präsentiert? Die Autorin seiner Biographie Just Boris: A Tale of blond ambitionSonia Purnell, bestätigt, dass es einen Unterschied zwischen dem offiziellen und privaten Boris gebe. „In seinen Artikeln war er oft sehr EU-kritisch. Aber wenn Leute in seinen privaten Kreisen negative Kommentare über die Union machten, hat er sie verteidigt.“ Für ihn ginge es bei der Brexit-Kampagne mehr um die PR-Wirkung. „Er wollte sich damit einen Namen machen“, bestätigt die Autorin. Seine Abneigung gegenüber der EU ist also längst nicht so klar wie gedacht.

Die gleiche Strategie fuhr Boris auch schon zwischen 2008 und 2014, als er zum Bürgermeister von London gewählt wurde, eine der europafreundlichsten Städte im Königreich. Und was fällt einem ein, wenn man an seine zwei Mandate zurück denkt? Anstatt politischer Erfolge - eher peinliche Eskapaden. Zum Beispiel während seines Besuches in Japan, wo er ein zehnjähriges Kind beim American Football einfach umhaut. Oder, als er sich während der Olympischen Spiele in London 2012 an ein Riesenrad hängen lässt. Eine natürliche Scheu vor Kameras scheint der 51-Jährige nicht zu haben: „Jede Art von Werbung ist eine gute Art von Werbung“.

Boris im freien Fall

Es war sicher auch wieder einer dieser PR-Gags, in denen es Boris Johnson wagte, die EU mit Nazi-Deutschland zu vergleichen. Und die Kommentare haben Spuren hinterlassen. Das Land ist in der Brexit-Frage tief gespalten und jetzt, so kurz vor dem Referendum vom 23. Juni, tendieren die Umfragen doch sehr stark zu einem Brexit-Votum. Vor einigen Monaten sah das noch anders aus, da waren sowohl das britische Volk als auch die Tories noch klar pro-EU.

Neben seiner PR-Strategie scheint Boris Johnson aber mit seiner Brexit-Kampagne noch andere Pläne zu verfolgen. Es geht ihm anscheinend vor allen Dingen darum, seinen ehemaligen Verbündeten David Cameron herauszufordern. Denn der würde sich bei einer Entscheidung für den Austritt aus der EU als Premierminister und Unterstützer von Bremain, in einer unglücklichen Position wiederfinden.

Der große weiße Hai

Der aktuelle Brüssel-Korrespondent der Zeitung Daily TelegraphMatthew Holehouse, unterstreicht: „Es wird wild darüber debattiert, was Boris Johnson wirklich denkt. Einige sind davon überzeugt, dass sein Verhalten reine Taktik ist, andere glauben das nicht.“ Biografin Sonia Purnell gibt sich entschlossener: „Noch bis vor Kurzem hätte er niemals ein Befürworter des EU-Austritts sein können. Er hat seine Meinung nur deshalb geändert, weil er der neue Premierminister werden möchte. Er ist ein Opportunist, oft beschreibe ich ihn als einen großen weißen Hai.“

Der mögliche Ruf des Volkes zum Austritt aus der Union würde seinen Weg in Richtung 10, Downing Street ebnen. „Mit diesem Referendum hat er große Chancen, Premierminister zu werden. Und er tut wirklich alles, damit ihm das auch gelingt“, schreibt die Autorin in ihrer Johnson-Biographie.

Zwischen Exzentrik, Zwiespältigkeit und Opportunismus bleibt es der Fantasie überlassen, sich einen Premierminister Johnson vorzustellen. „Niemand weiß, wie er sich geben würde“, sagt Sonia Purnell. „Wenn sie mich fragen, will er an die Macht, aber ohne klares Ziel.“ Letztlich habe Boris Johnson nicht wirklich eine Ideologie und ändere seine Meinung ständig. Und wenn aus Johnsons Brexit-PR eine Tragödie würde?

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Alle Interviews, außer anderweitig vermerkt, wurden von Lucas Tripoteau geführt.

Translated from Boris Johnson : le grand b(l)ond