“Dialog mit Muslimen ist Teil unserer Terrorpräventionsstrategie”
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juliane rohloff”Mister Terrorismus”, mit bürgerlichen Namen Gijs de Vries, koordiniert europäische Anti-Terror-Maßnahmen für den Rat der Europäischen Union. Er sprach mit café babel über Terrorismusabwehr in Europa
Sie sind der erste Anti-Terror-Koordinator der EU. Die Medien bezeichnen sie aber gerne als „Mister Terrorismus“. Wie fühlen Sie sich, wenn Sie so bezeichnet werden?
Unsere Bevölkerungen vor dem Terrorismus zu schützen ist selbstverständlich kein One-Man-Job. Es ist eine Kernverantwortlichkeit der nationalen Regierungen der 25 EU-Mitgliedsstaaten, und deswegen haben die Regierungschefs der Union allein letztes Jahr viermal über dieses Thema diskutiert. Das zeigt, dass es auf höchster politischer Ebene äußerst ernst genommen wird, und genau dort werden die Entscheidungen, welche die Verteidigung Europas gegen den Terrorismus betreffen, ja auch getroffen.
Ist denn ein wirklicher politischer Wille da, in diesem sensiblen Gebiet zusammenzuarbeiten?
Wir konnten bereits die Verabschiedung wichtiger neuer europäischer Gesetze zur Terrorismusbekämpfung beobachten, zum Beispiel gegen Geldwäsche, aber auch die Einführung biometrischen Standards in unsere Pässe, um sie besser vor Fälschung zu schützen. Wir haben es den Terroristen schwerer gemacht, an Geld zu kommen und zu reisen. Außerdem sind wir dabei, die Zusammenarbeit der Geheimdienste zu verbessern, indem wir in Brüssel ein Zentrum zur Gefahrenanalyse gründen, das Analysten unserer Sicherheits- und Geheimdienste zusammenbringt, damit sie gemeinsam Bedrohungen für Europa analysieren können. Das sind nur ein paar Beispiele für die konkreten Fortschritte, die innerhalb der EU erzielt worden sind.
Wird aus Ihrer Organisation einmal das Hauptquartier eines europäischen Geheimdienstes werden?
In vorhersehbarer Zukunft nicht, weil die Regierungen diese Entscheidung noch nicht getroffen haben. Wir zielen aber nicht darauf ab, neue zentrale Einrichtungen zu schaffen. Wir arbeiten von unten nach oben, auf der Basis der existierenden nationalen Einrichtungen, denen wir helfen wollen, Informationen auszutauschen und über Grenzen hinweg zusammenzuarbeiten. Mit anderen Worten: Wir renovieren ein existierendes Haus, anstatt ein neues zu bauen.
Was erwarten Sie als ehemaliges Mitglied des Europäischen Konvents, der den Verfassungsvertrag ausarbeitete, von der Verfassung im Hinblick auf die Koordination der inneren Sicherheit?
Ich denke, dass der neue Vertrag in dreierlei Hinsicht hilfreich sein wird: Erstens wird er die Arbeit unserer Regierungen in der Terrorismusbekämpfung effektiver machen, weil sie Entscheidungen mehrheitlich treffen können, statt einstimmig, wie es heute noch der Fall ist. Wenn immer gewartet werden muss, bis Einstimmigkeit erzielt ist, kann das sehr lang dauern. Die Ernennung des neuen Direktors von Europol hat dies wieder einmal gezeigt: Die Mitgliedsstaaten brauchten mehr als ein Jahr um die nötige Einstimmigkeit zu erreichen. Ein effektives Arbeiten ist derartigen Wartezeiten nicht möglich. Zweitens wird der Vertrag dabei helfen, die Kontrollfunktion des Europäischen Parlaments zu stärken, denn wenn wir mehr auf europäischer Ebene erledigen, müssen wir darauf achten, dass die Rechte unserer Bürger [die das Parlament wählen] gut geschützt werden. Soviel zur demokratischen Dimension. Und drittens werden die Bürgerrechte besser geschützt, weil die Europäische Union der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte beitreten wird. Es wird eine höhere Effektivität, demokratische Kontrolle und eine besseren Schutz der Bürgerrechte geben.
Der britischen Nichtregierungsorganisation Statewatch zufolge haben “27 der 57 europäischen Anti-Terror-Maßnahmen nichts oder wenig mit der Terrorismusbekämpfung zu tun”. Stellt die Terrorbekämpfung nur einen Vorwand für die Einschränkung von Bürgerrechten da?
Nein, ganz sicher nicht. Wenn dem so wäre, hätten es uns die nationalen Verfassungsrichter schon gesagt. Wir alle müssen die Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte beachten. Das letzte Wort haben immer die Richter und die haben bisher noch kein Urteil gegen die Europäische Union gefällt.
Was ist mit denjenigen Maßnahmen, die als Teil der Anti-Terror-Gesetzgebung nicht illegal sind, aber eher auf normale Kriminalität abzielen und nicht eindeutig zur Terrorismusbekämpfung bestimmt sind?
Ich kann dieses Argument nicht nachvollziehen. Der Europäische Haftbefehl, zum Beispiel, kann natürlich auch auf andere Verbrechen außerhalb des Terrorismus angewendet werden, aber er stellt immer noch ein wichtiges Mittel im Kampf gegen den Terror dar. Um ehrlich zu sein, denke ich, dass unsere Bürger besser vor dem Terror geschützt sein wollen. Dies wollen wir sicherstellen, aber selbstverständlich müssen wir das Gewicht der Menschenrechte im Kampf gegen den Terrorismus berücksichtigen.
Der Terrorismus, der seine Ursachen in individueller Frustration und Hass hat, kann durch sicherheitspolitische Mittel nicht vollständig ausgelöscht werden. Inwiefern arbeiten Sie mit anderen Abteilungen wie dem Handels- und Entwicklungskommissar zusammen, um bei der Schaffung eines Klimas zu helfen, in dem radikaler Terrorismus gar nicht erst entstehen kann?
Sie haben Recht. Es ist wichtig, dass die tieferen Ursachen angegangen werden, die den Unwillen nähren, der dann zum Terrorismus führen kann. Deswegen versucht die Europäische Union auch den afrikanischen Ländern zu helfen, indem sie zum Beispiel versucht Stabilität zu schaffen, um internationale Konflikte zu verhindern. Wir geben 250 Millionen Euro für Frieden und Sicherheit in Afrika aus. Dabei herrscht eine enge Kooperation zwischen der Europäischen Kommission, unseren Mitgliedstaaten und dem europäischen Rat, zur Unterstützung von Länder von Marokko bis Indonesien. Im Fall von Indonesien engagieren wir uns für einen „interreligiösen Dialog“, in dem wir uns über die Geschichte des Islam in Indonesien austauschen. Dieses Land ist ein sehr interessantes Beispiel, da es die weltweit größte muslimische Nation ist und gleichzeitig eine Demokratie. Es zeigt, dass sich Islam und Demokratie nicht ausschließen müssen, wie Herr Bin Laden versucht glauben zu machen. Die Zusammenarbeit mit moderaten Muslimen ist also ein wichtiger Teil der europäischen Strategie im Antiterrorkampf. Je stärker moderate Muslime werden, desto bessere Möglichkeiten haben wir, den islamitischen Terror zu verhindern.
Translated from “Dialogue with Muslims is part of our terror-prevention strategy”